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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Baroneß dürfen nicht! Weil Sie über große Mittel verfügen und ich ein Anverwandter der Familie bin, darum darf ein Mann wie ich nicht überreichlich für Leistungen belohnt werden, die herzlich leicht wiegen. Schon das mir von Herrn von Hofmann bewilligte Gehalt erschien mir, diesen meinen Leistungen gegenüber, viel zu groß, und nur die Rücksicht auf meinen Vater nötigte mich, es anzunehmen ... es nochmals erhöhen, das hieße, mich demütigen, und ich denke mir, das können Baroneß nicht wollen!“

„Nein, ich will es nicht!“ sagte sie rasch und stand auf.

Sie waren beide rot geworden während der letzten Minute und sahen aneinander vorbei, während jeder von ihnen dasselbe dachte. Das junge Mädchen erfüllte der Gedanke, diesem Mann Gehalt auszuzahlen, seine Vorgesetzte zu sein, mit unendlich peinlicher Verlegenheit, und er hatte kein anderes Empfinden, als ein beinahe zorniges Auflehnen: Warum sucht sie mich zu halten? Ich will nicht bei ihr in Lohn und Brot stehen, ich will nicht! Und wenn ich mich jetzt füge, um nicht allzusehr den Schein der Undankbarkeit auf mich zu laden .... auf lange wird es nicht sein! Was mir gegen die Natur geht, das kann ich einfach nicht ertragen!

Abschiednehmend verneigte er sich: „Baroneß haben mein Schicksal einstweilen besiegelt – ich unterwerfe mich!“

„Nur einstweilen?“ versuchte Alix zu scherzen, aber es kam nicht ganz ungezwungen heraus. „Schon gut,“ fuhr sie sich beschwichtigend fort. „Jedenfalls wird also einstweilen“ – sie betonte das Wort absichtlich – „mein Vetter Cecil Whitemore meinem Vetter Raimund Hagedorn seine neue Stellung und deren Pflichten klarlegen!“

Wieder war in ihr stolzes Gesicht ein zarter Rosenhauch gestiegen, als sie seinen Namen und die vertrauliche Bezeichnung Vetter aussprach. Seine Mienen, in denen Zorn und Verlegenheit gekämpft hatten, hellten sich plötzlich auf, und der konventionelle Handkuß fiel, als er sich nun verabschiedete, etwas weniger förmlich aus, als er beabsichtigt hatte. (Fortsetzung folgt.)


Nachdruck verboten.
Alle Rechte vorbehalten.

Otto von Bismarcks Lebensgang.

Mit Bildnissen und Ansichten seiner Heimstätten.

     (Schluß.)

Letzte Lebenszeit.

Der Tod Kaiser Wilhelms des Ersten am 9. März 1888, dessen Kunde Fürst Bismarck unmittelbar danach in tiefster Ergriffenheit dem Reichstag überbrachte, bedeutete für ihn selbst eine verhängnisvolle Schicksalswendung. Dem Tode des ersten Kaisers folgte die Tragödie der „hundert Tage“, während deren es dem todwunden Kaiser Friedrich vergönnt war, die Krone des Reiches zu tragen, dessen Errichtung er als siegreicher Heerführer durch unvergeßliche Thaten mit herbeigeführt hatte. Und zwei Jahre später, am 18. März 1890, zwang ein tieftragischer Konflikt, in welchen die Anschauungen des alten Kanzlers von seinen Pflichten und Rechten mit den Plänen und Wünschen des jugendlichen zweiten Erben der Kaiserkrone gerieten, den Einiger der Nation zum Rücktritt von seinen Aemtern; unter Kundgebungen bewegtester Teilnahme, die ihm die Bevölkerung der Reichshauptstadt darbrachte, verließ er am 29. März Berlin, um fortan in der friedlichen Stille des Sachsenwaldes seine Tage zu verbringen. Unfreiwillig sah er sich nun im Besitze der Ruhe und im Genuß der ländlichen Abgeschiedenheit, die er in den Jahren seines Wirkens an der Spitze der Staatsgeschäfte sich so oft als höchstes Glück ersehnt hatte, und die Resignation, mit welcher einst der alternde Goethe den Spruch niederschrieb: „Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle“, forderte das Geschick auch von ihm, dem Manne der That, dessen Geist in ungebrochener Kraft nach weiterer Bethätigung im Dienste des Vaterlandes verlangte.

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Der Hof.

Straßenansicht. 

Die „Obere Saline“ in Kissingen.
Nach Photographien gezeichnet von H. Nisle.

Es liegt außerhalb des Rahmens dieses Erinnerungsbildes, auf die Motive einzugehen, welche dieses Schicksal bedingten. Die Tragik desselben ist von allen Zeitgenossen miterlebt worden. Sie erhob aber auch Bismarcks Charakterbild schon zu seinen Lebenszeiten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0589.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)