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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

zum Ausdruck, die wohl einzig in der Geschichte dasteht. Kaiser Wilhelm II war an der Spitze der höchsten Vertreter des deutschen Heers und der deutschen Marine nach Friedrichsruh gekommen, Vertreter der höchsten Regierungskörperschaften des Reichs und der verschiedensten Volkskreise brachten ihre Glückwünsche dar, Wochen, ja Monate hindurch lösten die Besuche und Deputationen einander in Friedrichsruh ab. Und so oft der Fürst in diesen Tagen das Wort ergriff, leuchtete aus dem resignierten Grundton das stolze Bewußtsein dessen hervor, was er zum Besten der Nation erstrebt und geleistet hatte. Als der „getreue Eckart“ der Nation mahnte er sie, Das festzuhalten und treu zu pflegen, was er und alle, die an der Begründung des Reiches teilgenommen, in schweren Kriegszeiten durchgeführt, damit es zum Hort der Einheit und des Friedens des deutschen Volks und seiner Fürsten werde.

Im großen und ganzen verbrachte der Altreichskanzler die letzten Jahre im Behagen des Familienkreises zu Friedrichsruh, umhegt von sorgender Liebe, inmitten lieblicher Enkel und treuer Freunde, ein würdiger Patriarch unter den Seinen. In den Tagen seiner pflichtenreichen Amtsführung hatte er geklagt: „Ich möchte wohl einmal gern ein volles Jahr keinen Menschen weiter sehen als meine Frau, meine Kinder und Enkel; für die sollte man doch eigentlich leben!“ – jetzt war ihm noch eine Reihe von Jahren vergönnt, dieses Glück zu genießen. Sie brachten ihm als Vater und Großvater gar manchen Anlaß zu festlicher Freude. Graf Herbert, den er sich zum Stellvertreter im Amt herangezogen hatte und der gleichzeitig mit ihm 1890 aus seiner Stellung geschieden war, vermählte sich am 21. Juni 1892 mit der Gräfin Marguerite Hoyos; am 22. November 1893 wurde er Vater eines Töchterleins, dem am 4. März 1896 ein Schwesterchen und am 25. September 1897 ein Bruder folgte. Graf Wilhelm, seit dem 6. Juli 1885 vermählt mit Sibylle von Arnim, bescherte ihm nach drei Enkelinnen am 26. Mai 1896 den ersten Enkelsohn, Wilhelm Nikolaus, der in Königsberg zur Welt kam. Mit Genugthuung sah der Fürst die strammen Söhne seiner Tochter Marie heranwachsen, welch letztere, nachdem ein im Jahre 1875 geschlossener Herzensbund mit Graf Wend von Eulenburg durch den Tod des Verlobten ein jähes Ende gefunden, am 6. November 1878 dem Grafen Kuno zu Rantzau die Hand gereicht hatte. Derselbe war bis zum Sommer 1895, wo er ganz nach Friedrichsruh übersiedelte, Gesandter im Haag. Auch Malwine von Arnim, Bismarcks geliebte Schwester, die Vertraute seiner Jugend, mit der er einst war „wie mit einer Braut“, verkehrte viel im Hause. Dazu kamen als befreundete Nachbarn Herr und Frau von Merck, der treue Hausarzt Schweninger, Dr. Chrysander, der Assistent des Arztes und zugleich Sekretär des Fürsten. Früher gehörte auch Lothar Bücher zum vertrauten Kreise, bis der Tod ihn 1892 von der Seite seines Meisters riß, dem er so lange ein gescheiter,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 591. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0591.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)