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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

gewandter, kenntnisreicher Gehilfe gewesen war. In den lebensvollen Zeichnungen, welche C. W. Allers in den Bänden „Bismarck in Friedrichsruh“ und „Unser Bismarck“ vereinigt hat, findet sich gar reizvoll das glückliche Familienleben veranschaulicht, das sich in den ersten Jahren unseres Jahrzehnts in Friedrichsruh entfaltete, zumal an den Geburtstagen des Fürsten, welche nach altem Brauch von unzähligen Verehrern des Altreichskanzlers benutzt wurden, ihm ihre Liebe durch Geschenke und Ovationen zu bezeigen.

Jetzt hatte der Weltberühmte auch Muße, den Ansprüchen der Kunst an ihn zu genügen. In den Jahren, da sein Wille der Geschichte neue Bahnen wies, fand er dazu wenig Zeit. Die gewaltige Heldengestalt, die, auf den Pallasch des Kürassiers gestützt, dem besiegten Frankreich den Frieden diktierte, ist wohl unzähligemal dargestellt worden, aber gar selten unmittelbar nach dem Leben. Wie die Zeit, fehlte ihm damals auch die Neigung dafür, den Künstlern, die ihn malen wollten, als Modell zu dienen. Das erste Bismarckbild Lenbachs wurde 1879 für die Berliner Nationalgalerie gemalt. Nur schwer war Fürst Bismarck zu gewinnen, daß er dem Maler die nötigen Sitzungen gewährte; die Weihnachtszeit in Friedrichsruh wurde dazu benutzt. Nach seinem Rücktritt war der Fürst weniger zurückhaltend; ein großer Teil der Bismarckbildnisse Lenbachs stammt aus den letzten acht Jahren.

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Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.
Fürst Bismarck im Jahre 1891.
Nach dem Gemälde von F. v. Lenbach.

Eines derselben, aus dem Jahre 1891, das den Altreichskanzler mit dem Kürassierhelm auf dem Haupte in wunderbar lebensvoller Charakteristik darstellt, geben wir in nebenstehendem Bilde wieder. Aus dem Jahre seines Rücktritts stammt die photographische Aufnahme, welche ihn in Civil zu Pferd darstellt (s. S. 590). Das dritte der Porträts, auf S. 593, zeigt ihn auf einem der Gartenstühle in Friedrichsruh sitzend, bewacht von seinen treuen Doggen. So, mit dem schwarzen breitrandigen Schlapphut auf dem Haupte, im bequemen, aber festanschließenden Gehrock, die Rechte auf einen kräftigen Stock gestützt, sah man ihn oft in seinem Parke rasten oder gedankenvoll durch die Laubgänge seines Sachsenwalds schreiten, und so hat sich auch die äußere Erscheinung des Altreichskanzlers dem deutschen Volksgemüte zuletzt eingeprägt. Ueber Bismarcks Antlitz äußerte sich ein scharfer Beobachter, wie folgt: „Es ist ein seltenes Gesicht, das allenthalben Aufmerksamkeit erregen würde, selbst wenn es nicht einem Manne gehörte, dessen Thaten die moderne Welt verändert haben. Es sind Züge, die man nicht wieder vergißt ... In längst vergangenen Tagen war dies Gesicht auffallend klar, voller Fröhlichkeit, ja selbst Ausgelassenheit; jetzt ist es ernst geworden, beinahe feierlich, mit einem Ausdruck unerschrockenster Energie und Kühnheit. Die kahle Stirn, für den Phrenologen ein Gegenstand der Bewunderung, ist von ungewöhnlichem Umfang. Die großen und hervortretenden blauen Augen scheinen, ohne zu blinzeln, in die Sonne sehen zu können; sie sind nicht schnell, sondern wandern langsam von einem Gegenstand zum andern. Aber wenn sie auf einem menschlichen Antlitz ruhen bleiben, werden sie in so hohem Grade forschend, daß mancher, welcher diesen Blick auszuhalten hat, sich unbehaglich fühlt.... Wenn er unter seinen wenigen persönlichen und intimen Freunden sitzt, frei von allem Zwang, seine lange Pfeife rauchend, den Kopf seines großen Hundes streichelnd und mit halber Aufmerksamkeit der in gedämpftem Ton geführten Unterhaltung zuhörend, legt es sich über sein kaltes Gesicht wie ein leichter, durchsichtiger Schleier, hinter welchem seine harten Züge weicher werden und einen ungeahnten Ausdruck von gedankenvoller Traurigkeit annehmen. Denn obgleich einer der sachlichsten Menschen, welche die Welt je gekannt hat, birgt er in seiner Brust eine Ader tiefen Gefühls. Und so gewiß es ist, daß dieses Gefühl nichts gemein hat mit krankhafter Sentimentalität, so gewährt es ihm doch die Möglichkeit, alles nachzuempfinden, was ein Herz während der Reise durch das Leben zu ertragen hat.“

Leider wurde dem Fürsten auch der andauernde Genuß des Landaufenthaltes durch körperliche Leiden immer wieder beeinträchtigt. Seit jener Erkrankung in Sankt Petersburg, welche der Jagdunfall in Skandinavien zur Folge hatte, ist der so reckenhaft gebaute eiserne Kanzler eigentlich nie mehr ganz gesund gewesen. Hauptsächlich quälten ihn neuralgische Schmerzen, begünstigt und gesteigert durch die ungeheure Arbeit und Verantwortung, die auf ihm lastete, nervöse Magenverstimmungen kamen hinzu, welche auch die Leber angriffen. Es ist bekannt, in welch verzweifeltem Zustand er sich befand, als anfangs der achtziger Jahre der Münchner Arzt Dr. Schweninger seine Behandlung übernahm, der denn auch den schwer angegriffenen Körper des Fürsten wieder in eine leidliche

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 592. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0592.jpg&oldid=- (Version vom 11.12.2022)