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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Rang ein. Auf ihm stellt uns Menzel dar, wie der Mut und die Geistesgegenwart des großen Königs, die er so oft bei der Leitung der Schlachten bewiesen, sich auch bei einem persönlichen Abenteuer glänzend bewährten. Es war am Abend des 5. Dezember 1757 nach der Schlacht bei Leuthen, wo die verachtete „Potsdamer Wachtparade“ Friedrichs ein um das Doppelte überlegenes österreichisches Heer geschlagen hatte. Während Friedrichs Heer noch auf dem Schlachtfelde stand, brach er selber mit einem Trupp Husaren nach Lissa auf, um die Zerstörung der Brücke über das Schweidnitzer Wasser, über welches die Feinde geflohen waren, zu verhindern; es war ein lebensgefährlicher Ritt. Lissa war ganz mit Oesterreichern angefüllt, die aus den Fenstern auf die Ankommenden feuerten. Friedrich hoffte, ein Unterkommen im Schlosse zu finden; er sagte zu seinen Begleitern, indem er den Weg über die Zugbrücke einschlug: „Messieurs, folgen Sie mir, ich weiß hier Bescheid;“ doch als er in das Schloß eintrat, kamen ihm auch hier österreichische Offiziere entgegen. Rasch gefaßt sagt er: „Bon soir, Messieurs – kann man hier mit unterkommen?“ Das ist der Augenblick, den der Maler in seinem lebendig bewegten Bilde wiedergiebt.

Höchst ausdrucksvoll ist das Gesicht des Königs; noch merkt man die unangenehme Ueberraschung, die er indes mutig und nicht ohne einen leisen Anflug von Humor zu überwinden weiß. Nicht minder überrascht sind die österreichischen Offiziere, die, von einem Gelage aufgestört, den großen König erkennen und davon überzeugt sind, daß hinter ihm sein ganzes Heer steht. Der große Troß von Offizieren, Soldaten, Dienern und Dirnen, welcher die Freitreppe herunterkommt, ist um so mehr erschrocken, als er anfangs im Glauben war, eine österreichische Truppenabteilung vor sich zu haben; doch als der Soldat dem Vornehmsten, der freundlich grüßend seinen Hut lüftet, mit der Laterne in der erhobenen Rechten ins Gesicht leuchtet, da sieht man die feurigen Adleraugen, die dem Feinde so schreckhaften, scharf, gemeißelten Züge des großen Feldherrn, die auch dem rohesten Panduren und Kroaten aus hundert Bildern bekannt sind. Und wie ist das von dem Lichtstreifen beleuchtete dunkle Gewühl auf der Freitreppe von dem Maler mit kühnen Strichen hingeworfen! Bestürzung und Schreck, Angst und Verzweiflung, Zorn und herausfordernde Drohung malen sich in den Gesichtern und Gebärden; die Aufregung trägt zum Teil noch die Spuren des halben Rausches. Hier hat der große Friedrich durch den Zauber seiner Persönlichkeit, die Macht seines Geistes, die Energie seines Wesens einen unblutigen Sieg erfochten und die österreichischen Offiziere werden nicht zögern, ihm ihren Degen abzugeben.

Im Wettstreit. (Zu dem Bilde S. 609.) Wie viele von den Käuferinnen eleganter Hüte denken wohl einen Augenblick an die Herstellerinnen derselben? Im großen Prachtladen, wo die fertigen Kunstgebilde auf den Tischen prangen, ist nichts von jenen zu sehen; aber wer in demselben Haus eine Treppe höher steigt, der blickt wohl gegenüber durch ein Hoffenster hinein in die enge Werkstatt, wo so viel aparte Zierlichkeit aus den verschiedenartigsten Bestandteilen aufgebaut wird. Der Platz ist knapp bemessen, kein Fuß breit unbenutzt; dicht um den Tisch gedrängt, umgeben von Seide, Federn, Band und Blumen, sitzen die netten Mädchen und sticheln mit behenden Fingern drauf los, um aus einer rohen Hutform durch Besatz und Ausputz ein berückendes kleines Kunstwerk zu stande zu bringen. Die vier Mädchen auf unserem Bilde sind mit besonderem Eifer thätig. Der Genossin im Hintergrunde ist gerade ein hervorragend schöner Hut gelungen. Das reizt den Ehrgeiz der andern. Die fröhliche Unterhaltung und das lustige Lachen, die noch vor kurzem in der Werlstätte sich hören ließen, sind verstummt, und die Köpfe der jungen Damen beschäftigen sich lebhaft mit Kunstfragen. Blumen, Bänder und Federn gruppieren sich in ihren Gedanken zu geschmackvollen und originellen Arrangements, und dank diesem Wetteifer finden alle Freude an ihrer Arbeit.

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An Bismarcks Ruhestätte.
Nach einer Photographie von Hugo Rudolphy in Berlin.

An Bismarcks Ruhestätte. (Mit Abbildung.) Eine denkwürdige Stätte, deren in wehmütiger Erinnerung gegenwärtig Millionen von Deutschen wohl oft gedenken, zeigt unsere nebenstehende Abbildung. Es ist derjenige Teil des Schlosses Friedrichsruh, in dem Fürst Bismarck sein thatenreiches, weltbewegendes Leben beschlossen hat und in dem vorübergehend seine irdischen Ueberreste ruhen. Wir blicken hier auf die Fenster des Arbeits- und Schlafzimmers, die nach dem Parke hinausgehen. Schlicht und einfach war die Einrichtung dieser im Erdgeschoß gelegenen Räume, als der Schloßherr noch unter den Lebenden weilte. Das Schlafzimmer enthielt außer dem Bette nur einige Rohrstühle und Turngeräte, an denen der Fürst bei ungünstigem Wetter zu üben pflegte. Die Wände waren mit Bildnissen Kaiser Wilhelms I, des Fürsten selbst und seiner Gemahlin, sowie einigen Darstellungen aus dem Reiterleben geschmückt. Heute sind die Wände des Raumes mit Trauertüchern verhangen und der große Kanzler schläft in dem Gemach den ewigen Schlaf. In schwarzem Sarge ruht dort vorläufig seine irdische Hülle, die später nach Fertigstellung des Mausoleums dem Wunsche des Verewigten gemäß auf dem Hirschhügel beigesetzt werden soll.

„Neue Bahnen.“ Die Schriftstellerin Julie Dennemarck, welcher wir im vor. Jahrgang der „Gartenlaube“ eine mitunter geradezu wörtliche Wiedergabe von Stellen aus W. Heimburgs Roman „Kloster Wendhusen“ in den ersten Kapiteln ihres Romans „Neue Bahnen“ nachweisen mußten, bittet uns, ihr das Zugeständnis nicht zu versagen, daß die Fortsetzung dieses Romans weitere derartige, von ihr selbst bedauerte „Anlehnungen“ nicht mehr enthielt. Wir sind gerne bereit, ihr dies zu bezeugen. Es kann uns nur freuen, wenn die Verfasserin uns nun wiederholt in der eindringlichsten Weise versichert, daß sie sich auch für die Folge derartiger „Anlehnungen“ enthalten wird.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtign.)

B. in D. Die Photographie des im Halbheft 15 im Holzschnitt wiedergegebenen Bildes „Im Märchenbanne“ von E. Adan ist im Verlage von Braun, Clement & Cie. in Dornach i. Els. erschienen.

A. L. in Heidelberg. Wenn Sie vor Ihrer Reise nach Neapel sich über das dortige Volksleben noch näher unterrichten wollen, so empfehlen wir Ihnen zwei trefflich geschriebene Bücher: „Kennst du das Land? Band X: Alltägliches aus Neapel“ von A. Kellner (Verlag von C. G. Naumann in Leipzig) und W. Wyls schon in vierter Auflage erschienene „Spaziergänge in Neapel, Sorrent, Pompeji, Capri, Amalfi, Pästum und im Museo Borbonico“ (Verlag von Cäsar Schmidt in Zürich). Beide Bücher geben auf Grund langjähriger Beobachtung ein durchaus echtes Bild neapolitanischen Lebens in anziehenden, fesselnden Schilderungen. Wollen Sie Ihre Reise nach Sicilien ausdehnen, so wird Ihnen das Buch „Sicilien“. Reiseerinnerungen von J. V. Widmann (Verlag von Huber in Frauenfeld) mannigfache Anregung geben.



Im Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig ist soeben erschienen:

Ueber Lungenschwindsucht und Höhenkurorte.
Vortrag, gehalten am 4. April 1898 in Stuttgart
zu Gunsten einer in Davos zu errichtenden Deutschen Heilstätte für minder bemittelte Lungenkranke
von
Prof. Dr. v. Liebermeister.

Preis geheftet 50 Pfennig.

Der Reinertrag fließt der Deutschen Heilstätte in Davos zu.

Infolge vielfach an uns gelangten Wunsches aus dem Leserkreise der „Gartenlaube“, in der dieser Vortrag des hervorragenden Arztes vor kurzem zum Abdruck gelangte, lassen wir denselben nun auch in Broschürenform erscheinen. Mit großer Klarheit giebt diese Abhandlung überaus wichtige Aufschlüsse über das Wesen der Lungenschwindsucht und zeigt Mittel und Wege, wie der Gesunde vor diesem furchtbaren Feind der Menschheit sich zu schützen und der von ihr Befallene Heilung oder wenigstens Besserung zu erreichen vermag.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 612. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0612.jpg&oldid=- (Version vom 23.4.2023)