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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

widerstand trotzig allen Beschwörungsformeln; denn, als der Teufelsbanner am Schlusse seiner langen Rede ausrief: „Ich beschwöre dich, unsauberer Geist, wer du auch seiest, fahre aus von diesem Orte und begieb dich zur Ruhe“, ertönte zum Jubel der Anwesenden aus der Ecke des Zimmers das lustigste Klopfen, worauf der Beschwörer beschämt von dannen eilte.

Die Kunde von dem merkwürdigen Ereignis war natürlich auch an den Hof des damals regierenden Herzogs Karl I von Braunschweig gedrungen. In Begleitung seines Bruders Ferdinand, des berühmten Siegers von Krefeld und Minden, ritt der Herzog nach Dibbesdorf, um sich selbst von der Wahrheit des Gerüchtes zu überzeugen. Schon vor der Ankunft der Fürsten verkündete der Klopfgeist auf die Fragen des vor seinem Herrn eingetroffenen Leibhusaren, welche Fürsten ihn aufsuchen, und auf was für Pferden sie zu ihm kommen würden; und ebenso beantwortete er verschiedene Fragen, welche die Herzöge ihm vorlegten, wodurch sein Ruhm noch bedeutend zunahm.

Auf Befehl des Herzogs wurde nun eine neue Untersuchung angestellt, da die erste völlig ergebnislos gewesen war. Es wurde eine Kommission ernannt, der ein Jurist und ein Physiker angehörten. Nach längerer Beratung kam dieselbe zu der sonderbaren Annahme, daß das Klopfen wohl von einer unterirdischen Quelle herrühren möge. Und in der That zeigte sich, als man mit einem Bohrer etwa acht Fuß tief in den Boden eingedrungen war, ein mächtiger Wasserstrahl, der in kurzer Zeit das ganze Zimmer überschwemmte. Allein, als sich das Wasser verlaufen hatte, ertönte das Klopfen von neuem.

Da nun auch diese Annahme sich als falsch herausgestellt hatte, gewann die Ansicht immermehr die Oberhand, daß der ganzen Sache ein arger Betrug oder grober Mutwille zu Grunde liege. Der Verdacht lenkte sich alsbald auf einen Knecht, von dem man glaubte, daß er, um einer der Mägde den Aufenthalt in der Spinnstube zu verleiden und dieselbe aus dem Kreise ihrer Genossinnen zu verbannen, den ganzen Spuk veranlasse. Es wurde deshalb allen Dibbesdorfer Hauswirten befohlen, zu einer bestimmten Stunde alle Knechte und Mägde in den Stuben unter strenger Aufsicht zu halten.

Indessen auch diese Maßregel erwies sich als eitel. Denn als die Kommission zu der verabredeten Stunde sich in dem Kettelhutschen Hause einfand, erklang das Klopfen in derselben Weise wie früher.

Nun richtete sich der Verdacht gegen die Kettelhutschen Eheleute selbst. Zwar ließ sich kaum ein triftiger Grund denken, der dieselben hätte bewegen können, solche Thorheit zu begehen. Denn der Bauer lebte nicht nur in guten Vermögensverhältnissen, sondern er war auch ein in der Gemeinde angesehener und beliebter Mann. Dazu kam, daß er niemals eine Entschädigung, die ihm oft genug von den zahlreichen, zum Teil vornehmen Besuchern angeboten wurde, annahm; vielmehr hatte er nur den größten Schaden von der Sache, da die Ruhe in seinem Hause völlig gestört und er vielfach an der Ausübung seines Gewerbes gehindert wurde. Allein dies beachtete die Kommission nicht, sondern, in ihrem Vorurteile befangen, suchte sie nach Beweisen seiner Schuld. Deshalb forderte sie ein kaum den Kinderschuhen entwachsenes Dienstmädchen, das in dem Kettelhutschen Hause diente, vor und erlangte von demselben durch Drohungen und Versprechungen das Geständnis, daß die Hausfrau die Urheberin des Klopfens sei, das sie durch Treten auf dem Spinnrade bewirke. Und obgleich das Mädchen dieses Geständnis alsbald widerrief und auch die ganze Dorfgemeinde ihre Ueberzeugung von der Schuldlosigkeit der Eheleute öffentlich aussprach, so wurden dieselben dennoch sofort ins Verhör genommen und trotz der Beteurung ihrer Unschuld ins Gefängnis abgeführt mit der Erklärung, daß sie so lange in demselben verbleiben würden, bis sie den Zusammenhang der Sache aufgeklärt hätten.

Da aber der Klopfgeist auch in der Abwesenheit des Hausherrn und der Hausfrau sein Wesen lustig weiter trieb, so mußte man dieselben endlich, nachdem sie beinahe drei Monate im Gefängnis gesessen hatten, wieder frei lassen. Die Kommission berichtete an den Herzog, daß sie zwar alle nur möglichen Wege der Untersuchung eingeschlagen, aber nichts entdeckt hätte, was Licht in dieser Sache gebe, deren Aufklärung der Zukunft vorbehalten sei.

Die Hoffnung, welche die Kommission am Schlusse ihres Berichtes ausgesprochen, ging aber nicht in Erfüllung. Freilich verließ der Klopfgeist, nachdem er vom 2. Dezember 1767 bis zum März 1768, also über drei Monate, in Dibbesdorf geweilt hatte, sein altes Heim, um sich bald darauf in den benachbarten Dörfern Essehof und Lehre von neuem zu zeigen, aber eine Aufklärung der geheimnisvollen Angelegenheit ist niemals erfolgt. Die Bauern, in deren Häusern er jetzt hauste, waren, durch die trüben Erfahrungen, die der Kotsaß Ludwig Kettelhut gemacht hatte, gewitzigt, klug genug, die Sache zu verschweigen, und die Behörde ließ, nachdem das thätigste Mitglied der Kommission inzwischen gestorben war, die Angelegenheit auf sich beruhen.

Indessen mag noch der Umstand erwähnt werden, daß der Knecht, auf den die Kommission schon einmal ihren Verdacht gelenkt hatte, gleichzeitig mit dem Klopfgeist Dibbesdorf verließ und in Essehof und kurze Zeit darauf in Lehre in Dienst trat, ein Umstand, der bei einer späteren Untersuchung, die aber, wie schon erwähnt, nicht angestellt wurde, wohl geeignet gewesen wäre, Licht in das Dunkel zu bringen. O. Hohnstein.     


Alpirsbach.

Von Alfred Freihofer.0 Mit Illustrationen von C. Liebich.

Am 28. und 29. August d. J. feierte das Städtchen Alpirsbach im württembergischen Schwarzwald ein seltenes Fest: den achthundertjährigen Bestand seiner Klosterkirche, eines der ehrwürdigsten Denkmäler deutscher Baukunst. Wohl haben wir gewaltigere Dome, aber sie reichen nicht in dieses graue Alter hinauf; und von den Bauten, die der Alpirsbacher Kirche an Jahrhunderten gleichkommen, sind wenige so unberührt in der Gestalt, die ihre Erbauer ihnen gaben, auf unsere Tage gekommen.

Der Reisende, der von Stuttgart über Freudenstadt in den Schwarzwald fährt, wird zwei Stationen nach diesem Orte vom Anblick des stillen Waldthals überrascht, aus dem die uralte Abtei aufragt, als ob der Strom der Zeit vergessen hätte, sie mitzureißen in den allgemeinen Verfall des Menschenwerkes. Das Kloster freilich mit seinen Zellen und Kreuzgängen ist zerfallen, aber die Kirche stand an ihrem achthundertsten Jubeltage so fest und unversehrt auf ihrem Grunde wie am Tage ihrer ersten Weihe, die nach guter Beglaubigung am 28. August 1098 von dem Bischof Bernhard von Konstanz vollzogen wurde, nachdem am 16. Januar 1095 Kloster und Kirche von drei gemeinsamen Stiftern, darunter einem Zoller, durch feierlichen Akt gestiftet worden waren.

Nicht ganz vier Jahre also hat der Bau gedauert; das läßt für jene Zeit auf eine große Blüte der Baukunst schließen. Man kennt die Urheber derselben: es sind die Benediktinermönche des Klosters Hirsau, die damals unter ihrem großen Abt Wilhelm in Schwaben und ganz Süddeutschland eine Bauthätigkeit eröffneten, wie sie großartiger bis auf unsere Tage nicht wiedergekehrt ist. Zwischen 1070 und 1080 waren in Hirsau selbst die Aureliuskirche und die gewaltige Peter- und Paulskirche errichtet worden; in dasselbe Menschenalter fallen die Bauten zu Zwiefalteu, Lorch, Comburg, Weingarten, Ellwangen etc., lauter große Säulenbasiliken, die aber heute teils verschwunden, teils bis zur Unkenntlichkeit umgebaut sind. Auch die größte derselben, die obenerwähnte Hirsauer Peter- und Paulskirche, deren Dimensionen hernach in diesem ganzen Baugebiet nur vom Ulmer Münster übertroffcn wurden, ist fast spurlos vom Erdboden verschwunden; Melac hat sie 1692 in Schutt und Trümmer gelegt. Aber in der Alpirsbacher Kirche ist uns, wie die Kunstforschung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 628. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0628.jpg&oldid=- (Version vom 3.1.2023)