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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

dargethan hat, ein getreues, wenn auch kleineres Abbild erhalten und das ist es, was die Abtei von Alpirsbach kunstgeschichtlich so wichtig erscheinen läßt.

Abt Wilhelm starb 1091; er ist also nicht selbst der Baumeister von Alpirsbach, aber daß es ein Werk seiner Schule ist, darf als zweifellos gelten. Wie bei allen diesen Basiliken ist die Grundform die eines Kreuzes; zumeist erheben sich an der Ostseite (Chorseite) zwei hohe Türme; in Alpirsbach ist deren nur einer ausgeführt worden; er ist fünf Stockwerke hoch und beherrscht mit seinen schlanken und doch massigen Formen das Thal. An der Westseite hat die Kirche eine breite, zweistöckige Vorhalle, an welche die drei Langschiffe sich anschließen. Das Mittelschiff ruht auf gewaltigen Säulen aus einem Stein mit einfachen, mächtigen Würfelknäufen; über den verbindenden Bogen erhebt sich das Hochschiff mit hohen, schmalen Fenstern, welche das Innere mit einem feierlichen Licht durchfluten. Der dreifache Chor schließt je mit einem Halbrund, deren mittleres wieder in drei Nischen geteilt ist. Die Seitenschiffe sind gerade halb so hoch, gerade halb so breit als das Mittelschiff; die ganze Länge der Kirche ist gleich ihrer doppelten Breite. Diese schlichten, einfachen Verhältnisse sind charakteristisch für diese Bauart; ihre strenge Gesetzmäßigkeit schließt edlen Wohlklang der Formen ein. Am ursprünglichen, reinen Stil der Kirche ist im Laufe der Jahrhunderte wenig verändert worden; die zweite Blütezeit kirchlicher Baukunst in Schwaben, die von Maulbronn ausging, brachte eine Sakristei im sogenannten Uebergangsstil; zu Ende des 15. Jahrhunderts erhielt der Chor gotische Fenster. Die letztverflossenen Jahrzehnte haben dem Bau eine Restauration des Innern im Sinne einer möglichst treuen Wiederherstellung der ursprünglichen Formen gebracht.

Eingang zur Klosterkirche Alte Mönchszelle 

Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0630.jpg

Alpirsbach     Inneres der Kirche

Die Kirche ist auch reich an einzelnen Altertümern, Grabmälern, Inschriften, Chorstühlen: der teilweise erhaltene Hochaltar zeigt noch interessante Bildwerke und Malereien.

In der Vorhalle hat man fossile Ueberreste eines in der Gegend aufgefundenen Mammuts aufgehängt; die Volkssage hat daraus bezeichnenderweise das Gerippe eines Riesenochsens gemacht, der die gewaltigen Steinsäulen der Kirche auf den Bauplatz gezogen habe. Vom Kloster sind noch Teile der Kreuzgänge mit schönen Fenstern und Gewölben vorhanden, auch einige Mönchszellen sind noch erhalten; ein Teil des ehemaligen Konventsaales wurde neuerdings zu einem katholischen Betsaal wiederhergestellt; die meisten Reste der Klosterbauten sind aber jetzt in Privatbesitz und dienen zu Ställen, Remisen und dergleichen.

Das merkwürdigste Denkmal der Kirche ist ein Relief über dem Portal der Vorhalle, das aus der Zeit der Gründung stammt: Christus in der Mandorla (mandelförmiger, den ganzen Körper umgebender Heiligenschein), die von zwei schwebenden Engeln getragen wird; unten zu beiden Seiten knieen ein Stifter und eine Stifterin in Ordenstracht, die man für den Grafen Albert von Zollern und seine Gemahlin hält. – Daß ein Zollerngraf dieses Namens zusammen mit einem Grafen von Sulz und einem Herrn von Hausach das Kloster samt der Kirche gestiftet hat, ist, wie schon erwähnt, urkundlich beglaubigt; man nimmt an, die drei Herren seien Schwäger gewesen und haben Töchter eines Grafen von Calw zu Frauen gehabt; eine Erbschaft von dieser Seite habe sie zu dieser Stiftung verpflichtet. Uebrigens hat die Gründung von Kirchen und Klöstern durch weltliche Herren und Kriegsleute in jener religiös erregten Zeit der Kreuzzüge, in welcher man die Wiederkunft Christi erwartete, nichts Ungewöhnliches. Es ist auch bezeugt, daß jener Graf von Zollern bald nach der Eröffnung des Klosters selbst in dasselbe eintrat und demselben weitere Güter schenkte. Unter den Grabmälern, die noch vorhanden sind, ist eines mit dem Zollernwappen, aber ohne Inschrift; man kann annehmen, es sei das Grabmal des Stifters. – Seit preußische und schwäbische Geschichtsforscher sich mit dem Zusammenhang des Geschlechts der alten schwäbischen Zollerngrafen mit den Nürnberger Burggrafen und dem von ihnen abstammenden preußischen Herrscherhaus beschäftigen, ist natürlich auch auf Alpirsbach als eine der ältesten Stiftungen des Zollernschen Namens ein verstärktes Interesse gelenkt worden. König Friedrich Wilhelm IV hat einen Fonds zur Erhaltung der Klosterkirche gestiftet und im Jahre 1852 von Sigmaringen aus mit seinem Bruder, dem nachmaligen Kaiser Wilhelm I, Alpirsbach besucht. Unvergessen ist auch der Besuch, den der deutsche Kronprinz und nachmalige Kaiser Friedrich im Jahre 1885 Alpirsbach abgestattet hat. Sein Führer, der württembergische Landeskonservator

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 630. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0630.jpg&oldid=- (Version vom 30.9.2019)