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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

die offenbar schon mit den Zurüstungen für den Empfang der Einquartierung beschäftigt sind, genugsam erkennen, und die Gesichter der über die Schwelle tretenden Vaterlandsverteidiger zeigen deutlich genug, wie freudig sie dieser Anblick berührt. Sicherlich wird ihnen dieses Quartier in guter Erinnerung bleiben; beide werden wohl noch oft daran zurückdenken, wenn sie den „bunten Rock“ längst wieder ausgezogen haben. Fr. R.     

An Friedrich Vischers Sterbestätte. (Mit Abbildung.) Durch eine Fülle landschaftlicher Reize ist Gmunden an dem Ufer des Traunsees ausgezeichnet. Tausende und aber Tausende strömen hier alljährlich herbei, um inmitten der grünen Berge Leib und Seele zu erquicken. Außer seinen herrlichen Wäldern und Felsen, seinem tiefgrünen See und seinen Heilanstalten hat aber Gmunden noch Stätten aufzuweisen, an denen niemand teilnahmlos vorüber geht, dem die deutsche Kunst wert und teuer ist. Auf dem Friedhof der Stadt ruhen die sterblichen Ueberreste Friedrich Theodor Vischers und in der Vorstadt Traundorf steht das Haus, in welchem der große Meister der Aesthetik, der Wissenschaft des Schönen, sein thatenreiches und verdienstvolles Leben beschloß.

Wundervolle Herbsttage waren es im Jahre 1887. Da hatte Vischer auf einer Reise nach Venedig Gmunden aufgesucht, in dem seine Verwandten sich gerade aufhielten. Er wohnte in der Vorstadt Traundorf, im Hause Wiesauer im Weyer. Am 30. Juni hatte er noch in Stuttgart seinen achtzigsten Geburtstag gefeiert. Nicht nur seine schwäbischen Freunde und Verehrer hatten sich an jenem Tage um ihn geschart, das gesamte kunstsinnige Deutschland nahm Anteil an dem Freudenfeste des Meisters. Er durfte mit inniger Genugthuung auf sein Leben zurückblicken. Die Saat, die er als Professor der Aesthetik und der deutschen Litteratur an den Universitäten von Tübingen und Zürich und zuletzt am Polytechnikum in Stuttgart ausgestreut, hatte glänzende Früchte getragen und eine Schar hervorragender Männer erkannte in ihm dankbar ihren Meister.

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Gedenktafel für Friedrich Vischer in Gmunden.

Durch seine Werke und zahlreichen Schriften, namentlich durch seine „Aesthetik“, das geistreiche satirische Buch „Faust, der Tragödie dritter Teil“, durch seine gedankenvollen und formenschönen Gedichte und seinen eigenartigen, von edler Gesinnung durchwehten Roman „Auch Einer“, hatte er sich ein unvergängliches Denkmal errichtet. Er war einer jener schöpferischen Geister, die schaffen und wirken bis zum letzten Atemzug; daß er in seiner Arbeit fortlebe, dafür ist in jüngster Zeit noch besonders durch die von seinem Sohne, Professor Robert Vischer in Göttingen, veranstaltete Ausgabe seiner akademischen Vorlesungen gesorgt. Ein Band, der grundlegende über „Das Schöne und die Kunst“, ist (bei Cotta in Stuttgart) bereits erschienen; andere werden folgen. – Als Achtzigjähriger war Vischer auf sein Lebensende vorbereitet; eines seiner letzten Gedichte, das den Titel „Bald“ trägt, schloß er mit den Versen:

„Gethan ist manches, was ich sollte.
Nicht spurlos lass’ ich meine Bahn;
Doch manches, was ich sollt’ und wollte,
Wie manches ist noch ungethan.

Wohl sinkt sie immer noch zu frühe
Herab, die wohlbekannte Nacht,
Doch wer mit aller Sorg’ und Mühe
Hat je sein Tagewerk vollbracht!

Schau um dich! Sieh die hellen Blicke,
Der Wangen jugendfrisches Blut,
Und sage dir: in jede Lücke
Ergießt sich junge Lebensflut.

Es ist gesorgt, brauchst nicht zu sorgen;
Mach’ Platz, die Menschheit stirbt nicht aus,
Sie feiert ewig neue Morgen,
Du steige fest ins dunkle Haus.“

Und doch hat den Weisen der Tod überrascht. Auf einer Ferienreise, fern von der schwäbischen Heimat, raffte er ihn dahin. Am 14. September 1887 starb er in Gmunden in den Armen seines Sohnes.

Seine Freunde und Verehrer haben vor einiger Zeit an dem Hause, in dem er seinen Geist aufgegeben, eine Gedenktafel angebracht, die wir im Bilde vorführen. Das wohlgelungene Reliefmedaillon ist nach dem Entwurfe Donndorfs des Jüngeren gearbeitet. Dasselbe ist durch einen Lorbeer- und Eichenzweig mit der Tafel, die das Sterbedatum trägt, verbunden und das Ganze von Paul Stotz in Stuttgart, der selbst ein Schüler Vischers war, in echter Bronze ausgeführt. *      

Wirkungen vom Wind fortgewehter Sandmassen. Schon manchem werden beim Wandern durch Sandgegenden die eigenartig kantig zugeschliffenen Steine aufgefallen sein, deren Ursprung lange Zeit in Dunkel gehüllt war, bis man endlich erkannte, daß diese glatten Schliffflächen durch den Sand entstehen, der, vom Winde mit großer Gewalt aufgeweht, den Stein trifft und so, freilich erst in Jahrhunderten, diese Arbeit verrichtet. In der sandigen Heide oder an der Seeküste kann der aufmerksame Wanderer leicht beobachten, daß auf der Windseite die Fenster der Häuser gänzlich erblinden und auch durch kein noch so eifriges Putzen wieder blank werden. Die Leute sagen: der Sand hat sie blind gemacht; und sie haben recht.

Alle diese Wirkungen werden aber, wie gesagt, erst im Verlauf langer Zeiträume erzielt. Schneller verfährt die Technik, welche sie zu verwerten verstanden hat. Denn das Sandstrahlgebläse, mit dem wir Glas und Metall ätzen und schleifen, ist nichts als eine Nachahmung des in der Natur beobachteten Vorgangs.

Daß aber unter Umständen auch das natürliche Sandgebläse außerordentlich schnelle und eingreifende Wirkungen hervorrufen kann, schildert Professor Walther aus Jena nach seinen auf einer Reise in Transkaspien gemachten Beobachtungen. Eine neue Lokomotive der transkaspischen Eisenbahn geriet, so erzählt er, als sie auf ihrem Wege ein Wanderdünengebiet von etwa 200 km Länge durchquerte, in einen Sandsturm. Als man am Ziel angekommen war, zeigte es sich, daß der fegende Sand auf der einen Seite der Lokomotive den Lackanstrich völlig vernichtet, ja sogar den Eisenmantel angegriffen hatte, während auf der andern Seite die Maschine noch vollkommen neu aussah. Am meisten aber leidet auf dieser Strecke der Telegraphendraht unter dem Sandsturm, und obwohl man ihn für dies Gebiet fast 1/2 cm stark nimmt, so ist er doch schon nach wenigen Jahren so dünn geschliffen, daß er ausgewechselt werden muß. –t.     



Soeben ist erschienen und durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:
Gartenlaube-Kalender 1899.
Mit einem farbigen Kunstblatt von Fritz Reiß und zahlreichen Illustrationen in Schwarzdruck.
–– Vierzehnter Jahrgang. –- Preis in elegantem Ganzleinenband 1 Mark.

Der „Gartenlaube-Kalender“ für das Jahr 1899 enthält u. a. die neueste Erzählung von W. Heimburg: „Karl Lorensen“ mit Illustrationen von Fr. Bergen, ansprechende und humorvolle Erzählungen von Hans Arnold und Gertrud Franke-Schievelbrin, unterhaltende und belehrende Beiträge von Dr. Fr. Dornblüth, L. Holle u. a., ferner zahlreiche Illustrationen von hervorragenden Künstlern, Humoristisches in Wort und Bild und viele praktische und wertvolle Kalender-Notizen und Tabellen zum Nachschlagen bei Fragen des täglichen Lebens.

Bestellungen auf den Gartenlaube-Malender für das Jahr 1899 nimmt die Buchhandlung entgegen, welche die „Gartenlaube“ liefert. Post-Abonnenten können den Kalender durch die Buchhandlungen beziehen oder gegen Einsendung von 1 Mark und 20 Pfennig (für Porto) in Briefmarken direkt franko von der unterzeichneten Verlagshandlung. – Die Jahrgänge 1887–1897 des „Gartenlaube-Kalenders“ haben wir bis auf weiteres im Preis herabgesetzt und zwar liefern wir dieselben, solange die Vorräte reichen, in rote Leinwand gebunden zum Preise von je 50 Pfennig. Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttaart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0644.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2023)