Seite:Die Gartenlaube (1898) 0675.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Das Honterus-Denkmal in Kronstadt. (Zu den Bildern S. 673.) Inmitten der Siebenbürgischen Karpathen breitet sich das Burzenland aus, eine fruchtbare Ebene, die im Laufe der Jahrhunderte durch deutschen Fleiß in einen blühenden Garten verwandelt wurde. Hier ragen die Türme des alten Kronstadt empor. In seinen Mauern herrscht ein reges Leben; Handel und Gewerbe erfreuen sich einer hohen Blüte und bewährte Bildungsanstalten sorgen für Verbreitung des Wissens.

In der Geschichte Siebenbürgens nahm die Stadt eine hervorragende Stellung ein; in ihr wirkten ausgezeichnete Männer und von ihr ging für die Siebenbürger Sachsen die Reformation aus. Ihr Verkünder war ein Kronstädter, Johannes Honterus. Im Jahre 1498 hatte er als Sohn eines einfachen Bürgers das Licht der Welt erblickt. Mit siebzehn Jahren zog er in die Fremde hinaus, um in Wien, Krakau und Basel zu studieren, und im Jahre 1533 kehrte er als Magister der freien Künste in seine Vaterstadt zurück, um in ihr die segensreichste Thätigkeit zu entfalten. Er war Lehrer an der Kronstädter Schule, die er zur hohen Blüte brachte und die heute ihm zu Ehren den Namen „Honterus-Gymnasium“ trägt; er gründete in Kronstadt die erste Buchdruckerei und verkündete in begeisternden Predigten die Lehre Luthers. Am 23. Januar 1549 starb Honterus als Stadtpfarrer zu Kronstadt, nachdem es ihm gelungen war, durch sein „Reformationsbüchlein“ und seine „Kirchenordnung“ den evangelischen Gemeinden in Siebenbürgen eine feste Organisation zu verleihen. Er hat den Siebenbürger Sachsen die geistigen Waffen geliefert, mit welchen sie im Laufe der Zeiten ihre Freiheit und ihre Nationalität verteidigen konnten.

Vier Jahrhunderte sind nunmehr seit der Geburt des großen Reformators verflossen, und das Volk der Siebenbürger Sachsen hat sein Andenken in würdiger Weise gefeiert. In Kronstadt wurde am 21. August ein Honterus-Denkmal enthüllt. Das eherne Standbild ist ein Werk des Berliner Bildhauers Harro Magnussen. Auf einem Granitsockel steht die kraftvolle Gestalt. Angethan mit dem Magistermantel, hebt Honterus die Rechte hoch und hält in der Linken ein aufgeschlagenes Buch, das die Inschrift „Reformationsbüchlein“ trägt. Unsere Abbildung, die ebenso wie die Ansicht der Stadt nach einer photographischen Aufnahme von L. Adler in Kronstadt ausgeführt ist, zeigt uns das Denkmal unmittelbar nach der Enthüllung.

Einen ganz besonderen Glanz verlieh dem Feste der Aufzug sächsischer Frauen und Mädchen im Nationalkleide, welche das Denkmal bekränzten. Das farbenreiche Bild all der lieblichen Gestalten aus Stadt und Land, die kleidsamen Trachten, der kostbare, von Geschlecht zu Geschlecht vererbte Schmuck gemahnten an die Zeiten des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts, wo noch sächsische Kaufherren zur Leipziger Messe zogen und die Deutschen in Siebenbürgen Schutz und Schirm des Reiches, ja des ganzen christlichen Ostens waren.

Zu derselben Zeit, da die Enthüllung des Denkmals stattfand, hielten die sächsischen Vereine und Verbände in Kronstadt ihre Jahresversammlung ab. Landwirte aus nah und fern waren erschienen, Turner-, Schützen- und Sängerfeste wurden veranstaltet. Das große Fest der Siebenbürger Sachsen fand auch in der alten Heimat, im Deutschen Reiche, einen lebhaften Wiederhall; deutsche Universitäten und Vereine sandten nach Kronstadt ihre Grüße und hervorragende Gelehrte, unter ihnen auch Rudolf Virchow, nahmen als Gäste an der Enthüllungsfeier teil.

Man hat auch dafür gesorgt, daß Johannes Honterus in weitesten Volkskreisen bekannt wurde. Aus Anlaß der vierhundertjährigen Gedenkfeier ist in H. Zeidners Sächsischer Volks- und Jugendbibliothek ein Büchlein „Johannes Honterus“ von Wilhelm Morres erschienen, in welchem der Lebenslauf und die Verdienste des Reformators volkstümlich und anziehend dargestellt sind.

„Veteranen der Paulskirche.“ In dem Aufsatz, welchen die „Gartenlaube“ in Halbheft 10 des laufenden Jahrgangs der historischen Bedeutung des ersten Deutschen Parlaments gewidmet hat, konnten fünfzehn Veteranen desselben aufgezählt werden, denen es vergönnt war, das Jubiläum des Eröffnungstags noch zu erleben. Die Feier, welche zum Gedächtnis des letzteren am 18. Mai in der Frankfurter Paulskirche abgehalten wurde, ist dann zum Anlaß geworden, daß wir nachträglich noch von drei weiteren am Leben befindlichen Veteranen Kenntnis erhielten, die als hochbetagte Jubilare den festlichen Tag hatten begrüßen dürfen. Es sind dies die Oesterreicher Heinrich Reitter und Guido Conrad Mosing in Wien sowie Carl Adolf Cornelius in München, der Abgeordnete von preußisch Braunsberg, von Geburt ein Bayer.

Von ihnen ist Heinrich Reitter in den Kämpfen, die in der Paulskirche um die deutsche Einheit geführt wurden, am meisten hervorgetreten. Am 10. November 1816 kam er in Prag zur Welt, wo er auch studierte. Vier Jahre hindurch hatte er als Kriegsbaubeamter auf österreichischen Festungen gedient, als ihn Familienverhältnisse veranlaßten, sich dem Handelsstande zu widmen. Beim Ausbruch der Märzbewegung in Böhmen war er an der Errichtung einer Prager Filiale der Oesterreichischen Nationalbank beteiligt. Reitter gehörte zu denen, welche damals in Prag den Deutschen Nationalverein ins Leben riefen. Zum Abgeordneten für das Frankfurter Parlament wurde er in Böhmisch-Leipa gewählt. In der Paulskirche zählte er zur gemäßigten Linken; im Klub der „Westendhall“, an dessen Spitze Heinrich Simon stand, schloß er sich besonders eng an die Schwaben, wie Friedrich Vischer; oft hatte er sich der Nachbarschaft Uhlands, der hier gern als Gast erschien, zu erfreuen. Bei der Abstimmung über den 2. Artikel der Reichsverfassung, welcher für den neuzugründenden Bundesstaat den Eintritt von Deutschösterreich statt der Habsburgischen Gesamtmonarchie vorsah, trat er mit Entschiedenheit für ihn und die „Personalunion“ ein. Als dieser Plan an dem Widerstand der österreichischen Regierung gescheitert war und nur noch die Errichtung eines „kleindeutschen“ Reichs mit preußischer Spitze Hoffnung auf Verwirklichung hatte, fand er den Mut, trotz der heftigen Opposition seiner Landsleute für diese Lösung der deutschen Frage einzutreten, und gewann dafür auch drei weitere Oesterreicher (Macowitzka aus Krakau, Rößler und Schneider aus Wien). Ihre Stimmen entschieden am 27. März 1849 den Sieg der „Erbkaiserlichen“, an den sich am folgenden Tag die von Welcker beantragte Wahl des preußischen Königs zum Deutschen Kaiser schloß. An der Kaiserwahl selbst beteiligten sich die vier Oesterreicher nicht; aber was sie gethan, war und blieb auf lange hinaus in den Augen der Machthaber Oesterreichs ein schweres Verbrechen. So sah sich Reitter nach der Auflösung des Parlaments aus der Heimat verbannt. Er fand ein Asyl in Württemberg, wo er Sekretär der Heilbronner Handelskammer wurde. 1857 trat er in die Verwaltung der Frankfurter Versicherungsgesellschaft „Providentia“ als Vicedirektor ein und die gleiche Stellung erhielt er 1864 bei der neugegründeten Pester Versicherungsanstalt. Seit 1878 erfreut sich Reitter der Stille des Privatlebens in Wien. Als 1873, fünfundzwanzig Jahre nach 1848, Schmerling in Wien eine festliche Zusammenkunft der in der Paulskirche thätig gewesenen Oesterreicher veranlaßt hatte, brachte Reitter nach dem Hoch auf den österreichischen Kaiser ein Hoch auf Kaiser Wilhelm I aus. An der fünfzigjährigen Jubiläumsfeier in Frankfurt teilzunehmen, verhinderte ihn leider sein Gesundheitszustand.

So ging es auch dem nächstältesten der obengenannten Jubilare, Professor Cornelius in München. Auch er gehörte zu den „Großdeutschen“, die nach dem Scheitern ihrer auf Oesterreich gesetzten Hoffnungen sich zu dem preußischen Erbkaisertum bekehrten. Er saß im rechten Centrum und stimmte bei der Kaiserwahl für Friedrich Wilhelm IV in der Hoffnung, daß der letztere den drohenden gewaltsamen Konflikt verhüten werde. Carl Adolf Cornelius ist am 12. März 1819 in Würzburg geboren. Er war der Sohn des Schauspielers Carl Cornelius, eines Vetters von Peter Cornelius, dem berühmten Maler. Im Hause des Schwagers von diesem, des Schulrats Brüggemann, wurde er erzogen. Als Student der Geschichte war er in Berlin ein Schüler Rankes. Beim Ausbruch der Märzbewegung wirkte er am Lyceum Hosianum, einer höheren Lehranstalt für katholische Theologen im ostpreußischen Braunsberg, als Lehrer der Geschichte. So erklärt es sich, daß er, der Bayer, Vertreter einer preußischen Stadt in der Paulskirche wurde. Auf Grund seiner Schrift „Die Münsterischen Humanisten und ihr Verhältnis zur Reformation“ widmete er sich dann der akademischen Laufbahn, die ihn über Breslau und Bonn 1856 nach München führte, wohin ihn König Maximilian II auf Empfehlung Rankes neben dem protestantischen Sybel als katholischen Geschichtsprofessor berief. Hier wurde Cornelius Mitglied der Akademie der Wissenschaften und 1890 als Giesebrechts Nachfolger Sekretär der historischen Klasse derselben. Er schrieb u. a. eine gehaltvolle Geschichte des Münsterischen Aufruhrs und Studien zur Geschichte des Bauernkriegs. Ein Schlaganfall nötigte ihn erst vor kurzem, seine Aemter niederzulegen.

Eines der jüngsten Mitglieder der deutschen Nationalversammlung war der andere Oesterreicher, von welchem dieser Nachtrag zu berichten hat, Dr. Guido Conrad Mosing aus Wien. Am 23. Februar 1823 als Sohn eines Wiener Advokaten geboren, zählte er 25 Jahre, als ihn die Wahl zum „Deputierten-Stellvertreter“ für das Frankfurter Parlament traf. Zur Ausübung seines Mandats als Ersatzmann Prinzingers kam er freilich erst im Frühjahr 1849, als die Nationalversammlung bereits ihrem Ende entgegenging und die wichtigen Abstimmungen, welche die Abberufung der österreichischen Abgeordneten durch das Ministerium Schwarzenberg bewirkten, schon stattgefunden hatten. Mosing hatte während der Märzbewegung in Wien eine Charge in der akademischen Legion bekleidet. In der Paulskirche wählte er seinen Platz im linken Centrum. Er erlebte hier noch die stürmischen Auftritte, welche Ende Mai zur Verlegung der Nationalversammlung nach Stuttgart führten. Als er später in den österreichischen Staatsdienst eintrat, wurde er Referent bei der Hofkammerprokuratur in Wien. Doch schon im Jahre 1859 trat er ins Privatleben zurück, um seinen bereits früher gepflegten litterarischen Neigungen ganz zu leben. Als Dichter hat sich Mosing vornehmlich auf dramatischem Gebiete hervorgethan. Besonderen Erfolg errang „Atho, der Priesterkönig“, eine dramatische Dichtung, die ähnlich wie Kinkels „Nimrod“ das Gesetz des politischen Fortschritts an Begebenheiten aus sagenhafter Vorzeit darstellt. Das Stück gelangte unter Dingelstedts Leitung am Wiener Hofburgtheater zur Aufführung. Bei der Jubiläumsfeier des 18. Mai dieses Jahres in Frankfurt a. M. war Mosing einer der wenigen „Veteranen der Paulskirche“, die in rüstiger Frische an dem Feste teilnehmen konnten. In begeisterter Rede feierte er auf dem Bankett das Deutsche Reich, in dem so viel sich verwirklicht habe, was das erste Deutsche Parlament erstrebte, und sprach in warmen Worten den Anteil aus, mit welchem die Deutschen im verbündeten Oesterreich die kraftvolle Entwicklung des Deutschen Reiches verfolgen.

Der Erstgeborene. (Zu dem Bilde S. 665.) Wahrhaftig, er kann schon das Köpfchen frei tragen! Mit glückseligem Lachen staunt es die junge Mutter an und hält ihn dabei hoch empor, damit der Vater draußen das neue Kunststück auch gleich zu sehen bekommt. Drei Monate erst, und solche Kraft, solche Schönheit und Gesundheit! Mit keiner Königin würde Maddalena tauschen, denn solch’ einen Buben wie den ihrigen giebt es in keinem Schloß der Welt; er ist ihr und ihres Mannes höchstes Glück; er lacht schon, er kennt sie alle und kräht ihnen freudig entgegen. Das reine Wunderkind! Nicht nur Maddalena und ihr Giorgio finden dies alle Tage, sondern auch die Großmutter, die ebenfalls voll Entzücken den Buben betrachtet. Und wenn die es sagt, muß es wahr sein, denn sie ist gewiß eine unparteiische Zeugin!

Kaffeeverbrauch in Europa und Amerika. Laut statistischen Ermittelungen ist das Deutsche Reich allen Ländern Europas über im Kaffeetrinken. Der Verbrauch von Rohkaffee beziffert sich nach dem Deutschen Handelsarchiv für das Jahr 1897 auf 136 390 Doppelzentner. Dem

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0675.jpg&oldid=- (Version vom 5.5.2023)