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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Torfgräber bei Regenwetter eine Zuflucht und des Nachts eine Ruhestätte auf Stroh finden.

In den feuchten Niederungen ringsum wachsen nur lange Binsengräser, das eigentümliche, weißbüschelige Wollgras und der blaugrüne Sumpfporst; nur auf höheren Stellen immergrüne


Torfbereitung mit Hilfe von Maschinen.
Nach einer Originalzeichnung von G. Bakenhus.


Preißelbeerstauden, niedriges Weidengestrüpp und Brombeergesträuch, an dessen Zweige und Blätter sich die Tauperlen gehängt haben. Ein Windstoß zerreißt die Nebelhülle, der blaue Himmel blickt hindurch, die Sonnenstrahlen blitzen in den Tautropfen, und eine einsame Heidelerche steigt schmetternd und triumphierend zum Licht empor, während lange, weiße Nebelstreifen gespenstisch über die stille Fläche huschen und entweichen. Das Licht hat gesiegt. Ein Glück für uns; denn der gebahnte, feste Weg hat aufgehört, rechts und links gähnen uns tiefschwarze Wasserlachen und mit einer trügerischen hell- oder dunkelgrünen Moosdecke überwachsene bodenlose Sümpfe an. Das sind die gefürchteten Moore, aus denen wir lebendig nie wieder emportauchen würden. In der Ferne grüßen die weißen Stämme vereinzelter Birken mit ihrem frischgrünen Blätterschmuck, die auf einer die Sümpfe überragenden hohen Torfschicht stehen. Ein märchenhafter Zauber brütet über dem ganzen Landschaftsbilde, das auf braunem Grundton eine so reiche Mannigfaltigkeit der Farbenschattierungen zeigt.

Gleich die nächste Wasserlache läßt uns im kleinen die Entstehung des Moores erkennen. Weiche Moospolster umsäumen die Ufer. Auf dem Wasser bemerken wir schleimige, grüne Fäden und Filze. Das sind die sogenannten Wasserfäden oder Algen und Konferven. Diese sterben ab, sinken nieder bis auf den sandigen Untergrund, vermodern, häufen sich und machen die erste Moorlage aus. Ihre Vermehrung geht so schnell vor sich, daß das träge Gewässer sich bald in einen Sumpf, in die schwarze Moorsuppe, verwandelt. Nach und nach siedeln sich nun auch andere Wasserpflanzen an, Binsen, Riedgräser, Wollgras, Teichrosen, Moose etc. Namentlich das Torfmoos (Sphagnum), dessen lange Wurzeln in die Tiefe dringen, ist für die Moorbildung außerordentlich wichtig, da es in jedem Herbste unten abstirbt, in jedem Frühjahr aber wieder neue Schüsse treibt und dichte Filze und Polster bildet, wie wir sie hier erblicken. Jahr für Jahr entsteht aus den abgestorbenen Teilen eine neue Moorschicht, eine über der andern, bis der Sumpf endlich eine feste Decke bekommt, auf der auch schon andere, namentlich holzige Pflanzen, wie die Moosbeere, der Porst und die Heide, Fuß fassen können.

Das Moor wird nun von Jahr zu Jahr trockener, wächst aber, weil es wie ein großer Schwamm stets Feuchtigkeit hält, noch immer höher. Eine Pflanzengeneration ersteht auf dem Grabe der andern. Tief unten findet man noch die Mumien der abgestorbenen Gewächse, wie z. B. Stengel und Blätter der Teichrosen. Ein riesiges Herbarium ist das Moor, in dem nicht bloß Moose und Gräser, sondern auch gewaltige Bäume wohlkonserviert sind. Hier liegen solche ausgegrabene braune Baumstämme und Wurzelstümpfe, die vor vielen Jahren aus dem trockenen Untergründe hervorwuchsen und Wälder bildeten, die namentlich aus Föhren bestanden. Die Wälder sind darauf untergegangen; die Stämme liegen entwurzelt oder abgebrochen hingestreckt in der

Heideschafe.
Nach einer Originalzeichnung von R. Rucktäschel.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0697.jpg&oldid=- (Version vom 16.8.2017)