Seite:Die Gartenlaube (1898) 0740 d.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


Inhalt.
[wird hier nicht angezeigt]




Kleine Mitteilungen.


Theodor Gsell-Fels †. Am 12. Oktober ist in München der in weitesten Kreisen wohlbekannte Reiseschriftsteller Dr. Theodor Gsell-Fels gestorben. Er war am 14. März 1818 in St. Gallen geboren, stand somit im 81. Lebensjahre. In seiner Jugend hat er sich eine umfaßende Bildung angeeignet. Zuerst studierte er in Basel Theologie und Philologie, dann in Berlin Philosophie und Kunstgeschichte. In den Jahren 1845 bis 1848 widmete er sich in Paris dem Studium der Naturwissenschaften und Medizin. Hierauf bekleidete er einige Jahre in seiner Heimat die Stelle eines Staatsarchivars und vollendete im Jahre 1856 seine medizinischen Studien. Nun wirkte er als Arzt in St. Gallen, Nizza und Zürich; in letzterer Stadt war er einige Jahre Docent der Anthropologie und Ethnographie.

Gsell-Fels war vom Wandertrieb beseelt; schon in seiner Jugend hatte er eine Fußreise angetreten, die ihn durch ganz Italien führte. 1867 ging er nach Rom, von wo aus er während einiger Jahre Italien und die angrenzenden Länder bereiste. Hier sammelte er die Kenntnisse, die ihn in stand setzten, seine vorzüglichen Reisehandbücher über Italien, Sizilien, Korsika, Algier und Südfrankreich zu schreiben. Im Jahre 1870 ließ er sich in Basel nieder, wo er Schulinspektor ward und kunstgeschichtliche Vorträge hielt; im Jahre 1880 siedelte er nach München über. Aus seiner Feder erschienen außer den Reisehandbüchern noch die Bände „Die Bäder und klimatischen Kurorte der Schweiz“ und „Die Bäder und klimatischen Kurorte Deutschlands“. Zu den illustrierten Werken „Venedig“ und „Die Schweiz“ schrieb er die anziehenden Texte.

Schwankende Kirchtürme. Nachdem schon seit längerer Zeit durch sorgfältige Messungen festgestellt war, daß alle höheren Fabrikschornsteine, in ihrem Verhältnis zum Winde betrachtet, keineswegs feste, starre Körper, sondern vielmehr elastische, pendelnde Säulen vorstellen, wurden diese Messungen neuerdings auch auf die Kirchtürme ausgedehnt. Nach sorgfältigen, in Zürich ausgeführten Beobachtungen sind auch die Kirchtürme elastisch, aber was sie in regelmäßige Schwingungen versetzt, ist, wenigstens den bisherigen Messungen nach, nicht der Wind, sondern es sind die schweren, hoch in den Türmen aufgehängten Massen der Glocken.

Ein 40 m hoher Kirchturm mit fünf Glocken, die zwischen 425 und 3430 kg wiegen, war der erste Gegenstand der Untersuchung. Es stellte sich bei der genauen Beobachtung der Turmspitze heraus, daß dieselbe durch das Anstimmen des Geläutes alsbald in eine ellipsenförmige Rotation versetzt wurde, die, wenn auch nur nach Millimetern zählend, doch recht gut wahrgenommen werden konnte und ebenso regelmäßige Perioden aufwies wie die Bewegung der Glocken selbst. Am auffälligsten war dabei, daß nicht die größten und schwersten Glocken die stärksten Schwingungen verursachten, sondern die kleineren und schneller bewegten. Das Geläut einer Glocke von 705 kg Gewicht versetzte die Turmspitze in ovale Schwingungen von 3,6 mm Länge und 2,4 mm Breite, deren man 53 in der Minute zählte. Beim Zusammenläuten mehrerer Glocken störten und verwischten sich die Schwingungen zum Teil, nahmen aber an Zahl zu. Wenn das ganze Geläut in Bewegung gesetzt wurde, wobei die kleinste Glocke 57, die größte 43 Schwingungen machte, beschrieb der Turm in der Minute 160 Ellipsen, deren große Achse fast 6, die kleinere 4½ mm betrug.

Bw.

Elektrische Bahnen in Europa. Nach dem Stande vom 1. Januar 1898 besitzt Europa 204 elektrisch betriebene Bahnlinien. Ihre Gesamtlänge beträgt 2289,4 Kilometer; der Betrieb wird mit 4514 Motorwagen ausgeführt. Sowohl nach der Zahl der Linien, als auch nach deren Länge und der Zahl der Betriebswagen steht Deutschland obenan. So haben wir 65 Bahnlinien, Frankreich hat deren nur 44, Großbritannien 24, die Schweiz 23, Italien 11, Oesterreich-Ungarn 13 etc. Die Länge der Bahnlinien beträgt in Deutschland 1138,2 Kilometer, in Frankreich 396,8, in Großbritannien 157,2, in der Schweiz 146,2, in Italien 132,7, in Oesterreich-Ungarn 106,5 Kilometer. An Motorwagen stehen uns nicht weniger als 2493 Stück zur Verfügung, während Frankreich deren nur 664, Großbritannien nur 252 aufzuweisen hat. Was die Betriebsart anbelangt, so herrscht die oberirdische Stromzuführung vor. 172 Anlagen bedienen sich ihrer allein. 8 Anlagen haben unterirdische Stromzuführung, 8 weitere Betrieb mit Mittelschiene, 13 Anlagen benutzen ausschließlich Accumulatoren, und 3 Anlagen haben gemischten Betrieb teils mit Accumulatoren, teils mit Oberleitung.

Silicine-Glasmalerei ohne Einbrennen der Farben. Eine der herrlichsten und ältesten Kunstarbeiten ist die Glasmalerei, und es wurden daher im Laufe der Zeit vielfache Versuche unternommen, um diese Kunstarbeit auch den Liebhaberkünstlern zugänglich zu machen. Aber alle Versuche waren ohne wesentlichen Wert, die Erfolge befriedigten in keiner Weise und man gelangte höchstens zur Ausführung kleinerer Fensterbilder, die jedoch ebenfalls nicht recht befriedigten, insofern mit der Zeit die Farben entweder bleichten oder wohl gar absprangen und rissen. Das Problem lag in der Zusammensetzung einer geeigneten Farbe – ohne Zweifel ist dieses Problem durch die Erfindung der Silicine-Glasfarben nunmehr gelöst. Das echte, wahre Kunstgewerbe freilich wird sich überhaupt nicht mit Imitation befassen und darum der Silicine-Glasmalerei auch wenig Geschmack abgewinnen, aber dennoch dürfte die neue Erfindung weitere Kreise befriedigen! Für viele erschließt sich durch sie ein ganz neues, angenehmes Erwerbsgebiet, denn was vordem enorm teure, echte, eingebrannte Glasmalereien einerseits und billige Diaphanien oder Buntglasmosaiken anderseits besorgen mußten: eine wirksame Dekoration von Fenstern in Wohnräumen, Treppenhäusern, Badezimmern, Veranden etc., das wird und kann nun ersetzt werden durch echte Handmalerei, deren künstlerischer Wert durch wohlfeile Preise sich ergänzt und dadurch der allgemeinen Einführung nur förderlich ist. Aber auch zahlreiche Liebhaberkünstler werden die Erfindung der Silicine-Glasfarben mit Freuden begrüßen und sich gern selbst auch auf dem Gebiete farbigen Fensterschmuckes bethätigen. Die neuen, vom akademischen Maler Keilitz erfundenen Silicine-Glasfarben entsprechen bezüglich ihrer Leuchtkraft und Klarheit den Schmelzglasfarben, sie besitzen viel erprobte Widerstandsfähigkeit gegen verschiedene Einflüsse, wie Luft, Licht, nasse Reinigung, gehen leicht aus dem Pinsel, haften fest und dauernd auf dem Glase und bieten auch in den kleinsten Flächen deutliche, sichere Töne, wodurch sie sich auch zum Ausmalen photographischer Fensterbilder vorzüglich eignen. Sehr interessant ist die Arbeitsweise mit den Silicine-Farben. Man legt die Zeichnung – der Erfinder hat zugleich zahlreiche Vorlagen für alle möglichen Zwecke entworfen – unter die gut gereinigte Glastafel, zeichnet alle Linien mit schwarzer Konturfarbe nach, füllt die in Doppellinien markierten Bleifassungen mit Bleipasta aus und malt danach alle Zwischenräume mit den jeweils erforderlichen Farben oder den durch Mischung, beziehungsweise Verdünnung erzielten Farbennuancen aus. Zuletzt werden etwaige ornamentale Innenmuster mit Schattierfarbe in Strichlagen schattiert und bei komplizierten Mustern auch wohl einzelne Figuren noch radiert. Damit ist die schöne, durchaus den echten Glasmalereien täuschend ähnliche Arbeit fertig. Es bedarf keines Einbrennens der Farben, keines Lacküberzuges oder sonstigen Schutzmittels, wie etwa einer zweiten Glastafel etc. Die Farben befinden sich in kompletten, auch mit Vorlagen ausgestatteten Arbeitskästen, deren Vertrieb die „Geschäftsstelle des Hausfleiß“ in Leipzig-Oetzsch übernommen hat.

Metallmatratze mit elastischer Kante. Seit einer Reihe von Jahren sind in der Bettausstattung wesentliche Fortschritte erzielt worden. Unter anderen haben sich an Stelle der alten schwer handlichen und schwierig zu reinigenden gepolsterten Sprungfedermatratzen die sogenannten Metallmatratzen mehr und mehr eingebürgert. Der elastische Rost und die eigentliche Matratze sind bei ihnen getrennt, so daß man sie in bequemster Weise reinigen kann. Während aber die alten Sprungfedermatratzen auf ihrer gesamten Fläche elastisch sind, ist dies bei den neuen Rösten nicht der Fall. Das Metallnetz ist ringsum unmittelbar auf dem vierseitigen Holzrahmen befestigt, was zur Folge hat, daß nur das Mittelteil der Matratze wirklich elastisch ist, dagegen die Längsseiten eine harte Holzkante bilden. Dieser Uebelstand ist bei einer neuen Metallmatratze behoben worden, die unter dem Namen „Schlafe patent“ von der Möbelfabrik R. Jäkel, Berlin SW., in den Handel gebracht wird.

Bei dem neuen System hat der Rahmen einen vertieften Ausschnitt und das Metallnetz wird durch besonders angeordnete Stahlfedern getragen. Infolgedessen ist die Matratze in ihrer ganzen Breite bis zur äußersten Kante elastisch.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 740_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0740_d.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2019)