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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


die von der Mühle gekommene Masse, welche durch Zusatz von Wasser die Dichte einer etwas dicken Milch erhielt, in das Sieb; durch Anschlagen mit den Händen von beiden Seiten wurde die Masse nach und nach durch letzteres durchgetrieben und floß in der gewünschten Feinheit in das Faß ab. Unsere Illustration S. 752 führt uns in die Massemnühle. In einem Bottich wird durch ein von der Maschine bewegtes Rührwerk ein inniges Gemenge der einzelnen Bestandteile der Masse herbeigeführt; eine Arbeiterin wartet auf das Anfüllen ihrer Kufe aus dem Bottich, um die fertige Masse in die Arbeitsräume zu tragen.

In der Dichte, welche die Masse in der Mühle erlangt hat und die einem zum Gießen angemachten Gipsbrei entspricht, wird dieselbe nur zum Ausziehen der Formen gebraucht, womit wir auf dem Bilde S. 754 rechts einen Arbeiter beschäftigt sehen. Wir werden später noch einer anderen Verarbeitung der Masse begegnen, wollen uns jedoch zunächst mit den Gußformen beschäftigen, zu welchem Zwecke uns unser Führer das Atelier der Modelleure öffnet. Denn nicht nur zu Ziergefäßen und zu dem täglichen Geräte unseres Tisches wird das Porzellan verwendet, es hat Besitz von der Kunst ergriffen und schon ein halbes Menschenalter nach seiner Erfindung ein wichtiges Gebiet der Kleinplastik erobert. Dieselbe Rolle, welche beiden Griechen die so hochgeschätzten Thonfiguren aus Tanagra, der Stolz unserer Museen, spielten, wurde den Porzellanfiguren und -gruppen zugewiesen, die bald die begehrtesten Erzeugnisse der Fabriken von Berlin, Meißen, Höchst, Frankenthal, Ludwigsburg etc. wurden. Betrachtet man die geradezu fabelhaften Preise, welche auf heutigen Auktionen für wohlerhaltene Exemplare dieser zierlichen Kunstwerke gezahlt werden, so könnte man auf den Schluß kommen, daß ihre Herstellung heute verlorengegangen wäre. Und doch blüht dieselbe mehr als je zuvor; nicht allein daß man, wie in Meißen und Berlin, die alten Formen noch heute benutzt – namhafte Künstler sind vielmehr damit beschäftigt, teils im Sinne der alten, teils in durchaus moderner Auffassung, wie in Berlin, Werke der Kleinplastik zu schaffen, die bei Liebhabern und Sammlern begeisterte Abnahme finden.

In das Atelier dieser Künstler führt unser obenstehendes Bild. Im vollen Licht der hellen Atelierfenster modelliert der eine, der rechts steht, eine Genrefigur, ein anderer eine kleine Büste. Der Mittelste läßt unter seinem Modellierholz eine weibliche Gestalt in schwungvoller Pose entstehen, die vielleicht zur Dekoration einer großen Ziervase bestimmt ist. Die in Modellierthon bossierten Figuren werden in Gips in sogenannten Stückformen abgeformt; der vierte Modelleur scheint im Begriff zu sein, eine solche Form zu „putzen“. Ganz wie beim Gipsgießen werden dann die einzelnen Stücke der Form zusammengesetzt und die flüssige Porzellanmasse hineingegossen. Der poröse Gips zieht bald das Wasser aus dem Gießbrei an sich, so daß nach kurzer Zeit die Form geöffnet und die Figur zu weiterem Trocknen herausgenommen werden kann. Besonders losgelöste Teile wie Arme und Beine werden für sich geformt und mit Massebrei an die Körper angeklebt. Dies Ansetzen, sowie das „Uebergehen“ der fertigen Figur mit dem Modellierholz, um die Nähte und sonstigen kleinen Fehler zu entfernen, fordert besonders geschickte Arbeiter; auf der Illustration S. 756 sehen wir sie am Mitteltisch bei der Arbeit.

Das Gußverfahren in Hohlformen wird aber nicht nur bei der Herstellung der Figuren, sondern auch bei den meisten Gesäßen angewendet, besonders wenn dieselben Reliefverzierungen haben. Nur bei größeren Gefäßen ist die Arbeit auf der Drehscheibe in Uebung. Die Masse, welche hierfür eine Dichte wie plastischer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 753. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0753.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2017)