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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Thon haben muß, wird aus dem dünnflüssigen Brei durch Auspressen des Wassers gewonnen, zu welchem Zwecke man sie in die „Massenpresse“ (s. S. 752 rechts) bringt. Hierauf wird sie auf der gewöhnlichen Töpferscheibe mit der Hand und hölzernen Instrumenten „aufgedreht“, bis sie annähernd die gewünschte Form hat. Man läßt sie ein wenig antrocknen und bringt sie dann in eine auf der Drehscheibe stehende Hohlform von Gips, in welche sie eingedreht wird, um gewünschten Falles die in der Form vertieft vorgesehenen Reliefverzierungen zu erhalten. Man unterwirft sie hierauf einem weiteren Trocknungsprozeß, bis sie „lederhart“ ist, und dreht sie auf der Scheibe nochmals ab, wobei namentlich den Wandungen die überflüssige Dicke genommen wird. In der linken Ecke unserer Illustration S. 756 sehen wir den Dreher bei der Arbeit. – Der lederharte Zustand des Gefäßes ist auch derjenige, in welchem bei durchbrochener Arbeit, Gitterwerk u. dergl., die durchbrochenen Stellen mit feinen Messern ausgestochen werden. Freies Modellieren in der plastischen Masse kommt nur bei der Blumenarbeit vor, bei welcher einzelne Blättchen von besonders


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Modell- und Formengießen.


darauf eingeübten Arbeiterinnen mit den Fingern geknetet und zusammengesetzt werden.

Mehr noch als diese zum Teil sehr kunstvolle Blumenarbeit pflegt von Laien die bei Porzellanfiguren häufig angewendete Dekoration mit Tüll und Spitzen bewundert zu werden. Und doch ist dieses zuerst von der Berliner Manufaktur aufgebrachte Kunststück sehr einfach: der Tüll wird in dünnflüssige Masse eingetaucht, bis sich die Fäden damit vollgesogen haben, und um die Finger drapiert. Im Ofen verbrennt der Tüllfaden und das feine Gewebe bleibt als Porzellan zurück.

Soweit die Formerei! – Um aus dem „lufttrocken“ gewordenen Gegenstand das blanke Porzellanstück herzustellen, muß dasselbe glasiert und gebrannt werden. Vorher jedoch bringt man ihn in den „Rauch- oder Verglühofen“, in welchem ihm durch schwachen Brand größere Festigkeit gegeben wird (S. 755 unten). Dieser Ofen hat im Prinzip Aehnlichkeit mit einem Backofen. Wir sehen den Schmelzer, nachdem er die Thür des auf Weißglühhitze gebrachten Ofens geöffnet hat, die zu verglühenden Gegenstände auf einem Blechuntersatz hineinschieben. Aus diesem Ofen geht das Porzellan als weiße, poröse Masse hervor. Diese kommt in die Hand des Malers, wenn die farbige Dekoration mit „Unterglasurfarben“ vorgenommen werden soll. Zu diesen gehört z. B. das Blau des bekannten Meißner Zwiebelmusters. Unterglasurfarben kann auch der Laie beim fertigen Stück leicht erkennen, wenn er mit dem Finger über die Malerei fährt: er wird bei denselben keinerlei Erhöhung fühlen, bei Punkten und Tupfen vielmehr eine kleine Vertiefung, während die auf die Glasur aufgetragenen Farben sich dem Gefühl immer als schwache Erhöhung bemerklich machen. Die meisten Fabrikmarken werden unter Glasur aufgetragen.

Die Glasur ist ein milchartiger Brei, dessen Bestandteile, im wesentlichen Kiesel, Porzellanscherben und Gips, auf der Glasurmühle zerkleinert worden sind. Der Auftrag der Glasur geschieht durch Eintauchen. Nur diejenigen Gegenstände, welche in sogenanntem Biskuitporzellan ausgeführt werden sollen, werden ohne Glasur in den Ofen gebracht.

Um die zu brennenden Gegenstände vor jeder Verunreinigung oder Beschädigung zu schützen, werden sie in geschlossene Kapseln oder Muffeln aus feuerfestem Thon gestellt und mit diesen in den Ofen gebracht. Mit dieser Thätigkeit sehen wir die Arbeiter auf unserem größeren Bilde (S. 757) beschäftigt. Der Brenner trägt sie in den Glattofen, einen großen, cylindrischen Bau, welcher oben mit einer Kuppel geschlossen und dessen Inneres aus feuerfesten Ziegeln gebildet ist. Die Feuerzüge, welche unterirdisch angelegt sind, gestatten, das ganze Innere in Glut zu versetzen. Im Innern dieses Kuppelraumes baut nun der Brenner die gefüllten Muffeln kunstvoll auf, so daß das Feuer zwischen den Lücken derselben hindurchschlagen kann.

Ist der Ofen bis zur Kuppel gefüllt, so wird die Eingangsthür mit feuerfesten Steinen vermauert: kleine Schaulöcher, mit Marienglas verschlössen, gestatten, das Innere während des Brandes zu kontrollieren. Die Temperatur des „Glattofens“ schwankt je nach der Zusammensetzung der Masse zwischen 2400 und 3000 Grad Celsius. Ist der Brand beendet, so wird nach langsamem Erkalten die fertige Ware sortiert, wobei sich verhältnismäßig wenig ganz fehlerfreies Porzellan ergiebt.

Die letzte Arbeit ist das Bemalen und Vergolden oder „Staffieren“ auf der Glasur. Waren zum Malen unter Glasur nur wenige Farben geeignet, so ist die Palette des eigentlichen Porzellanmalers beinahe unbeschränkt und enthält Farben von besonderer Schönheit und Leuchtkraft. Die Arbeit der Maler sehen wir auf dem obern Teil des Bildes auf S. 755 dargestellt. Das Einbrennen der Farben erfolgt wieder in Muffeln, jedoch bei schwächerem Feuer. Das Gold, sofern nicht das billige „Blankgold“ angewendet wird, kommt als braungelbe Farbe aus dem Brand und erhält erst durch Polieren seinen Metallglanz.

Die Arbeit des Porzellanmalers erfordert natürlich je nach den gestellten Aufgaben ein sehr verschiedenes Maß von Künstlerschaft. Während wir in den kleineren thüringischen Fabriken barfüßige Bauernmädchen finden, die um bescheidenen Taglohn jene bekannten Streublümchen malen, die meist zur Verdeckung kleiner Glasurfehler dienen, kommen wir in den großen Manufakturen Berlin, Meißen, Sevres, Kopenhagen etc. in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 754. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0754.jpg&oldid=- (Version vom 21.8.2017)