verschiedene: Die Gartenlaube (1898) | |
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Nur allzuleicht verwandelt sich alter Brauch in gutes Recht.
Leute, die jahraus jahrein beschenkt wurden, erachteten schließlich,
daß Weihnachtsgeschenke ihnen von Rechts wegen zukommen.
Das Gesinde forderte sie von der Herrschaft. Das gab nun zu
Mißhelligkeiten Anlaß, und die Behörde sah sich veranlaßt, gegen
diesen Mißbrauch einzuschreiten. Alexander Tille giebt in seiner
„Geschichte der deutschen Weihnacht“ (Leipzig, Ernst Keil’s Nachf.)
einige Belege dafür. Eine sächsische „Polizey Ordnung“ aus
dem Jahre 1661 gebietet: „Darunter denn billig zu ziehen, daß
an etlichen Orten denen Knechten und Mägden Jahrmärckte,
Christ- und Neujahrs-Geschenke, oder andere Verehrungen über gesetzten
Lohn, so bis weilen eben so hoch kommet, bishero zur Ungebühr mit einbedinget,
und fast abgezwungen worden. Wie wir nun solches und andres, wordurch sonsten
unserer hierbei habenden Intension zuwider geschehen könnte, gleicher Gestalt
gäntzlich aufheben; Also soll Herr, Frau, Knechte, oder Mägde, so dergleichen
Begünstigungen unter einander verüben, mit der Helffte der vorgesetzten
Straffe, als 5 Thaler, von Gerichten beleget, und dem Dienstbothen
sein ordentliches halbes Lohn neben dem Geschenke weggenommen werden; Jedoch,
wofern ein, oder ander Herr, oder Frau einem Dienst-Bothen, so ihn oder ihr
vor andern lang und treulich gedienet, aus freyem Willen, ein leydliches
zum H. Christ und zu Veranlassung fernerer fleißigen Dienste
verehren wollte, solches bleibet ihnen ungewehret.“
Die Sitte der Neujahrs- oder Christgeschenke fand jedoch
nicht überall Anklang. Es gab Leute, die sie für einen unnützen
Luxus hielten und dagegen sogar in Druckschriften eiferten.
An manchen Orten schloß sich ihnen die Behörde an. Wie sie
den Luxus in Kleidung, bei Tauffestlichkeiten und Hochzeiten
durch allerlei „Ordnungen“ einzuschränken suchte, erließ sie
auch gegen eine übermäßige Freigebigkeit um die Weihnachtszeit
Verbote oder untersagte die Geschenke gänzlich. Die nüchterne,
knauserige Anschauung konnte sich jedoch nicht behaupten.
Die Ueberreichung der Gaben war indessen an feste allgemein übliche Formen nicht gebunden. Der Herr überreichte sie einfach dem Gesinde; Freunde, Verwandte und Bekannte sandten sie sich zu. Originell hat sich diese Zusendung im Norden, in Pommern und Mecklenburg, gestaltet. Die Geschenke wurden dort in zahlreiche Hüllen eingewickelt und auf die einzelnen Pakete die Namen derjenigen geschrieben, für die sie bestimmt waren. Das Paket wurde dann von irgend jemand in das Zimmer geworfen. Im Anschluß an das nordische Julfest, das im Mittwinter gefeiert wurde, erhielten diese Geschenke den Namen Julklapp. Die schöne Sitte besteht in den genannten Ländern noch heute und giebt zu freudigen Ueberraschungen und lustigen Neckereien Anlaß.
In der allgemeinen Freude, die um Weihnachten herrschte, durften natürlich auch die Kinder nicht leer ausgehen. Auch sie wurden reichlich beschenkt, aber nicht in der gewöhnlichen Weise wie die Erwachsenen; man suchte ihnen die Ueberreichung der Gaben anmutiger zu gestalten. Den Kleinen sandte das Christkind die Geschenke und als fleißigen Boten stellte es den heiligen Nikolaus oder Knecht Ruprecht an. Dieser brachte die Geschenke, die in ein Bündel eingepackt waren, ins Haus und legte zur Warnung noch eine Rute bei.
Das Bündel hieß die „Christbürden“, und sein Inhalt war ebenso mannigfaltig wie die heutige Bescherung der Kleinen. In den „Christbürden“ fanden sich Aepfel und Nüsse und allerlei Süßigkeiten vor; die Hauptsache bildete aber das Spielzeug. Die Verfertigung desselben stand in Deutschland schon am Ausgang des Mittelalters in hoher Blüte; namentlich in den Städten Nürnberg und Augsburg sorgten jahraus jahrein erfinderische Köpfe und fleißige Hände für Belustigung der Kleinen. Puppen aller Art, Puppenstuben und Puppenküchen, Schachteln mit Soldaten und Tieren wurden von den gewerbfleißigen Städten in die weite Welt versandt, und schon im siebzehnten Jahrhundert verbreiteten sich die Weihnachtsmärkte, auf denen das Kinderspielzeug einen der wichtigsten Handelsartikel bildete.
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 833. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0833.jpg&oldid=- (Version vom 31.5.2023)