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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

humoristische Kunst eines unserer allerbesten deutschen Maler einen Triumph gefeiert hat.

Als 1877 der hundertste Geburtstag Heinrich von Kleists begangen wurde, war die schönste Festgabe das herrliche Prachtwerk, welches neben dem Text seines einzigen und einzigartigen Lustspiels 34 Illustrationen nach Originalkompositionen von Adolph Menzel enthielt. Dieses Prachtwerk, das damals in groß Folioformat erschien, liegt uns heute in einer handlichen Großoktavausgabe vor, die vom Cottaschen Verlag zu einem verhältnismäßig wohlfeilen Preis auf den Weihnachtsbüchermarkt gebracht wird.

Der Band schließt sich in allen äußeren Vorzügen der von A. Schmidhammer illustrierten Prachtausgabe von Otto Roquettes „Waldmeisters Brautfahrt“ an, die vorm Jahre im gleichen Verlage erschien. Max Jordan, der frühere Direktor der Nationalgalerie in Berlin, welcher zu dieser neuen Ausgabe eine Vorrede geschrieben hat, sagt von Menzels bildlicher Wiedererzählung des klassischen Bauernprozesses mit Recht, daß seit den Tagen der alten holländischen Meister, der idealen Zeitgenossen des Lustspiels, solche Gestalten nicht erfunden worden seien.

Mit genialer Anempfindung hat Menzel aber auch den dramatischen Pulsschlag von Kleists lebendiger Scenenführung seinen Darstellungen gewahrt. Unser Bild auf S. 833 ist gerade hiervon eine gar prächtige Probe. Wie die Gegensätze hier zusammenprallen: das angstvolle Schuldbewußtsein des gewissenlosen Dorfrichters, der unter den Augen des inspizierenden Gerichtsrats aus Utrecht den Prozeß gegen sich selbst führen muß, und das sich empörende Rechtsbewußtsein der die Trümmer ihres zerbrochenen Kruges schwingenden Frau Marthe Rull und ihrer Tochter, das ließe sich auch auf der Bühne von den besten Schauspielern nicht dramatischer darstellen!

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Der Weihnachtsmann ist da!
Nach einer Originalzeichnung von G. Schöbel.

Meerestiefen. Der Ocean, welcher fast dreiviertel der ganzen Erdoberfläche bedeckt, ist bezüglich seiner Tiefenverhältnisse und der Beschaffenheit seines Bodens erst in neuester Zeit, etwa von der Mitte dieses Jahrhunderts ab, genauer bekannt geworden. In den letzten Jahren haben die Engländer und Amerikaner sehr erfolgreiche Nachforschungen über die Tiefe des Meeres an verschiedenen Orten angestellt und besonders im Großen Ocean ungeheure Abgründe entdeckt. Noch vor vierzig Jahren hatte man dort die größte Tiefe der See zu 3100 m angenommen, während man heute weiß, daß es dort Tiefen giebt, die mehr als dreimal größer sind. Oestlich von den japanischen Inseln, bis zu den Alëuten, findet sich auf einer Fläche von mindestens 50000 Quadratmeilen eine ungeheure Einsenkung des Seebodens, die tiefer als 6000 m unter der Meeresoberfläche liegt. Die größte dort bis jetzt bekannte Tiefe wurde vom Dampfer „Tuscarora“ erlotet und beträgt 8500 m. Oestlich von dort bis nach Nordamerika hin ist nur eine Stelle bekannt, wo die Meerestiefe 6400 m übertrifft; anderseits finden sich dort am Meeresboden mehrere ungeheure Berge, deren Gipfel jedoch noch immer bis 4000 m unter dem Seespiegel bleiben.

Im südlichen Teile des Großen Oceans, in der Richtung von den Tonga-Inseln nach Neuseeland hin, bat vor kurzem der Dampfer „Pinguin“ sogar Tiefen von 9400 m gelotet. Dabei ist merkwürdig, daß diese größten Tiefen sich keineswegs mitten im Ocean finden, sondern gegen den Rand hin, unmittelbar neben gewaltigen unterseeischen Sockeln, auf denen dann kleine Inseln bis über den Seespiegel emporragen.

Etwas Aehnliches findet sich auch im Atlantischen Ocean, dessen tiefste Mulde nördlich von den kleinen Antillen gegen die Bermuda-Inseln hin liegt, während die Mitte dieses Oceans von langgestreckten, unterseeischen Höhenzügen bedeckt ist, über denen aber doch noch 4000 m Wasser stehen.

Der Druck dieser Wassermassen auf den Meeresboden ist ein ungeheurer. Schon in 4000 m Tiefe beträgt der Wasserdruck über 400 Atmosphären. Der sehr zuverlässige Seefahrer und Forscher Scoresby berichtet, daß einst ein Walfisch, der von einem Boote aus harpuniert worden war, dieses Boot an der Leine mit in die Tiefe riß, wobei dessen Holzwerk durch den ungeheuren Druck so mit Wasser imprägniert wurde, daß es wie Blei sank und den später an der Oberfläche schwimmenden Körper des toten Walfisches mit herabzuziehen drohte. Man begreift daher leicht, daß es dem Menschen niemals möglich werden kann, persönlich in große Meerestiefen hinabzusteigen. Dennoch ist es gelungen, aus diesen Abgründen des Meeres Bodenproben heraufzubefördern, welche uns Aufschlüsse über die Beschaffenheit des in ewiger Nacht liegenden Meeresgrundes geben. Hiernach ist derselbe in ungeheurer Ausdehnung bedeckt mit den Resten schalentragender kleiner Organismen, deren kalkige Panzer nach dem Absterben dieser Tiere ununterbrochen von der Oberfläche hinabsinken. Daneben findet sich in den größten Tiefen ein roter, thoniger Schlamm, in welchem Bimssteine und Lavabrocken, auch Haifischzähne und Knochen von Walfischen eingebettet sind. Merkwürdigerweise trifft man auch häufig auf kleine metallische Kügelchen, die nichts anderes sein können als Teile von Meteoriten, die über dem Ocean explodierten und in das Meer stürzten. In künftigen Zeiten werden zu den regelmäßigen Funden am Boden des Oceans auch Produkte menschlicher Thätigkeit zählen, wie Reste von Schiffen, Maschinen, Konservebüchsen, Steinkohlen etc.

Im großen und ganzen kann man annehmen, daß die durchschnittliche Meerestiefe 3500 m beträgt, so daß also die gesamte Wassermasse aller Oceane auf nahezu 1300 Millionen ckm zu veranschlagen ist. Dieses ist der Wasserschatz unserer Erde, von dem alles organische Leben hienieden zehrt und ohne welchen es nicht bestehen könnte. Diese Wassermenge ist über alles Vorstellungsvermögen hinaus groß, aber sobald wir sie mit dem Volumen der ganzen Erde vergleichen, schrumpft sie gewaltig zusammen.

Der Halbmesser der Erde beträgt in runder Zahl 6366000 m; wenn wir also einen Erdglobus von 1 m Durchmesser vor uns haben und man wollte auf dessen Oberfläche den Ocean im richtigen Verhältnisse seiner Tiefe darstellen, so müßte dies durch ein Flüssigkeitshäutchen geschehen, welches durchschnittlich nur 1/3 mm dick wäre. Das also stellte den gewaltigen Ocean im Verhältnis zum Erdballe dar.

Bedenkt man nun, daß die Erdrinde Wasser aufsaugt, so muß man sich eigentlich wundern, daß die Weltmeere nicht längst verschwunden sind. Und wirklich liegt die Annahme nahe, daß die Wassermenge der Erdoberfläche sich im Verlaufe zahlreicher Jahrtausende merklich vermindern wird. K.      


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 836. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0836.jpg&oldid=- (Version vom 31.5.2023)