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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Jetzt endlich lockerten sich die Reihen und eine Schar von Männern stürmte der Zofe nach.

Ingeborg hatte inzwischen den Kahn vom Ufer gelöst, das Ruder ergriffen, und bald glitt sie dahin durch die von dem aufgehenden Mond versilberte Flut der Alster.

Diesmal allein – nicht an seiner Seite! Er war verloren; doch die Wellen rauschten wie damals um den Kiel des Bootes – das Mondlicht flimmerte darüber hin wie damals – die Erde regte sich nicht und löste nicht Stein auf Stein von den Bauten dieser undankbaren Stadt und schüttelte nicht die Kirchtürme, daß sie schwankten und sich zur Erde neigten!

Kalt, starr, erbarmungslos alles – was ist ein Menschenleben – ein verrinnender Tropfen im Meer!

Die Ruder waren der Hand entfallen; kurze Zeit glitt der Kahn, sich selbst überlassen, über die Wellen. Dann richtete sich eine schlanke hohe Gestalt auf und stürzte sich, nach einem letzten Blick auf den Sternenhimmel, in die Flut. –

Inzwischen bereitete sich ein grausam Werk, grausamer als selbst der „Karolina“ blutige Paragraphen zuließen; denn man hatte den Angeklagten keine Abschrift der Indicien zukommen lassen zu ihrer Verteidigung und zur Abwendung der Tortur. Die Anklagen gegen Snitger lauteten, er habe schon im Februar 1686 vom Anrücken der Dänen gewußt, es beschleunigt, ihnen Unterhalt zugesagt, Paulli die Zugänge der Stadt gewiesen, bei Verurteilung seiner Entführer einen Pöbelhaufen zusammengebracht, um sie niederzumachen und das Volk gegen den Rat zu führen, wenn das Urteil zu gelinde ausfalle, die Bürgerschaft zum Komplott gegen den Rat verhetzt. Gegen Jastram lautete die Anklage ähnlich. Was half es den Beklagten, daß sie das leugneten? Mußten sie doch zugeben, daß sie die Verträge mit Lüneburg nicht gebilligt, weil sie ohne Konsens der Bürgerschaft abgeschlossen worden, und daß sie mit den Dänen verhandelt hätten; Jastram räumte ein, er habe die Hilfe derselben nachgesucht, damit sie die Lüneburger vertrieben, doch verlangt, daß der König sein Vorhaben der Bürgerschaft anzeige. Durch solche Zugeständnisse wurde indes die Tortur nicht ausgeschlossen, welche die Rachegelüste der jetzt siegreichen Partei über ihre Opfer verhängten. In der Marterkammer mochten die Frevler, die an dem Ansehen des Rates gerüttelt hatten, für ihr schändliches Gebaren büßen! Kein Grad der Folter ward ihnen erspart; doch wurde das kostbare Leben geschont, das ja für ein öffentliches Schauspiel aufgespart blieb.

Das Urteil über die Vaterlandsverräter stand fest von Hause aus: es lautete auf Tod, auf Enthauptung; die Körper sollten dann gevierteilt und die Köpfe auf Pfähle gesteckt werden am Millern- und Steinthor.

Die unglückliche Katharina hatte doch gewußt, Zutritt zu ihrem verstümmelten Gatten zu erhalten, und als er heraustrat aus der Fronerei, erwies sie ihm den letzten Dienst, indem sie ihm den Bürgermantel umhing; aber beim Abschiedskuß an der Schwelle sank sie ohnmächtig zusammen, von endlosem Jammer überwältigt.

So endeten Hamburgs Volkstribunen auf dem Schafott.

Bezahlte Schmähschriften, zu deren Abfassung sich auch feile Gelehrte hergaben, besudelten das Angedenken der wackeren Männer, die, allzu leichtgläubig, der Diplomatie und ihren Schlangenwindungen nicht gewachsen waren; doch anders urteilten über sie die unbefangenen Geschichtschreiber, anders auch hervorragende Zeitgenossen, vor allem der Große Kurfürst von Brandenburg, dessen Truppen und Kanonen mit den Hannoveranern und Lüneburgern aufmarschiert standen, um die Ausführung der Blutsentenz, die Hinrichtung, zu decken. Doch das beirrte nicht sein Urteil über die Blutthat; er schrieb an den Rat, er wolle nicht erörtern, was ihn zu so großer Strenge bestimmt habe, doch er könne es dem Könige von Dänemark nicht verdenken, wenn es ihm nahe gehe, daß die armen Leute wegen eines Stadtverrats, welcher doch nach dem beständigen Vorgeben Ihrer Majestät und anderer verschiedener Umstände halber ihnen wohl niemals in den Sinn gekommen, um Blut, Ehre und Gut gebracht wurden. Und an seinen Gesandten in Wien schrieb der Fürst: obschon von dem Magistrat die wider diese Leute gebrauchten harten Proceduren beschönigt wurden, mit ihrer Respektwidrigkeit dem Kaiser gegenüber und ihrer dänischen Verräterei, so sei doch nichts gewisser, als daß dieselben mehr von der Rachgier und der Begierde herrührten, diejenigen von den Dreißigern und auch andere aus dem Wege zu räumen, welche bei dem jüngsten verworrenen Zustande sich zu einer Opposition wider den Rat hinreißen ließen.

Der Große Kurfürst traf den Nagel auf den Kopf, scharfblickend wie immer. Snitger und Jastram fielen als Opfer der Parteiwut und des auf unantastbare Vorrechte eifersüchtigen Patrizierhochmuts. Wie der Lübecker Wullenweber, der gleich ihnen gefoltert und hingerichtet wurde, kämpften die Hamburger Volkstribunen gegen die aristokratische Regierung an; doch wenn jener daran zu Grunde ging, daß er, die Macht der Hansa überschätzend, den Königen des Nordens das Gesetz diktieren wollte, so unterlagen die Volksmänner der Elbestadt, weil sie dieselbe frei und unabhängig machen wollten von der habsüchtigen und herrschsüchtigen Einmischung der Nachbarfürsten und den von ferne wirkenden kaiserlichen Machtbefehlen, die keine Regung des Bürgertums aufkommen ließen. Den braven, treuherzigen Männern gebührt ein ehrendes Angedenken!



Blätter und Blüten.


Vermißten-Liste. (Fortsetzung aus Halbheft 6 des Jahrgang 1897.)

442) Gesucht werden von ihren Angehörigen zwei Brüder Sauter (auch Souther), Karl Friedrich Erwin, geb. in Ann Arbor in Michigan am 2. Juni 1859, seines Zeichens Lehrer, und Friedrich Franklin, geb. ebenda am 6. April 1861, Bäcker und Konditor; von Franklin kamen aus Albany Linn Co. Oregon und von Karl, der als Steward auf einem Schiffe diente, aus Toledo, Ohio, die letzten Nachrichten.

443) Nach seinem letzten Brief vom April 1890 aus Chicago war der am 20. Mai 1869 zu Braunschweig geborene Arbeiter Konrad Ferdinand Hentis in einem Cirkus bedienstet. Alle dorthin gerichteten Briefe kamen aber als unbestellbar zurück.

444) Von ihren Nichten wird gesucht die Lehrerin Emilie Ehrenberg, geb. Isenhut, die im Jahre 1833 zu Bockenem in Hannover zur Welt kam und zuletzt Inhaberin einer Schule im Staate New York gewesen sein soll.

445) Seit seiner letzten Nachricht aus San Francisko ist der am 26. Juni 1841 zu Braunschweig geborene Schneider Karl Ernst Wilhelm Christian Müller verschollen.

446) Die Brüder Claus Hinrich Wittrock (auch Baumann genannt), geb. am 16. Aug. 1848 zu Hamburg, und Emil Christian Daniel Wittrock, geb. am 11. Dezember 1858 ebenda, die von New York und Charlestown bei Boston zuletzt Nachricht gaben, werden von ihrem alten Stiefvater gesucht.

447) Von seinen Geschwistern wird um ein Lebenszeichen gebeten der am 23. März 1856 zu Bolkenhain in Schlesien geborene Weißgerbergeselle Gustav Adolph Wilhelm Mücke, der im Jahre 1888 aus San Francisko schrieb.

448) Der Friseur Friedrich Sexauer, geb. am 26. Oktober 1863 zu Ihringen in Baden, der im Jahre 1892 noch in New York, 422, III. Ave., wohnte, wird von seinem Bruder dringend aufgefordert, Nachricht zu geben.

449) Carl Johann Wilhelm Gustav Schütt, geb. 28. April 1861 zu Stralsund, teilte im Februar 1888 seinen Angehörigen mit, daß er 28 km von New York am Bau eines Tunnels beschäftigt sei, die an ihn dorthin gerichteten Briefe kamen jedoch als unbestellbar zurück.

450) Der am 22. April 1852 zu Heiligenhafen in Holstein geborene Barbier Wilhelm Friedrich Markus Valentiner ist nach New York gereist, dort aber trotz angestellter Nachforschungen nicht aufzufinden.

451) Seit September 1889 ist der am 27. Aug. 1851 zu Grönenbach in Bayern geborene Dekorationsmaler Carl Felicitas Böckeler verschollen. Sein letzter Aufenthaltsort war Philadelphia.

452) Von seinen Geschwistern wird der am 30. April 1847 zu Samotschin in Posen geborene Apotheker Adolf Friedrich Herrmann um ein Lebenszeichen gebeten. Herrmann schrieb zuletzt im Mai 1892 aus New York, daß er zur Ausstellung nach Chicago gehen wolle.

453) Von seiner Mutter, die schon manche Thräne um ihn vergossen hat, wird Franz Robert Julius Klein, der am 18. Febr. 1872 zu Muskau i. d. Lausitz geboren ist und im Jahre 1888 in Kansas lebte, aufgerufen, seinen Aufenthaltsort anzugeben.

454) Seit seinem letzten Briefe aus dem Hotel Alms in Cincinnati hat der am 16. April 1861 zu Bregenz a. Bodensee geborene Kellner Alexander Kemter seinen Eltern nicht mehr geschrieben.

455) Der Wachszieher Franz Norbert Bauer, der am 17. Aug. 1862 zu Prag geboren ist und noch im April 1895 in Los Angeles, Cal., wohnte, wird, nachdem der Vater gestorben, von seiner Mutter herzlich um ein Lebenszeichen gebeten.

Das deutsche Kaiserpaar auf den Wege nach Jerusalen. (Zu dem Bilde S. 840 und 841.) Unter dem Donner der Kanonen hatte das

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 866. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0866.jpg&oldid=- (Version vom 5.6.2023)