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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)


Inhalt.
Seite
Zur Jahreswende. Gedicht von Rudolf von Gottschall. Mit Umrahmung 869
Montblanc. Roman von Rudolph Stratz (Schluß) 870
Der Hochzeitlader. Gedicht von Peter Anzinger. Mit Abbildung 876
Das Alter der Welt. Von Dr. H. J. Klein 876
Das Kinder-Neujahrssingen in Tirol. Eine Skizze aus der Weihnachts- und Neujahrszeit von J. C. Platter. Mit Abbildung 878
Böse Zungen. Novelle von Ernst Muellenbach (Ernst Lenbach) 880
An unsere Leser 893
Zum Neuen Jahre. Gedicht von Heinrich Seidel. Mit Umrahmung 894

Blätter und Blüten: Vermißten-Liste. (Fortsetzung aus Halbheft 27 dieses Jahrgangs.) S. 891. – Rettung Schiffbrüchiger. Von Heims. (Zu dem Bilde S. 872 und 873.) S. 892. – Die Berner Klause. (Zu dem Bilde S. 885.) S. 892. – Theetrinker in Ispahan. (Zu dem Bilde S. 889.) S. 892. – Eine neue Einbanddecke zur „Gartenlaube“. S. 892.

Illustrationen: Zur Jahreswende. S. 869. – Rettung Schiffbrüchiger durch Raketenschuß und Hosenboje. Von F. Lindner. S. 872 und 873. – Der Hochzeitlader. Von Ernst Müller. S. 877. – Das Kinder-Neujahrssingen in Tirol. Von Fritz Bergen. S. 881. – Die Berner Klause. Von M. Zeno Diemer. S. 885. – Theetrinker in Ispahan. Von L. L. Weeks. S. 889. – Siegestrophäen. Von C. Wiederhold. S. 891. – Neujahrsgruß aus der Gartenlaube. Von Marie Nestler-Laux. S. 892. – Abbildung zu dem Gedicht „Zum Neuen Jahre“. S. 894.


Hierzu Kunstbeilage XXVIII: „Süßes Träumen“. Von A. Ritzberger.




Kleine Mitteilungen.


Eine einzig dastehende Ausnutzung der Naturkräfte wird, wie französische Fachblätter berichten, in dem kleinen Hafenort Ploumanach in der Bretagne ausgeübt. Hier, wo keinerlei Industrie getrieben wird und Fischfang, Austern- und Krebszucht die Hauptbeschäftigung der Bewohner bilden, hat man das alte, so viele Köpfe beschäftigende Problem der Ausnutzung von Ebbe und Flut auf die einfachste Weise gelöst. Die Flutwelle, die täglich zweimal gegen den Strand des Hafens geführt wird, muß nicht allein das Eis erzeugen, das zur Konservierung der Fische und Krebse gebraucht wird, sondern sie muß fortan auch die Zuchtanlagen und den Ort selbst elektrisch beleuchten.

Die einfachen Mittel zur Erzeugung dieses Effekts sind ein alter Weiher von 1½ Hektar für die Austernzucht und die Räder einer zeitweise ungebrauchten Wassermühle. Der Teich ist, um seiner Zerstörung durch Sturmfluten vorzubeugen, einst durch eine 8 m hohe Mauer vom Meere getrennt worden und für gewöhnlich nur bis zum Niveau des letzteren mit Wasser gefüllt. Diesen Umstand hat man benutzt, um täglich zweimal eine Wassermenge von rund 70 000 cbm aufzuspeichern, wenn die Flut kommt, und sie alsdann zur Ebbezeit in mechanische Arbeit umzusetzen. Ueber dem gewöhnlichen Niveau des Wassers befinden sich zum Einlaß der Flut Schützen oder Klappen in dem Deich des Stauweihers, die sich nur nach innen öffnen. Der Druck der Flut stößt sie selbstthätig auf und füllt den Teich bis zum Niveau des höchsten äußeren Flutstandes, d. h. 4 bis 5 m über den Ebbestand. Beginnt dann die Flut zu weichen, so hält der innere Wasserüberdruck die Schützen geschlossen und der Inhalt des Reservoirs steht zur Verfügung der Mühlräder. Die Einlaßklappen sind so dicht durch Gummi an ihre Umrandung angeschlossen, daß auch bei der höchsten Füllung des Bassins kaum ein Tropfen verloren geht. Zur Zeit der Ebbe wird nun das Wasser aus dem Teich zu zwei Rädern geleitet, von denen das eine, je acht Stunden täglich arbeitend, in dieser Zeit etwa neun Centner Eis produziert und damit den Bedarf der Eigentümer reichlich deckt. Eine Dynamomaschine mit Accumulatorenunterstützung soll jetzt die Kraft des anderen Rades ausnutzen und elektrisches Licht erzeugen. Beide Anlagen verzehren indessen kaum zehn Pferdekräfte, während die alten, vorhandenen Wasserräder das Fünffache leisten können und die Aufstellung moderner Turbinen noch weit mehr Energie nutzbar machen würde.Bw.


Eine Erinnerung an Emil Rittershaus. Es war am sonnigen Nachmittage des 15. September 1884, als sich Emil Rittershaus mit einer größeren Zahl von Herren aus Greiz zu einem Rendezvous mit Herren aus Plauen in Jocketa einfand. Es hatte in den Tagen vorher eine Versammlung unter seinem Vorsitz in Greiz stattgefunden, an der sich auch Plauensche Herren beteiligt und die Zusammenkunft in dem freundlichen, damals viel einfacheren Jocketa verabredet hatten. Die Begrüßung fand auf Station Bartmühle statt, und die mit den Schönheiten der „Vogtländischen Schweiz“ vertrauten Plauener führten ihre Gäste durch das wildromantische Triebthal nach dem Stationsrestaurant Jocketa. Zugleich mit den Greizer Herren waren, geführt von ihren Lehrerinnen, die unter der Obhut eines Geraer Mädcheninstituts stehenden „höheren Töchter“ ausgestiegen, welche ebenfalls eine Wanderung durch das Triebthal nach Jocketa vorhatten und um die Erlaubnis baten, sich uns anschließen zu dürfen. Sie hatten unterwegs den ihnen vorher persönlich unbekannten Dichter kennengelernt und ihm gehuldigt und wollten nun errötend seinen Spuren weiter folgen, was gern gestattet wurde. An der schönsten Stelle des Triebthals, wo sich der Thalkessel etwas weitet, wo die schroffen Felsenwände auf der einen Seite turmhoch aufsteigen, während auf der anderen bemooste Steinblöcke, von Hochwald beschattet, den sich weiter zurücklehnenden Berghang überdecken und die reißende Trieb in zahlreichen Kaskaden zwischen mächtigen Geröllbrocken hindurchbraust, wurde Halt zu einem Picknick gemacht, welches von einem Plauener improvisiert worden war. Während die Herren sich auf Bänken und Felsblöcken am Flusse und zugleich am Fäßchen Plauenschen Bieres niederließen, zogen sich die jungen Damen auf die entfernter liegenden Sitzplätze im Hochwald zurück und zwitscherten manch patriotisches Lied lustig durch die Zweige, dadurch wesentlich zur Hebung der Feststimmung beitragend. Rittershaus saß stillvergnügt auf einer Bank am Felsen und gab sich dem Genusse der Natur hin, als ihm von einem frischen Backfisch ein Feldblumenstrauß, der eben gepflückt worden war, mit dem üblichen Knix überreicht wurde. Strahlenden Auges dankend, nahm er die duftige Gabe entgegen. Nach einiger Zeit wurde die Wanderung nach Jocketa fortgesetzt, wo mittlerweile noch eine größere Zahl von der Anwesenheit des Dichters unterrichteter Damen und Herren nebst Kindern mit der Bahn von Plauen her angekommen waren. Als man unter den Kolonnaden des Gartens Platz genommen hatte, zog der Dichter, der am langen Tische obenan saß, sein Notizbuch heraus und fing an zu schreiben. Bald riß er das beschriebene Blatt aus dem Buche und ließ es der Blumenspenderin als Gegengabe überreichen, was bei den etwas abseits sitzenden Mädchen so große Freude hervorrief, daß sie, an den Tisch, an dem der Dichter saß, herantretend, die Verse, die sie mittlerweile mehrmals abgeschrieben hatten, nach der Melodie „Deutschland, Deutschland über alles“ vortrugen. Alle Anwesenden wurden feierlich gestimmt, auch der Dichter. Er, der zärtliche Familienvater und Kinderfreund, nahm ein neben ihm auf dem Schoße der Mutter sitzendes blondgelocktes dreijähriges Mädchen auf seinen Schoß herüber und herzte und küßte es.

Die von ihm gedichteten Verse, welche in gleicher Weise von seinem Beobachtungstalent und Patriotismus beredtes Zeugnis ablegen, lauten:

„Wenn herab aus heit’rer Bläue
Golden lacht der Sonnenschein,
Daß sich unser Herz erfreue,
Zieh’n wir in die Welt hinein;
Durch die Berge, durch die Gründe
Tanzen wir in muntern Reih’n,
Und ein helles Lied verkünde
Unsrer Seelen Seligsein.

Durch die Wiesen, durch die Matten
Schlingt der Fluß ein Silberband;
Vögleins Lied in Waldesschatten
Ist ein Gruß. vom Lenz gesandt.
Unterm dunklen Laub der Eichen
Ruh’n wir an der Felsen Rand.
O wie herrlich, ohnegleichen,
Bist du, deutsches Vaterland.

Dich, du Heimatland, zu preisen,
Hoch durch Gottes Gunst gestellt,
Sollen klingen unsre Weisen
In des Haines grünem Zelt.
Aus den Büschen wiederhall’ es,
Jauchzend tön’s durch Wald und Feld:
Deutschland, Deutschland über alles,
Ueber alles in der Welt!“

Nur zu bald schlug die Stunde des Abschieds; die Herren fuhren mit dem Abendzuge von Bartmühle weg, bis dahin auf dem kürzeren Weg von einigen Herren begleitet. In ihrem Gefolge befanden sich wieder die Geraer Damen und Mädchen, die dem Dichter – darüber können vielleicht manche ehrbare Frauen von heute, die damals als „Backfische“ dabei gewesen sind, beichten – jedenfalls beim Abschied in Greiz nochmals Huldigungen dargebracht haben. Auch bei anderen Teilnehmern an der Partie, denen diese Zeilen zu Gesicht kommen, werden sie gewiß angenehme Erinnerungen wecken. Prof. Dr. Hzg.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 868_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0868_d.jpg&oldid=- (Version vom 18.2.2022)