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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

schlechten Streiche mehr machte, weil jetzt der Onkel ihn kurz am Bändel hielt.

Der Firmian blieb natürlich bei den Eltern und half auf dem Felde. Er hatte es nicht zum besten, obwohl die Mutter eine gute Frau war. Der Vater aber war schon damals ein Säufer und im Rausch sehr gewaltthätig. Dagegen konnte jetzt den Buben die Johanne nicht mehr verteidigen, hatte auch genug mit sich selbst zu thun. Ich hätt’ sie schon damals gern zu mir genommen, sagte die Wirtin, und wußt’ auch, sie wär’ gern was Besseres geworden, als eine Bauerndirne, und hätt’ in der Stadt Nähen und Schneidern lernen mögen, um etwa zu einer Herrschaft als Jungfer zu kommen. Das mußt’ sie sich aber vergehen lassen, weil der Vater starb und die Mutter ein etwas schwachsinniges Weib war, die im Hause und auf dem Feld eine Hilfe brauchte.

Pate, sagte sie zu mir – sie war damals vierzehn Jahr alt – ich kann die Mutter nicht im Stich lassen, sie hat niemand als mich, es muß schon Gottes Wille sein, daß ich’s nicht weiter bringe als zum Kuhmelken und Garbenbinden. Nun, Johanne, sagt’ ich, kommt Zeit kommt Rat, und wenn’s einmal doch anders wird, so weißt du, wo deine Frau Pate wohnt und daß sie dir jederzeit aufmacht, wenn du bei ihr anklopfst.

Ich dachte nämlich, ihre Mutter würd’ es nicht lange mehr machen. Aber da die Tochter sie so gut verpflegte, hielt sie sich in ihrer Schwachheit und Gebrechlichkeit viele Jahre hin. Indessen wuchs das Mädel heran und wurde immer sauberer und stattlicher, so daß alle Bursche im Dorf in sie vernarrt waren. Am meisten der Firmian, der auch ein sehr schöner Mensch geworden war, bis auf den schläfrigen Ausdruck in seinem Gesicht. Noch immer wurde er von seinen Kameraden gehänselt, was der Johanne, so oft sie es mit ansehn mußte, einen Stich ins Herz gab. Es geschah auch aus Neid von den andern, da sie es ihm nicht gönnten, daß die Johanne zu ihm hielt, und alle wußten, wenn dem Firmian sein Vater nur seine Einwilligung gegeben hätte, wären die Zwei ein Paar geworden. Der alte Großbauer aber haßte seinen Sohn, den er einen Tropf nannte, und dachte nicht daran, ihm den Hof zu übergeben, daß er heiraten könnte.

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Darüber vergingen die Jahre. Vom Veit hatte man nichts mehr gehört, als daß er zum Militär gemußt hatte. Der Firmian war frei geworden, ich weiß nicht, aus welchem Grunde, denn damals konnte man sich nicht mehr einen Stellvertreter kaufen. Vielleicht, weil er der einzige Sohn gewesen ist und der Vater sich für krank ausgegeben hat, daß er ohne ihn die Wirtschaft nicht hätt’ versehen können. Genug, er blieb im Dorf, als seine Altersgenossen fast alle den bunten Rock anziehen mußten.

Wie nun die Johanne sah, daß er ein so jämmerliches Leben bei dem tyrannischen Vater hatte und kein Ende abzusehen war, erklärte sie ihm eines Tages, sie habe die Mutter überredet, ihren Hof an ihn abzutreten, wenn er sie zu seiner Frau gemacht hätte. Ihr gutes Herz war mit ihr durchgegangen, obwohl sie einsehen mußte, mit einem solchen Mann würde sie nicht besonders glücklich werden.

Der Firmian aber verwußte sich nicht vor Glückseligkeit, und seinen Eltern war’s auch mehr als recht, den Sohn versorgt zu sehn, ohne selbst ins Altenteil gehn zu müssen. Also gingen die Zwei als ein erklärtes Brautpaar miteinander, der Bräutigam vierundzwanzig Jahr alt, meine Pate zwei Jahr jünger. Kind, sagt’ ich, hast du auch bedacht, was du da gethan und auf dich genommen hast? – Nein, Pate, sagte sie. So was muß man nicht bedenken, sonst thut man’s vielleicht nicht. Er hat mich aber zu sehr erbarmt, da hab’ ich Hand über Herz gelegt und bin mit zugekniffenen Augen hineingesprungen in mein Schicksal. – Armes Herz! dacht’ ich. Wenn dir die Augen nur nicht zu bald aufgehn! – Denn hatt’ ich den Firmian schon früher nicht leiden mögen trotz seiner blauen Vergißmeinnichtaugen und Backen wie Milch und Blut – jetzt vollends war er mir zuwider, wie er so stolz wie ein Pfau mit seiner Braut herumzog, und bildete sich wahrhaftig ein, er wäre das Mädel wert und sie könne von Glück sagen, daß er seine Augen auf sie geworfen habe.

Also blieb ich die nächste Zeit vom Dorfe weg, wohin ich sonst manchmal an einem Sonn- oder Feiertag hinausgefahren war, meine Gevatterin zu besuchen. Es kam mir zu hart an, meine Pate als Verlobte dieses Burschen zu finden und zu sehen, daß sie selbst nur eben gute Miene zum bösen Spiel machte.

Den ganzen Sommer hörte und sah ich auch nichts mehr von ihr. Da kam plötzlich eine entsetzliche Nachricht in unsere Stadt.

Stellen Sie sich vor, nur vierzehn Tage vor der Hochzeit, die gleich nach der Ernte gehalten werden sollte – ich war natürlich auch eingeladen worden, hatte mir aber vorgenommen, unter einem Vorwand wegzubleiben – auf einmal war der Veit wieder aufgetaucht, der inzwischen seine drei Jahre abgedient hatte. Er sei ganz verändert gewesen, noch gewachsen und in seiner Urlauber-Uniform ein bildsauberer Bursch, auch nicht mehr so ein Thunichtgut, sondern ganz anständig, bis auf die verwogene Manier, mit der er allen hübschen Dirnen keck in die Augen sah. Wie er aber der Johanne zum erstenmal wieder begegnet sei, habe er wie vom Blitz gerührt die Augen niedergeschlagen und ihr dann die Hand geboten und ein paar verlegene Worte gestammelt. Da sei der Firmian dazu gekommen und habe ihm nur so hochmütig zugenickt und gesagt: Bist auch wieder da, Veit? Na, beim Militär werden sie dir deine Nücken und Tücken schon ausgetrieben haben, und wenn du das Raufen lassen willst, kannst auch zu meiner Hochzeit kommen, Sonntag nach Mariä Geburt.

Der Veit habe kein Wort erwidert, ihn nur vom Kopf bis Fuß gemessen und dann mit einem kurzen Auflachen ihm den Rücken gekehrt. Die Johanne aber sei gleich ganz tiefsinnig gewesen und habe dem Firmian sein hochmütiges Betragen vorgeworfen, da der Veit doch nichts dafür könne, daß er ein haus- und habloser Bursch sei und früher keine bessere Erziehung genossen habe.

Hierüber sei es zum ersten Zank zwischen den Brautleuten gekommen, und der Firmian habe sich trutzig abgewendet, sich auch die nächsten Tage nicht bei ihr blicken lassen.

Wie es dann weiter gegangen, sagte die Frau, ist mir nicht ganz klar geworden. Es scheint, der Veit hat Gelegenheit gefunden, mit der Johanne verstohlen zusammenzukommen und ihr so viel vorzuschwätzen, wie unglücklich er sei, daß er zu spät komme, wie sehr sie es bereuen würde, einem solchen aufgeblasenen Trottel ihre Hand und den schönen Hof zu geben, und hat dabei all seine schlauen Künste aufgeboten, die er bei den Nürnberger und Münchener Mädeln gelernt haben mochte – kurz, der Johanne hat er dermaßen den Kopf verdreht, daß es jetzt ihr selbst unmöglich erschienen ist, den Firmian zu heiraten.

Ihm das geradezu einzugestehn, hat sie freilich doch nicht den Mut gehabt. Merken aber konnt’ er’s genug an der kalten Miene, mit der sie ihm begegnete, und auch auf dem Tanzboden, wo sie lieber mit dem Veit als mit ihrem Bräutigam tanzen mochte, was ganz gegen den Brauch war. Schon damals wär’s wohl zu schlimmen Auftritten gekommen, wenn der Firmian nicht gefürchtet hätte, von seinem Nebenbuhler elend zugerichtet zu werden. So saß er denn, während der sein Mädel herumschwenkte, mit verbissener Wut beim Kruge, den er öfter, als gut war, frisch füllen ließ, und nahm sich vor, der Johanne auf dem Heimweg die Meinung zu sagen. Auch das mußte er aber unterlassen, denn der Veit ließ sich’s nicht nehmen, den beiden bis zum Hause der Johanne das Geleit zu geben, wo er dann, wenn die Braut sicher hinter Schloß und Riegel war, mit einem spöttischen Lachen den schwachmütigen Bräutigam stehen ließ.

Diesmal aber erbarmte sich ihr gutes Herz nicht wie sonst des Schwächeren. Ja als er sie endlich offen zur Rede stellte und verlangte, sie solle dem frechen Gesellen die Wege weisen, erklärte sie ihm rund heraus, das sei seine Sache, und wenn er selbst nicht Manns genug wäre, sich einen Nebenbuhler vom Halse zu schaffen, bedanke sie sich dafür, seine Frau zu werden. Dabei mögen dann noch von ihrer und seiner Seite genug bittere und gehässige Worte gefallen sein, und das Ende vom Liede war, daß sie erklärte, aus der Hochzeit könne so bald noch nichts werden. Vor dem neuen Jahr denke sie nicht daran, ihre Freiheit aufzugeben, und auch dann komme es sehr darauf an, wie er sich bis dahin betragen hätte.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0026.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)