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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

empor, in ihrer Blätterkrone ein Bildnis Albrecht Dürers tragend, als Wahrzeichen deutscher Kunst. Rechts und links stehen zur Seite weibliche Idealfiguren, Malerei und Skulptur verkörpernd.

Der Festsaal des Berliner Künstlerhauses: Ansicht der Querwand mit der Empore und dem Bilde von Prof. Max Koch.
Nach einer Photographie von Zander & Labisch in Berlin.

Durch das Portal tritt man in ein weites Vestibül, von Korbgewölben überspannt, in lichten Farben gehalten (vgl. Abbildung S. 81). Rechts und links von ihm liegen die Klubräume und Garderoben. Geht man geradeaus die große Freitreppe zur Hälfte hinauf, so gelangt man in die nach hinten gelegenen Ausstellungssäle, die einer dauernden Gemäldeausstellung dienen. Sie sind in erlesenem Geschmack ohne jede Aufdringlichkeit dekoriert; alles ist darauf berechnet, einen bescheidenen und doch würdigen Hintergrund für die Kunstwerke zu bilden. Verfolgt man aber die Treppe, die sich in zwei Läufe gabelt, bis zu Ende, so kommt man in den großen Festsaal (vgl. obenstehende Abbildung), dessen eine fensterlose Längswand nach der Straße hinausgeht.

Die Vorderansicht des Berliner Künstlerhauses.
Nach einer Photographie von Zander & Labisch in Berlin.

Die Decke bildet ein einmal gebrochenes Tonnengewölbe in Holzarchitektur, oben mit Glas eingedeckt, durch das der Saal sein Oberlicht erhält. So kann er auch als Ausstellungsraum für ganz große Bilder dienen. Die eine Schmalwand nimmt eine richtige, praktikable Bühne mit Schnürboden ein, über dem Vorhang ein stilisierter Ritter Georg; an der andern Schmalwand ist eine breite Galerie weit in den Saal vorgebaut.

Ueber ihr prangt ein großes Bild von Max Koch: „Baldur erscheint auf der Erde.“ Ein schöner Jüngling, von den Strahlen der aufgehenden Sonne umloht, steigt über den Nebeln empor, und die verschlafenen Menschen schauen ihm staunend entgegen. Will man zu der Restauration, so muß man hinab bis in den Keller unter den Ausstellungsräumen. Hier ist die höchst gemütliche Kneipe, daneben das Billardzimmer.

Alles ist darin behaglich, wohnlich, anheimelnd. Hohe Holzpaneele ziehen sich an den Wänden entlang, schwere Eichenmöbel dienen zum täglichen Gebrauch. Unter dem Billardsaal, der etwas höher liegt als das Kneipzimmer, befinden sich die Kegelbahnen. Auf der andern Seite des Baues ist die Bibliothek angeordnet. Die übrigen Räume für Verwaltung u. s. f. verteilen sich dann in einem Hinterflügel. – Die Berliner Künstler haben jetzt ein schönes neues Haus, sie haben darin bereits schöne Feste gefeiert. Unlängst sah der große Saal den neuen Ritter des Schwarzen Adlerordens, den alten Menzel, als Gefeierten an der Spitze seiner Kollegen, die ihm Glückwunsch und Huldigung darbrachten. Aber auch an ernsten Kämpfen hat es in dem neuen Hause bereits nicht gefehlt. Auch hier stehen sich Junge und Alte, Secessionisten und Akademiker schroff gegenüber. Hoffen wir, daß der gemeinsame Besitz alle Auseinanderstrebenden immer wieder zusammenführt. Sind auch ihre Wege verschieden, sie haben ja doch alle nur ein großes, herrliches Ziel, die Kunst!



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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0083.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)