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Blätter und Blüten


Adolph v. Menzel an seinem Schreibtisch. (Zu dem untenstehenden Bilde.) Die ungewöhnliche Auszeichnung, welche beim Beginn dieses Jahres dem Großmeister der deutschen Malerei Adolph Menzel durch Verleihung des Schwarzen Adlerordens zu teil ward, und die Feier, welche die Berliner Künstlerschaft aus diesem Anlaß zu Menzels Ehren beging, haben die bescheidene Persönlichkeit des Künstlers wieder einmal zum Gegenstand des öffentlichen Interesses gemacht. Als am 5. Dezember vor drei Jahren Menzels achtzigster Geburtstag gefeiert ward, ist den Lesern der „Gartenlaube“ des näheren berichtet worden, wie einfach das private Leben des noch immer rastlos schaffenden Künstlers verläuft, dessen „Erdenwallen“ in Not und Armut begann und den nun im Alter das Glück mit Ehren und Ruhm überschüttet. In dem Aufsatz „Wie Meister Menzel lebt“ hat damals A. Schöbel (Jahrgang 1895, S. 787) die friedliche Abgeschiedenheit seiner Wohnung im dritten Stock eines Hauses der Sigismundstraße geschildert, in der dem greisen Junggesellen die Schwester in altvaterischer Ordnung den Haushalt führt, und über welcher im nächsten Stock die Räume seines Ateliers sich befinden. In dieses Heiligtum, dessen Stille selten ein Besucher stören darf, läßt uns unser Bild einen Blick werfen. Wir sehen den Künstler an seinem altertümlichen Schreibsekretär, wie er im Begriff ist, Korrespondenzen zu erledigen. An der Wand hängen Studienblätter zu Bildern, die er einst geschaffen, sowie Gipsabgüsse von Werken der Plastik, die ihm besonders lieb sind. In der schön geformten Rechten stockt gerade für einen Augenblick die Feder, während der geistvolle energische Kopf, von Erinnerungen gebannt, still vor sich hinsinnt.

Adolph v. Menzel an seinem Schreibtisch.
Nach einer photographischen Aufnahme von Hugo Rudolphy in Berlin

Das Schellenschlagen in Tirol. (Zu dem Bilde Seite 77.) Einer der interessantesten Faschingsbräuche in Nordtirol ist das Schellenschlagen, das noch da und dort im tirolischen Innthale, in dem von Innsbruck gegen den Brennerpaß hinaufziehenden nördlichen Wippthale und deren Seitengründen sich mehr oder minder vollständig erhalten hat. Wenn in einem Dorfe oder Marktflecken das Schellenschlagen stattfindet, so dürfen die Veranstalter von vornherein schon auf ein großes Zuschauerpublikum aus dem Orte selbst und aus den Nachbargemeinden rechnen. Kommt nun der Zug heran, so strömt alt und jung, Männer und Weiber, und natürlich allen voran die löbliche Schuljugend, in der Hauptgasse zusammen, in der man schon von ferne die Schellen klingen hört. Endlich erscheinen zunächst die Bajazzi, zwei bis drei clown- oder harlekinartig ausstaffierte Masken, welche, mit langen Peitschen versehen, unter lustigen Sprüngen und fortwährendem Geknalle dem Schellenschlägerzuge den Weg freihalten. Während noch die Bajazzi allenthalben ihre Späße machen und besonders den überall mit hellem Jubel im Wege herumlaufenden Dorfbüblein, sowie auch den neugierig auslugenden größeren Diandlen manchen Schabernack spielen, ist auch schon die eigentliche Faschingsgruppe zur Stelle. Voran der „Hauptmann“ mit seinem buntbebänderten Stocke, dann kommen die Schellenschläger selbst in ihrem charakteristischen Kostüm. Dieses besteht aus dem zur betreffenden Thaltracht gehörenden Hute (auf unserem Bilde ist es der Spitzhut der Stubaier oder Zillerthaler), dann aus einem weißen Hemde, häufig mit über der Brust gekreuzten Seidenbändern, den üblichen kurzen Lederhosen, weißen oder blauen Strümpfen und niedrigen Bund- oder Schnallenschuhen. Die Hüte werden den Burschen von ihren Diandlen mit Sträußchen von Kunstblumen und wohl auch mit kurzen buntfarbigen Bändern geschmückt, und um die Hüfte trägt jeder der Teilnehmer einen Ledergurt, an welchem rückwärts eine große Schelle befestigt ist. Der „Hauptmann“ giebt mit seinem Stocke den Takt, und nach diesem ziehen dann die Schellenschläger, die eine Hand in die Seite gestemmt und in der anderen gleich dem Anführer ein Stäbchen tragend, würdig und ernst in langsam hopsendem Tempo des Weges dahin. Dabei wiegen alle gleichmäßig den Körper nach links und nach rechts. Die Schellen tönen bei jedem Schritte lautklingend zusammen, und so bewegt sich der Zug in einer fast feierlich zu nennenden Weise durch die Gassen des Ortes. Kommt man an einem Wirtshause vorbei, so wird natürlich auf kurze Zeit eingekehrt, dann geht es wieder weiter unter beifälliger Anteilnahme von alt und jung, bis schließlich im Hauptgasthofe mit einem fröhlichen Schmause, allenfalls auch bei einem lustigen Tänzchen, das Schellenschlagen sein Ende erreicht. J. C. Platter.     

Blumenparade. (Zu dem Bilde S. 85.) Das ist freilich eine anziehendere Art von Parade als etwa die „Lumpen“– oder „Stiefelparade“; sie dürfte selbst einer wirklichen großen Parade vorzuziehen sein, bei der sich die daran teilnehmenden Truppen gewöhnlich erst müde stehen müssen, bevor endlich der Präsentiermarsch erklingt und das militärische Schauspiel von statten gebt. Die „Blumenparade“, die uns H. Huisken auf seinem hübschen Bilde vorführt, wird offenbar durch örtliche Verhältnisse zu Wege gebracht. Unmittelbar an dem Blumenmarkte liegt die Kürassierkaserne, und diejenigen Panzerreiter, welche Kasernenwache haben und nicht gerade auf Posten stehen, sowie ihre sonst Muße dazu findenden Kameraden benutzen mit Vorliebe die Stunden des belebtesten Marktverkehrs, um durch ihr klirrendes Erscheinen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ihr Salutieren wird von den schmucken Dienstmädchen eifrig durch Kokettieren erwidert, und das belustigt beide Teile ungemein. Da zieht sich der Blumeneinkauf sehr in die Länge, zum billigen Aerger der Hausfrauen, die daheim vergebens auf die Rückkehr der dienstbaren Geister warten. Sie können der Blumenparade keinen Geschmack abgewinnen, und wo sie mit den Ratsherren der Stadt zusammentreffen, petitionieren sie eindringlich um – eine baldige Verlegung des Blumenmarktes.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0097.jpg&oldid=- (Version vom 13.8.2023)