Seite:Die Gartenlaube (1899) 0104.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

„Ich? Und ein’ Tratsch machen?“ Diese Zumutung schien das Mädchen völlig gekränkt zu haben. „Na! Da thät’ ich mir lieber ’s Züngl abbeißen. G’wiß wahr, zu mir können S’ unscheniert reden. Von mir erfahrt kein Mensch kein Wörtl net!“

„Hand darauf?“

Burgi wischte sich zuerst die Hand an der Schürze ab, bevor sie einschlug. „Hand drauf, ja!“

Vertraulich zog Martin die schmucke Dirn’ an seine Seite und streichelte zärtlich ihre rauhe, sonnverbrannte Hand. Aber bei der Neugier, die in Burgi wach geworden, schien sie diese Einleitung gar nicht zu beachten, sondern blickte nur gespannt auf die Lippen, die ihr das „noch Bessere“ verkünden sollten.

„Das wissen Sie doch, daß unsere Durchlaucht diese große Jagd da auf zehn Jahre gepachtet hat?“

„Freilich, ja! Und der Pacht, und ’s Winterfutter, und die Jager alle, und ’s Jagdhaus, und ’s teure Leben da heroben … mein Gott, mein Gott, das muß dem Herrn Fürsten ein schöns Stückl Geld kosten!“

„Na, das glaub’ ich! Und da können Sie sich denken, daß da ein verläßlicher Mensch hergehört, der alles leitet und überwacht, die Verrechnung führt und die ganze Verpflegung besorgt …“

„Aber das macht ja der Herr Förstner! Und das is fein ein ehrenhafter Mensch! Auf den kann sich der Herr Fürst verlassen!“

„Ja, ja … ich will ihm auch von seinen guten Eigenschaften nichts abstreiten, aber … auf einen solchen Posten gehört denn doch ein Mensch von Bildung, der alles so zu richten versteht, wie es unserer Durchlaucht lieb und angenehm ist.“

„Um Gottes willen! Der gute Herr Förstner wird doch net sein’ Posten verlieren?“

„Gott bewahre! Der kann bleiben, was er ist … aber über ihn wird noch ein Jagdverwalter gesetzt, verstehen Sie?“

Ganz verstand sie die Sache nicht; aber sie nickte: „Ah ja! Ah ja!“

„Das wird wahrscheinlich noch heuer im Herbst gemacht, sonst jedenfalls im Frühjahr. Der Herr Fürst hat bereits mit mir über die Sache gesprochen, und … es ist alles schon soweit in Ordnung. Im Frühjahr wird draußen in Leutasch für den Verwalter ein neues Haus gebaut, natürlich zweistöckig, mit einem großen Garten, mit einem Stall für zwei Pferde und vier Milchkühe …“

„Da g’hört aber ein Heustadel und ein Holzschupfen auch dazu!“

„Natürlich! Wird gebaut! Selbstverständlich!“ Martin warf die Cigarette über den Tisch und zog das Mädchen dicht an seine Seite. „Na, und jetzt raten Sie mal, wer das sein wird … der neue Jagdverwalter?“ Lächelnd tätschelte er den runden molligen Arm der Dirn und zwinkerte mit vergnügten Augen zu ihr hinauf.

Da begriff sie: das also war das Bessere, was der Martin für sich wußte. Sie machte große Augen. „Am End’ gar Sie, Herr Martin!“

Er nickte.

„Hören S’, da därf man Ihnen aber gratalieren!“

„Nicht wahr? Aber … einen Haken hat die Sache doch noch!“

„Was denn für ein’?“

„Der Verwalter hier … das muß einer sein, der verheiratet ist.“

„No ja, so heiraten S’ halt. Für so ein’ Posten, da kann man’s schon riskieren.“

„So? Meinst?“

Sie merkte gar nicht, daß er sie duzte.

„Aber wo find’ ich denn nur so schnell eine, die mich nimmt?“

Nun lachte sie. „Ui jegerl, da finden S’ g’schwind eine. Bei so was greift doch jedwede zu mit alle zwei Händ’.“

„Na ja, aber … ich kenn’ eben keine.“ Martin legte den Arm um ihre Hüfte. „Und … jetzt sag’ mal, Burgerl … möchtest du mir denn nicht eine suchen helfen?“

„Ich?“ Sie lachte, als hätte sie in ihrem Leben etwas Lustigeres nicht gehört. „O du mein lieber Hergott! Mit so einer, wie s’ mir bekannt sind, da wären S’ sauber aufg’richt’t! Sie … und ein Bauernmadel!“

„Na, weißt du, das wird doch wohl nicht anders gehen. Eine vom Land werd’ ich mir nehmen müssen! Eine, die sich hier in der Gegend auskennt, und eine, die sich auf den Stall versteht … von Kühen und Pferden versteh’ ich nichts, rein gar nichts … das muß eben dann meine Frau besorgen.“

„Ah ja!“ Das leuchtete ihr ein, und sie wurde ernst. „Das is wahr, da brauchen S’ eine, die ihr Sach versteht und die g’hörig schaffen kann!“

„Na also, und da mußt du mir halt suchen helfen! Denk’ mal ein bißchen nach! Ich mein’ immer, daß du gar nicht weit zu suchen brauchst, um so eine für mich zu finden … eine, die mir so recht von Herzen gut sein könnte … so recht eine Hübsche, Frische, Gesunde …“

Sie fühlte den zärtlichen Druck seines Armes, spürte seinen heißen Atem, sah seine funkelnden Augen … und da begriff sie. Das wirkte, als hätte der Blitz vor ihr eingeschlagen.

Blässe und glühende Röte wechselten auf ihrem Gesicht. Sie wich zurück und versuchte seinen Arm von sich abzuwehren … aber es schien ihr bei diesem Befreiungsversuche doch die rechte Kraft zu fehlen, denn er gelang nicht.

Was in ihr vorging, war so deutlich auf ihrem Gesicht zu lesen, als wären diese großen verdutzten Augen und diese brennenden Wangen wie ein Buch mit aufgeschlagenen Seiten. Ihr erster Gedanke war Unglaube, der sie lachen machte. Der Menschenverstand, der in ihrem hübschen Zauskopf wohnte – so schlicht und anspruchslos ihn die Natur auch geschaffen hatte – war zu gesund, um sie nicht vor dem groben Köder zu warnen, den sie da vor ihren Augen winken sah. Aber sie hätte nicht das praktisch rechnende Kind des Dorfes sein müssen, wenn ihr neben allem Zweifel nicht auch die Erwägung gekommen wäre: vielleicht is doch was dran … und wenn was dran is, därf ich mir’s net verscherzen! Und sie hätte nicht das arme, mit aller Not und Arbeit des Lebens kämpfende Mädel sein dürfen, um trotz allem Unglauben nicht auch die scheue Sehnsucht zu empfinden, die der Traum vom großen Los und von unverhofftem Glück erweckt. Ihr Herz war frei, sie dachte an keinen anderen – der Praxmaler-Pepperl war ihr ja „so z’wider wie net leicht einer“ – und wenn der gesunde Verstand ihr auch sagte: Glaub’ dem Schmalger nix, er lügt dich an! so hinderte das doch nicht, daß sich in ihrem summsenden Kopf ein winkendes Luftschloß auferbaute. Sie sah das zweistöckige Haus, den Garten mit Beeten und Wiese, den Stall mit Pferden und Kühen. Sie sah den Vater, den sie seit Jahren mit dem Schweiß ihrer Stirn und mit den Schwielen ihrer Hände ernährte, sorglos in seinem Stübchen sitzen. Sie sah sich im seidenen Kleid zur Kirche gehen und im ersten Betstuhl knieen. Sie sah sich am Sonntagnachmittag beim Kaffee, während die Thür sich aufthat und die Jäger zum Rapport erschienen, voran der Praxmaler-Pepperl, welcher höflich das Hütlein zog und mit einem manierlichen „Buckerl“ grüßte: Recht schön’ guten Abend, Frau Jagdverwalterin! – –

„Mar’ und Josef!“ stotterte sie zu Tode erschrocken – denn plötzlich wieder hatte sie an das Rauchloch da drüben denken müssen, in dem die Sonne verschwunden war. „Mar’ und Josef! Lassen S’ mich aus! Ich bitt’ Ihnen, lieber, lieber Herr Martin … lassen S’ mich aus!“

„Aber Burgerl, Kind, so sag’ mir doch …“ Martin versuchte, sie näher an sich heranzuziehen.

Doch da verfinsterte sich die Thür, und eine Stimme, die kaum merklich bebte und dennoch ganz anders war als die gewohnte Stimme des Praxmaler-Pepperl, klang in den Raum: „Recht schön’ guten Abend bei ’nander!“

Im gleichen Augenblick stand aber auch Burgi schon am Herd und begann im Kessel ein so verzweifeltes Rühren, als hätte sie Angst, daß der Molken rettungslos angebrannt wäre.

Martin streckte die Beine, brannte sich eine frische Cigarette an und schielte über das flackernde Zündholz nach dem Jäger.

Pepperl stand wie ein Baum unter der Thüre, die Daumen in die Hosenträger eingehakt. „Sie! Herr Kammerdiener! Tummeln S’ Ihnen! Der Herr Fürst wird gleich heimkommen!“

„Also ist er noch nicht daheim? Na, dann wird’s ja nicht so pressieren!“ meinte Martin und stäubte eine Aschenflocke von seinem Frack. Dann erhob er sich, zog die Weste glatt und ging zur Thüre. „Wollen Sie gefälligst den Weg freigeben? Ja?“

Pepperl rührte sich nicht. „Ja, gleich! Aber z’erst noch ein

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0104.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)