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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Und glauben, natürlich, glauben thust ihm auch schon lang’ und möchtest am liebsten gleich mit alle zwei Füß’ ins Unglück ’neinspringen, gelt? Aber da is noch was gut dafür! Verstehst mich? Da bin ich noch da! Verstehst mich? Du gehst mich net so viel an, weißt! Aber die gute Repadazion von unserer Gegend liegt mir am G’wissen! Und daß ’s bei die Leut’ umeinander heißen soll: aus der Tillfußer Alm, wo d’ Jaager hausen, geht’s zu wie auf der ung’raden Hochzeit, die der Pfarrer verschlafen hat … das laß ich net zu! Verstehst mich?“

„Du, mir scheint, dir hat d’ Sonn’ heut’ ein bißl z’heiß aufs Dachl ’brennt!“ fiel Burgi mit zornbebender Stimme ein. „Komm her, du, ich kühl’ dich ab!“ Und ehe sich Pepperl den Sinn dieser Worte noch deuten konnte, hatte sie den Tränkzuber gepackt und schüttete dem Jäger einen Guß ins Gesicht, daß ihm das Wasser in plätschernden Bächlein von den Armen und über die Knie niedertroff.

„So? No, wart’ nur, du!“ Pepperl schüttelte sich, daß die Tropfen nach allen Seiten flogen. „Wir zwei sind fertig miteinander! Du und ich! Für ewige Zeiten! Jetzt soll dir ein anderer ins G’wissen reden! Jetzt muß dein Vatter her! Dein Vatter soll’s wissen, wie’s steht um dich! Ja, schau mich nur an, du! Heut’ noch laß ich ihm Botschaft sagen. Dein Vatter muß her! Und jetzt bin ich fertig, so!“ Er streifte das Wasser aus den Aermeln und schleuderte die Tropfen von den Händen. „Mich siehst nimmer in deiner Hütten!“

Wie er zur Thüre hinauskam, das schien er selbst nicht recht zu wissen. Er merkte nur plötzlich, daß er draußen in der hellen Sonne stand, und da schob er den Hut zurück und griff sich an die Stirne, als müßte er sich erst besinnen, was denn eigentlich geschehen wäre. Der Anblick seiner nassen Kleider schien ihm alles wieder in Erinnerung zu bringen.

„Soll’s jetzt geh’n, wie’s mag … ich hab’ mein’ Schuldigkeit ’than! Aber ein’ saubern Dank hab’ ich davon!“

Er zog die Joppe herunter und schüttelte sie aus, trocknete sich mit dem Sacktuch das Gesicht und drückte das Wasser aus der Lederhose, die sich anfühlte wie ein vollgesogener Schwamm.

Das half nicht viel, und da er in dem Zustand, in dem er sich befand, das Försterhäuschen nicht betreten wollte, sprang er gegen den Wald hinunter und legte sich auf einer kleinen, versteckten Lichtung in die Sonne, um trocken zu werden.

„Grad zerreißen könnt’ ich das Weiberleut!“ murrte er mit geballten Fäusten vor sich hin, als er zwischen den Stauden hockte und sich von der Sonne braten ließ.

Es dauerte eine gute Stunde, bis Pepperl in der bratenden Sonne trocken wurde – wenn auch nicht trocken bis auf die Haut. „Unterschichtig“ klebte ihm noch das Gewand am Körper, aber auswendig, so meinte er, „thut’s es schon!“

Um nur ja nicht an der Sennhütte vorüber zu müssen, machte er statt des geraden Weges zum Försterhäuschen einen weiten Umweg durch den Wald, bis hinunter zum Bach. Da begegnete ihm der Bote, der für den Fürsten die Post aus Leutasch gebracht hatte und jetzt wieder heimwanderte.

Pepperls Augen funkelten vor Freude. „So! Du kommst mir aber g’rad’ recht. Kannst mir Botschaft tragen!“

„Was denn?“

„Triffst den alten Brentlinger heut’ noch?“

„Der Burgi ihren Vatter?“

„Ja.“

„Heut’ nimmer, na! Aber morgen, wenn ich am Wirtshaus vorbeikomm’, da hockt er schon drin.“

„Richt’ ihm aus, daß ich ihm ganz ebbes Wichtigs z’sagen hätt’. Er soll mich aufsuchen … je bälder, je lieber!“

„Sagen thu’ ich’s ihm schon.“ Der Mann lachte. „Ob ihm der Schnaps aber Urlaub giebt, das weiß ich net.“

„Versprich ihm halt, daß er bei mir heraußen auch sein Stamperl kriegt.“

„No, nachher kann’s sein, daß er kommt. Jch sag’s ihm, ja!“

Pepperl lüftete die Joppe, lachte spöttisch vor sich hin und spähte mit blitzenden Augen durch den Wald hinauf.

„Gelt, sag’s ihm fein g’wiß! Ich thu’ dir ein andersmal auch wieder ein’ G’fallen dafür!“

„Da wär’ ich schier neugierig, was d’ ihm z’sagen hast … weil’s dir gar so pressiert.“

„Na, na! Schau lieber, daß d’ heimkommst und den Postwagen net versaumst. Hast viel mit’kriegt vom Herrn Fürsten?“

„Schier gar nix, na … bloß ein Telegramm, das er g’schwind noch g’schrieben hat, g’rad’jetzt, wie er heim’kommen is.“

„No also, da mußt doppelt flinke Füß’ machen! B’hüt’ dich Gott!“

„B’hüt’ dich Gott auch!“

Während Pepperl seine Lederhose auf ihre „unterschichtige“ Trockenheit prüfte, wanderte der Bote davon.

Die Depesche, die er mit fort trug, war an den Grafen Sternfeldt adressiert und lautete:

„Erkundige dich, bitte, nach einem Maler Emmerich Petri, der vor zehn oder fünfzehn Jahren in München lebte. Jedes Wort, das du über ihn erfahren kannst, hat Interesse für mich.

Dank und herzlichen Gruß. Ich bin gesund und guter Dinge, wie ein Fisch in klarem Wasser. – Heinz.“

8.

Ein stiller Tag verging, an dem das Blau des Himmels gegen die Nebel kämpfte, welche überall aus der Luft herauswuchsen und sich wie graue Kappen über alle Zinnen der Berge stülpten.

Gegen Abend begann es zu regnen.

Förster Kluibenschädl war droben im Fürstenhaus zu Tisch geladen. Als er sich nach heiter verplaudertem Mahl von seinem Jagdherrn verabschiedete, erbat er sich Urlaub für den nächsten Tag. Neue Jagdsteige wären zu bauen, und da müßte die Zustimmung der weideberechtigten Gemeinde eingeholt werden.

„Sie gehen nach Leutasch?“ fragte der Fürst. „Wollen Sie mich nicht mitnehmen?“

„Wollen? Aber ich bitt’, Duhrlaucht … es wär’ mir ja die größte Ehr’ … eine solchene Begleitung. Aber ’s Wetter, mein’ ich, wird Mannderln machen. Und gar viel is in der Leutasch draußt’n net zum sehen …“

Ettingen lächelte.

„Na, na, es wär’ net der Müh’ wert drum, daß Duhrlaucht naß werden.“

„Ich hoffe, das Wetter bessert sich wieder bis morgen, und dann gehen wir.“ –

Der Wunsch des Fürsten erfüllte sich. Die halbe Nacht hindurch währte zwar das Strömen und Gießen, aber der Morgen brachte wieder klares Wetter, sonnig und dennoch kühl.

Auf zehn Uhr morgens war der Abmarsch nach Leutasch festgesetzt – für Pepperl ein triftiger Grund, schon um neun Uhr von der Frühbirsche heimzukehren. Denn wenn der Fürst das Jagdhaus verließ, hatte der Kammerdiener einen freien Tag vor sich – und da mußte ein Riegel vor die Thür der Sennhütte geschoben werden. Freilich war Pepperl mit „der da drunten“ für alle Ewigkeit „fertig“ – aber er hatte nun einmal die „Verantwortigung“ auf sich genommen, und solch eine Gewissenspflicht wirft ein ehrlicher Christenmensch nicht von sich ab, bevor er nicht sicher ist, daß ein anderer sie auf seine Schultern nimmt! Für diesen andern war ja bereits gesorgt!

„’Leicht kommt er schon heut’, der Brentlinger! Nachher bin ich’s endlich einmal los die verwünschte Sorg’, die! Bei so was hat man ja Tag und Nacht kein’ Ruh’ nimmer!“

Als Pepperl in die Hüttenstube trat, machte sich der Förster gerade wegfertig. Zuerst erstattete der Jäger seine Meldung über den Verlauf der Frühbirsche. Dann nahm er sein Hütlein ab und fragte demütig: „Gelten S’, Herr Förstner, heut’ därf ich mich schon ausschnaufen und daheimbleiben!“

„Ja, Bub, heut’ ruh’ dich aus. Hast ein Paar harte Tag’ hintereinander g’habt! No also, b’hüt’ dich Gott! Und laß dir d’ Ruh’ heut’ schmecken!“

„Ruh’? Ja! Da wird’s spuken!“ brummte Pepperl vor sich hin, während der Förster zum Fürstenhaus hinaufstieg. „Aber ich weiß schon, was ich thu’! Wenn ich mein’ Schmarren drunten hab’, hock’ ich mich mit’m G’heimnis vom Wohdekastl vors Hüttenthürl her! Den ganzen Tag! Da kommt mir nix aus!“

Eine Viertelstunde später wanderte Ettingen mit dem Förster über das Almfeld hinunter. Als sie an der Sennhütte vorübergingen, kam Burgi mit einem Schaff Wasser vom Brunnen und grüßte stumm, bevor sie in den Stall trat.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0107.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)