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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Der Ruhmestag von Eckernförde.

(Zu dem Bilde S. 213.)

In den schweren Kämpfen, welche die Schleswig-Holsteiner, von deutschen Bundestruppen unterstützt, vor fünfzig Jahren gegen Dänemark geführt haben, war der Sieg bei Eckernförde eine der denkwürdigsten Heldenthaten. Die Kunde, daß deutsche Landgeschütze den Angriff einer übermächtigen feindlichen Flotte siegreich abgewehrt und die besten Kriegsschiffe der Dänen kampfunfähig gemacht hatten, rief in der hochbewegten Zeit des Jahres 1849 allgemeinen Jubel hervor. Und heute, wo der Gedenktag jenes Sieges zum fünfzigsten Male wiedergekehrt ist, ehrt das deutsche Volk in dankbarem Gedächtnis die tapferen Helden, die für Deutschlands Einheit ihr Leben in die Schanze schlugen. –

Der Waffenstillstand von Malmö war abgelaufen und Anfang April 1849 rückten wieder das Bundesheer und die schleswig-holsteinischen Truppen gegen den Feind vor. Da erhielt ein Teil der dänischen Kriegsflotte unter Kapitän Hendrik Paludan den Befehl, einen Scheinangriff gegen Eckernförde zu unternehmen, um deutsche Truppen von der dänischen Grenze fortzuziehen. Die Bucht, an welcher das freundliche, damals etwa 4000 Einwohner zählende Fischerstädtchen Eckernförde liegt, war durch zwei Schanzen der Schleswig-Holsteiner geschützt. Die Nordschanze, die vom Artilleriehauptmann Jungmann kommandiert wurde, war mit zwei 24-Pfündern, zwei 18-Pfündern und zwei 84pfündigen Bombenkanonen ausgerüstet, während in der von dem Unteroffizier Theodor v. Preußer befehligten Südschanze vier 18-Pfünder aufgestellt waren. Auf unserm Bilde ist diese Schanze im Vordergrunde sichtbar.

Um 6 Uhr abends, am 4. April, meldete ein Alarmschuß von der Nordschanze das Nahen des Feindes, und kurz vor Sonnenuntergang sah man in dämmernder Ferne eine dänische Eskadre, welche, von Alsen kommend, sich vor der Bucht gesammelt hatte, in die Hafeneinfahrt hineinsteuern. Voran bewegte sich mit gerefften Marssegeln die Korvette „Galathea“, dann folgten das Linienschiff „Christian VIII“, die Fregatte „Gefion“ und zwei Dampfer. Später erschien noch der Kriegsdampfer „Geiser“ mit drei Jachten im Schlepp, auf welchen sich eine Kompagnie dänischer Infanterietruppen befand.

Deutscherseits wurden auf die Alarmnachricht von der zwischen Eckernförde und Kiel stehenden Reichs-Reservebrigade Infanterietruppen und eine nassauische Batterie mit 6 leichten Feldgeschützen nach der bedrohten Stelle geschickt.

Freundlich brach der 5. April – es war ein Gründonnerstag – an. Ein frischer Meeresduft ruhte auf Ufer und Strand. Um 6 Uhr setzte sich die feindliche Flotte in Bewegung; das Linienschiff wendete und kreuzte mit geschwellten Segeln nach der See zu, die „Gefion“ folgte. Schon hatten die seit 3 Uhr am Südufer der Bucht lagernden Bundestruppen enttäuscht den Rückmarsch angetreten. Da wendete 20 Minuten später das größte Orlogschiff, näherte sich im Bogen dem nördlichen Ufer und rauschte nun vollständig gefechtsklar heran; „Gefion“ und „Galathea“ sowie die fauchenden Kriegsdampfer „Hekla“ und „Geiser“ folgten weiter südwärts, während die drei Jachten am Hafeneingang kreuzten. So waren 180 dänische Kanonen und Mörser im Anrücken gegen 10 eiserne schleswig-holsteinische Vorderlader und 6 leichte nassauische Feldgeschütze. Aber die deutschen Kanoniere ließen trotz der erdrückenden Uebermacht nicht den Mut sinken. Jungmann und Preußer standen beim Einpassieren der Schiffe furchtlos auf der Brustwehr; ersterer rief dem Feinde mit gezogenem Säbel sein Hurra entgegen. Gegen 8 Uhr fiel von der linken Flanke der Nordschanze der erste Schuß auf das gewaltige dreideckige Linienschiff, worauf zwei Fuß unter Jungmann der Gegengruß des „Geiser“ einschlug. Der Geschützkampf begann. Die feindlichen Schiffe ließen ihre Kanonen mit furchtbarer Gewalt gegen die beiden Schanzen spielen und erschienen bis zu den höchsten von der Morgensonne beleuchteten Spieren und Bramraasegeln in blauschwarzen Qualm gehüllt.

Die deutschen Schanzen hatten unter dem Hagel der Geschosse schwer zu leiden. Die Brustwehren wurden zerstört, es gab Tote und Verwundete, und fünf Geschütze wurden demontiert, aber das Feuer ward mit Nachdruck erwidert, und namentlich der „Gefion“ arg zugesetzt, welche durch die eingehende Strömung ins Treiben kam und wiederholt der Länge nach von der Südschanze bestrichen wurde. Dabei nahm der Ostwind stetig zu und drängte die Schiffe der gefährlichen Küste immer näher. Der stiller werdenden Nordschanze kamen zwei der nassauischen Kanonen unter Oberleutnant Werren zu Hilfe. Bald waren die Dampfschiffe des Geschwaders „Hekla“ und „Geiser“ sowie die Korvette „Galathea“ genötigt, die Bucht zu verlassen, und nun sahen sich die beiden größten Schiffe der Dänen „Christian VIII“ mit 84 Kanonen und „Gefion“ mit 48 Kanonen von den beiden Schanzen wie von einer eisernen Zange gepackt. Gegen 10 Uhr brach in der Taukammer des „Christian“ ein Brand aus. Kapitän Paludan wollte jetzt das Gefecht abbrechen und signalisierte den Dampfer „Hekla“ heran, damit er das Linienschiff aus der Bucht herausbugsiere; dieser konnte jedoch die erwünschte Hilfe nicht leisten, da sein Steuer beschädigt war. Auch der Zustand der „Gefion“ verschlimmerte sich von Stunde zu Stunde, matter und matter wurde ihr Widerstand.

In dieser verzweifelten Lage ließ Kapitän Paludan die weiße Flagge hissen. Er sandte einen Parlamentär ans Ufer mit der Forderung, man solle ihm freien Abzug aus der Bucht gewähren, und drohte, im Falle der Weigerung die Stadt Eckernförde in Brand zu schießen. In dem zerschossenen Offiziershäuschen der Nordschanze wurde die ablehnende Antwort entworfen und darin die Beschießung der Stadt als ein Vandalismus bezeichnet, dessen Verantwortung Paludan zu tragen hätte.

So begann der Geschützkampf von neuem. Die 4 nassauischen Feldgeschütze, die sich unweit der Stadt aufgestellt hatten, unterstützten aufs wirksamste das Feuer der Südschanze, während die Nordschanze vor allem den „Hekla“ abhielt, damit er die Schiffe „Gefion“ und „Christian VIII“, die ihre Manöverfähigkeit verloren hatten, nicht aus der Bucht hinausbugsierte. Alle Bemühungen der Dänen, aus der eisernen Umklammerung der feindlichen Schanzen herauszukommen, waren vergeblich. Die „Gefion“ ergab sich zuerst, dann lief „Christian VIII“ auf den Strand, und um 6 Uhr sank vor den glühenden Kugeln der Südschanze und den Kartätschen und Vollkugeln der übrigen Geschütze endlich sein stolzer, so zäh verteidigter Danebrog.

Nun fuhr Preußer mit dem Boot des Parlamentärs nach dem Linienschiff, auf dem der Brand immer weiter um sich griff, und brachte von dort den Kommandeur-Kapitän Paludan ans Ufer, der am Strande dem Herzog Ernst II von Sachsen-Koburg und Gotha, dem Befehlshaber der Reservebrigade, seinen Degen übergab. Von den Höhen und von der Stadt strömte die jubelnde Volksmenge herbei. Preußer aber ging nochmals an Bord, um an der Rettung des Schiffes und Bergung der Verwundeten teilzunehmen. Vergebens, das Rettungswerk sollte ihm nicht mehr gelingen! Auf der Föhrde war es schon dunkel geworden. Da wurde um 8 Uhr die Finsternis plötzlich taghell erleuchtet. Aus allen Luken des stolzen Orlogschiffs brachen Feuergarben hervor, auf dem Deck explodierten Pulverkarren und -Fässer, Kanonen donnerten über die Bucht. Der größere obere Teil des Kolossalschiffes löste sich samt den Masten der Länge nach ab und sauste, unter einem gewaltigen, betäubenden Knall, der die Erde weithin erschütterte, in unzählige Trümmer und Fetzen zerspringend, in die Lüfte empor. Hoch oben verbreiterte sich die riesige Feuergarbe, aus welcher viele blaue Leuchtkugeln, krepierende Granaten und sprühende Funken hervorzuckten, und streute einen Regen von Trümmern nach allen Seiten aus. Leider fand bei dieser Katastrophe auch der tapfere Theodor v. Preußer den Tod, mit ihm ein Fischer und über hundert Dänen.

Vor fünfzig Jahren konnten die Schleswig-Holsteiner die Früchte ihres Opfermutes nicht ernten; aber vergeblich hatten die Tapferen ihr Blut nicht vergossen. In späteren Kriegen wurde Deutschlands Einheit erstritten, und heute feiern die Söhne der meerumschlungenen Lande den Gedenktag ihrer ruhmreichen Kämpfe, mit dem alten Stammlande auf ewig vereint.

C. Voß-Kiel.     
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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 212. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0212.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2020)