Seite:Die Gartenlaube (1899) 0228 d.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Inhalt.
Seite
Das Schweigen im Walde. Roman von Ludwig Ganghofer (7. Fortsetzung) 229
Müthchen. Bilder aus dem Kinderleben. Von Anna Ritter. I. 242
Nixdorf, Preußens jüngste Stadt. Von Gundakkar Klaussen 246
Die Komödie des Todes. Eine Dorfgeschichte aus Steiermark von Peter Rosegger (Schluß) 248
Allerlei moderne Drachen. Von W. Berdrow 251
Bilder aus den „Höhlenlabyrinthen“. Von E. Wrbata.
Mit photographischen Aufnahmen der Höhlen
253
Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit.
Gründungen auf Schlamm und Sand. Von W. Berdrow
255
Blütentage in Florenz. Von Isolde Kurz 255
Blätter und Blüten: Klaus Groth in seinem Arbeitszimmer. (Zu dem Bilde S. 237.) S. 259. – Die letzte Zuflucht. (Zu dem Bilde S. 232 und 233.) S. 259. – Ein Gericht bei den Helvetiern. (Zu dem Bilde S. 241.) S. 259. – Kamelgespann am Pflug in Algerien. (Mit Abbildung.) S. 259. – Sonntagnachmittag im Dekansgarten. (Zu dem Bilde S. 245.) S. 259. – Der Kaiserturm auf dem Karlsberg im Grunewald bei Berlin. (Mit Abbildung.) S. 260. – Hinterbärenbad in Tirol. Von J. C. Platter. (Zu dem Bilde S. 249.) S. 260. – Balzender Auerhahn. (Zu dem Bilde S. 257.) S. 260. – Ueber den Einfluß verschieden gefärbten Lichtes. S. 260.
Illustrationen: Ein frischer Trunk. Von A. Eckardt. S. 229. – Letzte Zuflucht. Von J. v. Jaroszinsky. S. 232 und 233. – Klaus Groth in seinem Arbeitszimmer. Von Ismael Gentz. S. 237. – Ein Gericht bei den Helvetiern. Von E. Ravel. S. 241. – Sonntagnachmittag im Dekansgarten. Von Paul Hey. S. 245. – Hinterbärenbad in Tirol vor dem Brande. S. 249. – Abbildungen zu dem Artikel „Allerlei moderne Drachen“. Der Nikelsche Registrierdrache. Doppelflächenflugmaschine von Herring. Gleitflugdrache von Chanute. S. 252. – „Bilder aus den ‚Höhlenlabyrinthen‘“. Fig. 1 bis 5. S. 253. 254. – Initiale zu dem Artikel „Blütentage in Florenz^. S. 255. – Balzender Auerhahn. Von O. Recknagel. S. 257. – Kamelgespann am Pflug in Algerien. Von R. Mahn. S. 259. – Der Kaiserturm auf dem Karlsberg im Grunewald bei Berlin. S. 260.


Hierzu Kunstbeilage VII: „Studienkopf“. Von F. Zenisek.



Kleine Mitteilungen.


Ludwig Bamberger †. Immer mehr lichten sich die Reihen der Männer, die vor einem halben Jahrhundert für das Ideal der deutschen Einheit stritten und litten und denen es dann vergönnt war, an dem Ausbau des neuen Reiches freudig und kraftvoll mitzuwirken. Nun ist auch Ludwig Bamberger am 14. März d. J. in Berlin vom Tode dahingerafft worden. Jahrzehntelang stand er im Vordergrunde unserer politischen Kämpfe, und so teilte er das naturgemäße Los aller Politiker, daß seinen Anschauungen und Handlungen die allgemeine Anerkennung nicht zu teil wurde. Wohl aber erkannten von jeher auch die Gegner sein lauteres Streben, dem Vaterlande zu dienen, und seine glänzende Begabung für die Laufbahn eines Parlamentariers und politischen Schriftstellers.

Ludwig Bamberger wurde am 22. Juli 1823 in Mainz geboren. Er studierte die Rechte, arbeitete bei den Gerichten in Mainz und wurde Redakteur der „Mainzer Zeitung“. An der Bewegung von 1848 nahm er thätigen Anteil und schloß sich 1849 den Freischärlern in der Bayrischen Pfalz und in Baden an. Er wurde von der siegreichen Reaktion zum Tode verurteilt und floh ins Ausland. Nach vorübergehendem Aufenthalt in der Schweiz, in England, Belgien und Holland wandte er sich nach Paris, wo er bis zum Jahre 1866 ein großes Bankhaus leitete. Als im Jahre 1866 die Amnestie ihm die Rückkehr in die Heimat ermöglichte, siedelte er nach seiner Vaterstadt Mainz über und wurde im Jahre 1868 in das Zollparlament gewählt. Während des deutsch-französischen Krieges berief ihn Fürst Bismarck nach dem Hauptquartier, und von hier aus wirkte Bamberger in erfolgreichster Weise als Publizist für die nationale Idee. Im Jahre 1871 wurde er in den Deutschen Reichstag gewählt und schloß sich der nationalliberalen Partei an. Bedeutend war sein Einfluß namentlich in volkswirtschaftlichen Fragen. Im Laufe der Zeit geriet er jedoch mehr und mehr in Widerspruch zu der inneren Politik des Fürsten Bismarck. 1881 schied er aus der nationalliberalen Partei und bildete die sogenannte „sezessionistische Gruppe“, später wurde er Mitglied der deutsch-freisinnigen Partei und zuletzt der freisinnigen Vereinigung. Seit 1893 hat er kein Mandat mehr angenommen, wirkte aber weiterhin schriftstellerisch im politischen Leben Deutschlands. Seine letzte Arbeit war eine beachtenswerte Schrift über Bismarcks „Gedanken und Erinnerungen“.

Künstliche Kälteabarten von Pflanzen und Tieren. Hoch oben auf den Bergen und hoch oben im Norden sehen viele Tier- und Pflanzenarten anders aus als in der Ebene oder in südlicheren Gegenden. Diese nordischen Abarten und Höhenformen sind, wie die Wissenschaft lehrt, im Laufe langer Zeiträume unter dem Einfluß einer fortschreitenden Veränderung des Klimas entstanden.

In der Neuzeit haben die Naturforscher versucht, diese Einflüsse näher zu ergründen und durch Veränderung der Lebensbedingungen neue Abarten von Pflanzen und Tieren zu erzeugen. Die Lösung dieser Aufgabe ist nicht leicht, denn solche Aenderungen in der Tier- und Pflanzenwelt vollziehen sich äußerst langsam. Immerhin sind neuerdings einige Beobachtungen und Versuche gelungen, die uns einen Einblick in die Art und Weise gewähren, wie durch den Einfluß der Kälte neue Pflanzen- und Tierformen erzeugt werden. Daß schon die Temperatur allein imstande ist, Formenänderungen bei Pflanzen herbeizuführen, haben schon vor mehreren Jahren zwei Forscher, Ettingshausen und Krašan, nachgewiesen. Sie stellten nämlich in der Form der Blätter einzelner Eichen und Buchen Verschiedenheiten fest, die auf die gewöhnliche Art durch Lichtmangel sich nicht erklären ließen. Durch Zufall kamen die Forscher dahinter, daß diese Bäume, gerade als ihre Blattknospen im Aufbrechen begriffen waren, stark unter Frost gelitten hatten. Sie beobachteten weiter und fanden ihre Ansicht, daß diese so veränderten Blätter Frostformen darstellten, bestätigt. Und als sie nun diese Frostformen mit vorweltlichen Eichen- und Buchenblättern aus dem Tertiär verglichen, zeigte es sich, daß sie mit letzteren übereinstimmten. Hier hatte die Kälte also an Eichen und Buchen besondere Abarten von Blättern erzeugt, die selbst das Auge dieser Forscher nicht mehr ohne weiteres als Eichen- oder Buchenblätter erkennen konnte, und die sie atavistische oder Rückschlagsformen nannten.

Ueber den Einfluß der Kälte auf die Gestaltung der Tiere haben jüngst amerikanische Blätter berichtet. Man hatte dort in die großen Höhleneiskeller einzelner Brauereien zur Vertreibung der daselbst in Unmasse hausenden Mäuse Katzen eingesetzt. Diese Katzen hätten nun schon nach kurzer Zeit, infolge der in den Kellern herrschenden Kälte, trotzdem draußen Sommer und die Zeit zur Anlegung des Winterpelzes noch gar nicht gekommen gewesen sei, ihr Winterkleid angezogen und überhaupt nicht wieder abgelegt. Und siehe da, auch die jungen, in den Eiskellern geborenen Kätzchen seien gleich mit Winterpelzen auf die Welt gekommen. Man habe nun, einmal aufmerksam geworden, auch die Mäuse daraufhin untersucht und gefunden, daß auch diese ein viel dichteres und dunkleres Fell hatten als ihre Brüder und Schwestern draußen und daß auch die jungen Mäuse gleich mit einem solchen veränderten Fell geboren wurden. Diese Berichte sind jedoch wissenschaftlich nicht verbürgt und müssen darum mit aller Vorsicht aufgenommen werden.

Ueber jeden Zweifel erhaben sind aber die Untersuchungsresultate einer Anzahl von Entomologen, denen es thatsächlich gelungen ist, künstliche Kälteabarten von Schmetterlingen zu erzeugen. Wir wollen hier nur die Arbeiten Dr. Fickerts erörtern. Seine Untersuchungen knüpften an die Thatsache an, daß die verschiedenen Jahresgenerationen mancher Schmetterlingsarten verschiedene Kleider tragen, je nachdem ihre Puppen überwintert haben oder nicht. Indem er nun Sommerpuppen in einem Eisschrank oder Eiskeller aufbewahrte und zum Auskriechen brachte, gelang es ihm auf diese Weise eine Form zu erzielen, die derjenigen gleich oder doch ähnlich war, welche gewöhnlich aus den überwinterten Puppen auszuschlüpfen pflegt. Später wurden diesen Versuchen auch Schmetterlinge unterworfen, welche keine nach den Jahreszeiten verschiedene Abarten zeigen, so unser gewöhnliches Pfauenauge, und auch bei diesen wurden Veränderungen in der Färbung, namentlich Verdüsterungen und Rückbildung der Augenflecke, erzielt. Noch vorteilhafter aber erwies es sich, die Puppen, anstatt einer Eisschranktemperatur von 1 bis 3° über 0, wirklichen Kältegraden bis zu 20° unter 0 auszusetzen, denn dadurch erhielt Fickert bei dem „Kleinen“ und „Großen Fuchs“, dem „Trauermantel“ und dem „Pfauenauge“ Abarten, welche in der freien Natur nur höchst selten vorkommen.

Als möglichst frische, 1 bis 2 Tage alte Puppen in einem kleinen Zinkkasten der Einwirkung einer täglich erneuerten Kältemischung von Eis und Salz eine Woche lang ausgesetzt wurden, erhielt man vom Kleinen Fuchs neben einer Anzahl normaler Tiere auch verschiedene Abarten, darunter vier Stück einer neuen, bisher völlig unbekannten, bei welcher die Hinterflügel bis auf geringe Spuren gelblicher Randflecke ganz braunschwarz gefärbt sind. Auf die gleiche Art und Weise gelang es, vom „Braunen Bär“ eine neue prachtvolle Abart zu erhalten, mit fast ganz einfarbigen, chokoladebraunen Vorderflügeln und schwarzen, nur am inneren Viertel mennigrot behaarten Hinterflügeln; auch der Hinterleib war, bis auf die beiden ersten Hinterleibsringe, oben braun-schwarz gefärbt.

Während nun aber nach Ettingshausen und Krašan die Kälteabarten der Eichen- und Buchenblätter einen Rückschlag auf frühere Formen vorstellen, ist dies nach der Ansicht Fickerts bei den Kalteabarten von Schmetterlingen nicht der Fall, weil „die Beobachtung der Farbenentwicklung in den Puppen und die Untersuchung der Stammesentwicklung durch Vergleichung fertiger Formen zeigt, daß das Zusammenfließen von Flecken und das Einfarbigwerden, wie die Kälteformen es zeigen, stets einen Fortschritt bedeutet“.

Es bleibt nun noch übrig, zu versuchen, Kälteabarten zur Paarung zu bringen und die aus deren Eiern ausschlüpfenden Raupen zu Schmetterlingen aufzuziehen, um zu sehen, ob die neuerworbenen Kennzeichen auch vererbt werden. Dr. –dt.     


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 228_d. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0228_d.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2020)