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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Fig. 4. Künstliche Höhle in Matzendorf.


können. Pfarrer Lampert Karner benannte auch derartige Kammern „Beratungskammern“. Interessant ist der Umstand, daß sich jede dieser Kammern immer am Ende des ganzen Höhlensystemes befindet, und daß der Zugang zu denselben möglichst schwierig und für den unberufenen Besucher verwirrend gestaltet wurde.

Unsere Abbildung Fig. 5 zeigt eine Beratungskammer der künstlichen Höhle in Reichering, Oberösterreich; man sieht sowohl rechts als links einen horizontalen Schlurfgang (1 m lang), deren jeder, wie ich weiter bemerken will, im rechten Winkel umbiegend als senkrechter Schacht (1,50 m lang) aufwärts geht, um wiederum als horizontaler Gang weiterzuführen. In der Mitte der Kammer (erkenntlich durch die davorstehende Kerze) befindet sich nun ein dritter Eingang, welcher, aus einem kreisrunden senkrechten Kamin (1,50 m Durchmesser, 4 m Höhe) kommend, den unbequemsten Eingang zur Beratungskammer bildet, da die Besucher auf Leitern hinabsteigen oder sich mit Seilen hinablassen mußten.

Die meisten der Höhlen sind jetzt mehr oder weniger zerfallen, oftmals mit großen Sprüngen in der Decke, ja in manchen Fällen sperrt ein großer Herabgefallener Erdklotz den Weg ab.

Unstreitig schön zu nennen sind die Höhlen in Erdberg in Mähren. Ich habe nirgends so regelmäßig gearbeitete Gänge und Kammern vorgefunden wie hier. Vom Keller eines Bauern gelangt man zu dem spitzbogenförmigen Eingang, welcher, sich immer mehr verengend, zu dem Höhlensystem in die Tiefe hinunterführt.


Fig. 5. Künstliche Höhle in Reichering: Beratungskammer.


Hat man den etwa 20 m langen Gang durchkochen, so gelangt man zu zwei sich gegenüberliegenden Kammern, deren Anblick für den an schmucklose Kammern und Gänge gewöhnten „Höhlenforscher“ eine Ueberraschung bilden. Die eine der Kammern entpuppte sich als eine kleine rundellförmig angelegte Beratungskammer (Figur 1).

Leider konnte ich, infolge der kurzen Aufstelldistanz, nur die Hälfte dieser Kammer photographieren. Doch glaube ich, daß der Beschauer dieses Bildes ersieht, daß es sich um ein nach oben spitz zusammenlaufendes Rundell handelt, welches im Kreise mit acht ovalförmigen Sitznischen versehen ist, von denen man in der vorliegenden Darstellung nur vier sehen kann.

Der Durchmesser der Kammer beträgt 1,50 m und die Höhe 2,20 m. In den Sitznischen findet ein Mann gerade Platz. Der auffällige, schräg über die Sitznischen laufende Streifen wird durch eine dunklere Färbung des Erdreiches hervorgerufen.

Gegenüber diesem Rundell befindet sich eine besonders schöne und merkwürdige Kammer. Ist man durch den schmalen Eingang in diese Höhle gekrochen, so sieht man eine große Kammer, an der linken Seite durch vier schöne Säulen geziert, welche vollkommen freistehend aus dem hellgelben Lehm herausgearbeitet sind. Diese ganz eigenartige Kammer hatte ursprünglich eine Höhe von 2,70 m, der Boden derselben ist jedoch durch angeschlämmtes Erdreich um etwa einen Meter erhöht.

Pfarrer Lambert Karner meint, daß diese Kammer einem ganz besonderen religiösen Zwecke gedient haben müßte und daß sie deshalb eine so auffallende, von der sonstigen Einfachheit der Höhlen abstechende Ausschmückung erfahren hat. Wenn man bedenkt, daß infolge der engen Beschaffenheit der Eingänge das Erdmaterial in Säcken oder Körben hinausgeschafft werden mußte, so kann man diese „wühlenden“ Menschen geradezu bewundern, welche diese Räume unter solchen Schwierigkeiten geschaffen haben.

Zum Schlüsse will ich noch einiges über die Herstellung der photographischen Aufnahmen bemerken. Ein Stativ konnte in den wenigsten Fällen verwendet werden, da der Raum, wie schon gesagt, immer zu klein und zu eng war, so daß ich oft kaum wußte, wo ich die nötige Entfernung zwischen dem Apparat und dem zu photographierenden Teil der Höhle gewinnen sollte. In den meisten Fällen stellte ich den Apparat auf ein bis zwei mitgebrachte Ziegelsteine oder direkt auf den Erdboden. Doch war dies verhältnismäßig noch einfach, während die Anbringung des lichterzeugenden Magnesiumpulvers sich schwieriger gestaltete. Das Magnesiumpulver, welches, mit übermangansaurem Kali gemischt (Verhältnis 4:5), blitzartig abbrennt, wurde zur gleichmäßigen Erhellung des Raumes neben – hinter – oder über dem Apparate angebracht und mittels Salpeterlunten entzündet.

Bei der Explosion erzeugt das Magnesiumpulver in der kurzen Zeit von 1/30 Sekunde ein grelles weißes Licht, genügend hell, um auf der photographischen Platte ein Bild zu erzeugen. Leider entwickelte das Pulver nach erfolgter Entzündung solch einen dichten weißen Rauch, daß bei den Höhlenaufnahmen das Abholen des Apparates nur wenige Sekunden Zeit in Anspruch nehmen durfte und ich nur durch einen mit Essig getränkten, vor den Mund gehaltenen Schwamm vor Erstickungsgefahr mich bewahren konnte.


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0254.jpg&oldid=- (Version vom 30.5.2017)