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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Lauenstein in einsamer Höhe, herrschend über die Hütten des Dorfes. Ihrer Zinnen Zier, Türme, Söller, Erker und die langen Fensterreihen des gewaltigen Baues schauen in die Tiefe und Ferne, über wogende Wälder zu blauumdufteten Höhen, thalauf und -ab, auf träumende Bergmatten und den schäumenden Bach zwischen den Felscoulissen.

Burg Lauenstein.

Und durchstreift man die Tannenwälder rings, zieht über die freien Höhen: allüberall taucht als ein Wahrzeichen dieser Landschaft Burg Lauenstein auf und lockt uns wieder magnetisch in ihren Bann.

Auf dem Burgwall, hart an der äußeren Burgmauer, steht ein altes Amtshaus, heute traulich ausgestattet. Der neue Schloßherr hat es in ein angenehmes Gasthaus mit Pension umgewandelt und ihm den schönen Namen „Burgfried zum Lauenstein“ gegeben. Ein idealer Aufenthalt ohne Kellnerfracks und Hoteltreiben. Wer hoch über der ruhelos hastenden Welt, umweht von herbstischer Bergluft, Frieden und Schönheit gleichzeitig genießen will, der sollte hier vor Anker gehen. Leib und Seele müssen hier gesunden. – –

Burg Lauenstein schaut in wenigen Jahren auf eine tausendjährige Vergangenheit zurück.

Als die Sorben (Wenden) aus den Niederungen der mittleren Elbe immer kühner und energischer gegen den Thüringer Wald vordrängten und Thüringer wie Franken teilweise sogar bis über den Kamm desselben zur Werra scheuchten, da begann man längs der Saale steinerne Festen aufzurichten, die unholden Gäste zurückzuweisen. So entstand auch an der Loqnitz Burg Lauenstein.

Eingang zur Burg.

Mutmaßlich im Jahre 915 ließ Kaiser Konrad I sie aufbauen. Aus jenen frühen Tagen ist freilich nicht mehr allzuviel vorhanden. Ein nach Süden vorspringendes Thor, starke Mauerreste, sowie der 4 m hohe Stumpf eines gewaltigen Burgfrieds – das ist alles. Sehr charakteristisch für diese frühe Bauzeit ist die schräg aufstrebende Mauerung der unbearbeiteten Feldsteine, die man als ährenformig bezeichnen konnte.

Mit der Burg wurde sehr früh das hochangesehene, besonders in Südthüringen mächtig angesessene Grafengeschlecht der Henneberger belehnt. Das dazu gehörige Gebiet bildete späterhin eine eigene Grafschaft Lauenstein. Alte Chroniken erzählen, daß im Jahre 945 Graf Popo I von Henneberg starb und sein irdisch Teil von der Burg hinab nach Ludwigstadt übergeführt und in der dortigen Marienkapelle beigesetzt wurde. Diese Kapelle, ein Rundbau aus unbehauenen Steinen, steht noch heute völlig erhalten, dient aber seit Jahren einem wackeren Meister als – Hufschmiede.

Allzulange saßen übrigens die Henneberger nicht auf der Mantelburg. Ihnen folgten die Grafen von Orlamünde, die sich in drei Hauptzweige teilten: Orlamünde a. d. Saale, Lauenstein und Plassenburg bei Kulmbach. Unter ihrer Herrschaft scheint die Burg erst den Namen Lauenstein empfangen zu haben. Denn die Orlamünder führten den Löwen als Wappentier, und Lauenstein ist nur eine Umschmelzung des Wortes Löwenstein.

Graf Wilhelm von Orlamünde war es, der mit reichem Gefolge im Jahre 1002 dem Kaiser Heinrich II entgegenzog und ihn dann feierlich hinauf zum Lauenstein geleitete. Dort hat der Kaiser einige Zeit anscheinend vergnüglich gewohnt, denn zum Dank überhäufte er den Schloßherrn und seine Nachfolger mit vielen Gnadenbeweisen, vor allem enthob er sie des jährlichen Tributs, den die Henneberger noch hatten entrichten müssen.

Aber die Orlamünder haben im allgemeinen diese kaiserliche Huld nicht schön belohnt. Dem Zuge und Geschmack der Zeit folgend, warfen sie sich auf das einträgliche und amüsante Geschäft der Wegelagerei, überfielen die Kaufleute drunten im Thale und sengten und raubten rings in den Dörfern. Als daher Kaiser Rudolf von Habsburg 1290 auf Wunsch seiner getreuen Erfurter, bei denen er ein Jahr lang geweilt hatte, eine Liste all der Raubfesten aufstellen ließ, welche man zu züchtigen habe, da ward auch Burg Lauenstein draufgesetzt. Kaiserliche und Erfurter rückten im genannten Jahre vor die Burg und legten sie in Trümmer.

Sie ist dann notdürftig wieder ausgeflickt worden, bis endlich 1390 Otto VI sie neu aufführen ließ. Der sogenannte Orlamünder Flügel legt heute noch Zeugnis davon ab. 1400 starb der Wiedererbauer und ward in Ludwigstadt begraben, wo man in der St. Michaeliskirche seinen wohlerhaltenen Grabstein schauen kann, der ihn in voller Lebensgröße darstellt.

Derselbe Orlamünder hatte eine Tochter, Katharina Elisabeth, deren Andenken noch heute im Gemüt des abergläubischen Volkes nicht erloschen ist. Denn sie ist die „weiße Frau“, welche der Sage nach den Hohenzollern den Tod ihrer Regenten vorher anzeigt.[1]

Katharina war jung und schön, als sie ihren Vetter von Orlamünde-Plassenburg heiratete. Dieser Ehe entsprangen zwei Kinder. Leider starb ihr Gemahl bald danach. Katharina,

  1. Nach anderen Ueberlieferungen soll die „weiße Frau“ Agnes, eine geborene Herzogin von Meran, gewesen sein, die einen Grafen von Orlamünde heiratete und nach seinem Tode mit ihren Kindern auf die Plassenburg zog. Vgl. „Gartenlaube“, Jahrg. 1896, S. 505.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0277.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)