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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

(Stuttgart, Cotta 1874)“ erschien, hat mancher gefragt, ob denn die Frau dieses vortrefflich geschriebene, nach Inhalt, Anordnung und Form ausgezeichnete Buch allein, ohne die Beihilfe eines im Bücherschreiben Geübten, verfaßt habe. Die ihre Briefe kannten, hatten keinen Grund es zu bezweifeln. Heute können wir es öffentlich beweisen, da uns vergönnt ist, aus einem von Emilie Uhland durch dreißig Jahre geführten Tagebuch Mitteilungen zu machen, die gleich sehr die verehrungswürdige Schreiberin, wie ihren Gatten und eine mit ihm durchlebte, von ihr beschriebene bedeutsame Zeit, die Jahre 1848 und 1849, zu kennzeichnen geeignet sind. –

1848. März 6. Welche Zeit der Aufregung! Wenn mein Uhland in der Adresse, zu der er aufgefordert wurde, sagt: ein Sturm ist in unsere Zeit gefahren, so ist dies wahr bis in das Innerste unseres stillen Hauswesens. Wie ist er, der sonst so gerne sich in seine Studien vertieft, nun hingenommen durch die gewaltigen Zeitverhältnisse! Menschen und Dinge dringen auf ihn ein und ziehen ihn aufs neue in die Kreise des öffentlichen Lebens. Geht es doch auch mir kaum anders, freilich leisten kann ich nichts, aber erregt und hingenommen durch die sich stündlich drängenden Ereignisse bin auch ich.

8. Freund Pfizer (Paul Pfizer, 1801–67) war heute bei uns, um sich mit Uhland darüber zu berathen, ob sie in die Kammer treten müssen. Staffette, daß er mit Duvernoy (1802 bis 1890) ins Ministerium treten soll. (Märzministerium: Römer, Duvernoy, Goppelt etc. – abgetreten 28. Oktober 1849.)

19. Der König hat meinen Mann zu sich beschieden und ihn beauftragt, in Frankfurt beim Bundestage mit zu berathen. Das hätte er sich nicht gedacht, als er ihn vor 15 Jahren in Ungnade entlassen hat, daß er ihm einst noch danken werde, daß er eine Sendung von ihm übernehmen wolle. Mein guter Mann, der sich so gern in seine Studien vertieft hat, wird nun so ganz gegen seine Neigung wieder in die politische Laufbahn gezogen. Er dauert mich, ich bin aber auch überzeugt, daß er sich nicht entziehen darf …

1. April. Trotz der jungen Gäste, die mir die Trennung von Uhland (der am 27. März nach Frankfurt abgereist ist) erleichtern, ist mir doch oft recht schwer zu Muthe. Kann es ihnen gelingen, den vereinten Männern in Frankfurt, ein freies einiges Deutschland aufzubauen … ? Ich fürchte mehr als ich hoffe.

19. Seit 8 Tagen bin auch ich in Frankfurt. Ich war recht innig froh, als Uhland mich zu sich beschied, denn so schwer wie diesmal wurde mir die Trennung von ihm noch nie. Wenn er sonst allein auf Reisen war, wußte ich ihn zufrieden im Verfolgen seiner friedlichen litterarischen Zwecke, und das tröstete mich; dießmal aber wußte ich ihn im Streit und Drang des öffentlichen Lebens, da verlangte mich bei ihm zu sein. Nachdem wir hier in Frankfurt noch einige Tage bei Frau Mappes gewohnt hatten, haben wir eine kleine Mietswohnung (Kleine Hochstraße 6) bezogen. Es ist dabei nicht ganz ohne Selbstüberwindung von meiner Seite abgegangen. Ich hätte eine in einer lebhafteren Straße und mit etwas eleganterer Einrichtung vorgezogen, Uhland dagegen wünschte mehr die jetzt bezogene, da er sich nach Stille sehnte; auch ist ihm der Mangel aller Eleganz nicht fühlbar, da er für den äußeren Schein gar keinen Sinn hat. So geht es auch mit dem Mittagstisch. In der Regel essen wir bei einem Restaurateur, nun ist es wahr, alles ist gut und auch anständig dort, doch regt sich immer wieder der Hochmuthsgeist in mir, ob auch der Ort für mich passe? Im Gasthof essen mag Uhland nicht, zu Hause allein essen mag ich nicht, so gehe ich denn eben mit ihm in die Restauration und dämpfe die Menschenfurcht in mir, die immer fragen will: Qu’en dira-t-on? Den Verhandlungen der Fünfziger anzuwohnen ist mir sehr interessant. Ich sähe meinen Mann lieber unter ihnen sitzen, als im Bundespalais, obgleich Uhland immer mehr den Muth gewinnt, daß sein Dortsein nicht ohne Einfluß sei. Wie sich alles noch gestalten wird? Die neue Zeit will mir immer noch wie ein Traum erscheinen. Daß Männer aus dem Volk und nicht die alten Machthaber die Staatszügel führen sollen, ist für uns lenksame Deutsche eine so neue Erscheinung!

28. April. Badische Revolution. Ich habe dießmal den Geburtstag meines Mannes mit banger Seele gefeiert, wie wird das nächste Jahr uns finden? In den letzten Tagen waren die Parlamentswahlen, ist wohl Uhland gewählt? (Er war es, für Tübingen und die Nachbarbezirke, fast einstimmig.) Welche ernste Aufgabe liegt vor ihm, und doch darf er sich ihr nicht entziehen, das weiß ich wohl.

19. Mai. Gestern war die Eröffnung des Parlaments. Es war mir recht feierlich zu Muthe, als ich die Männer unter dem Geläute der Glocken vom Römer in die Paulskirche ziehen sah, meinen Uhland unter ihnen. Dann aber gleich das kleinliche Gezänke um Geschäftsformen. Tief sank da mein Muth. Arme Männer, denen es ein heiliger Ernst ist, wie viele Geduld werdet ihr üben müssen all dem vorlauten Geschwätze gegenüber!

3. Juni. Unser Freund Pfizer ist in schweren Tiefsinn versunken. (Mußte aus dem Parlament und Ministerium austreten.)

22. Juni. Ich werde durch die verschiedenen Reden – Wahl eines Reichsverwesers – hin und her gezogen in meinem Sinn und kann mir keine feste Ansicht bilden. Oft möchte ich Uhland und mich hinwegwünschen in unseren friedlichen Garten, in anderen Augenblicken bin ich wieder freudig und stolz, daß er in der Versammlung sitzt, ja ich bin zufrieden, daß er dort nicht mehr an der Spitze der Berathung steht, daß sein bescheidener Sinn sich zurückzieht und keinen Einfluß auf andere sucht.

29. Erzherzog Johann gewählt. Es war mir schmerzlich, daß Uhland nicht für ihn gestimmt hat. Doch weiß ich ja, daß die redlichste Ueberzeugung ihn bei seiner Abstimmung geleitet hat. –

4. September. Schmählicher Waffenstillstand mit Dänemark.… Armes Deutschland, deine Einheit war nur ein schöner Traum, von allen Seiten und aus deinem eigenen Innern steigen die Feinde auf! Werden die Beschlüsse, die das Parlament faßt, anerkannt werden und wenn nicht, was wird dann geschehen? Wie viel muthiger sind doch die Männer als ich!

Septemberunruhen.… Lichnowsky und Auerswald.… Wie wird dieser Tag ausgebeutet werden von der Majorität der Versammlung! Und welch Unglück für Männer wie Uhland, der Ueberzeugung zuliebe mit dieser äußersten Linken oft zusammenstehen und stimmen zu müssen!

…. Um Goethes Denkmal stehen die Pferde unseres württembergischen Reiterregiments geschart, die Reiter werden das Bildniß für einen alten König halten. Was würde Er zu allem denken?

29. Oktober. Seit 3 Tagen Berathung, ob Oesterreich Theil des Deutschen Bundes bleiben soll.…. Bei dieser Berathung habe ich auch zum ersten Male meinen Uhland im Parlament sprechen hören; seine Worte haben als Ausdruck seiner Ueberzeugung auch Eindruck auf die Gemüter gemacht.

1849. Januar 16. Immer noch in Frankfurt! Und die Hoffnung, daß all das Mühen und Ringen einen glücklichen Erfolg haben werde, wird immer geringer.…. Oesterreich nun doch ausgeschlossen.…. So wird nun wohl auch das erbliche Oberhaupt angenommen werden. Armer Uhland, wie hast du vergeblich zu kämpfen und dabei die Unlust, daß so viele deiner Mitstreiter deiner nicht werth sind! Es betrübt mich oft ganz, daß er und die äußerste Linke, die mir ihrem Wesen nach so ganz mißfällt, weil sie mir so oft roh und knabenhaft, ohne Wahrhaftigkeit und ohne echte Vaterlandsliebe erscheint, zusammen genannt werden. Wohl sind auch viele wohlmeinende und brave Männer unter dieser Partei, da sie sich aber eben deshalb nicht so breit machen wie die Herren …., so werden sie nicht genannt. Doch auch dieses Zusammensein mit manchem Unkraut, manchem weniger lauteren Charakter, ist ein Opfer, das nun einmal Uhlands politische Ueberzeugung von ihm fordert. Wäre er auf der rechten Seite, so würden mir ja auch vieler Namen nicht gefallen, mit denen er gehen müßte. Sein lieber Name wird doch nicht befleckt, er folgt ja nicht der Partei, er folgt dem Panier, dem er sein Leben lang gedient. „Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst“ ist immer noch wahr!

19. Jan. Beschluß, daß einer der regierenden Fürsten zum Oberhaupt gewählt werden soll. Am 22. begann der Kampf aufs neue, über die Erblichkeit. Auch Uhland sprach dießmal, was mir erwünscht war, nicht sowohl, weil ich eine Hoffnung gehegt, er werde jemand für seine Ansicht gewinnen, das ist kaum mehr zu erwarten, aber es war mir von Werth, daß er in einer so hochwichtigen, folgeschweren Sache die Gründe seines Abstimmens öffentlich aussprechen könne um der Freunde und um der Zukunft willen.. Während der Abstimmungen wurde es mir oft auch bange, ob Uhland wohl auch die richtige Ansicht habe, ob nicht die Erwählung des Königs von Preußen doch der einzige Weg zum Heile für Deutschland sei? Uhland aber ist

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 319. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0319.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2020)