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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

getrost und fest in seiner Ansicht. Ach, ich wäre ein schlechter Abgeordneter, hin und her geweht von jedem Winde der Meinung! ..

In der ersten Hälfte des Februars war ich auf Besuch in der Heimath. Wie hat es mich geschmerzt zu sehen, daß Uhlands politische Ansicht und Thätigkeit so wenig Billigung bei Verwandten und Freunden findet! Das ist ein bitteres Erkennen für mich, ungeachtet ich von früher her daran gewöhnt sein könnte. Das zwar kann ich mir nicht verbergen, daß die Zeitereignisse, die so manchen Mann zur Rechten hinübergeführt, meinen Uhland einen Schritt weiter links gebracht haben; er hat den Glauben an die constitutionelle Regierungsform verloren und steht damit den Republikanern näher als früher. Dadurch wird er auch in seinen Abstimmungen geleitet; ob die Erweiterung der Volksfreiheit, die er und seine Genossen anstreben, ob das allgemeine Wahlrecht besonders, zum Heile Deutschlands gereichen wird, wer kann es sagen? Daß Uhland es auf das Beste meint, das allein weiß ich. Gäbe es viele Männer wie er, rein und ohne Selbstsucht, unbestechlich und wahrhaftig, dann könnte auch ich an ein Gedeihen einer Republik glauben.

20. März. Ich bin den Debatten mit Aufmerksamkeit gefolgt, oft wollte mich die Aengstlichkeit befallen über Uhlands Standpunkt, aber immer wieder tröstet mich die ruhige Bestimmtheit seines Wesens. Als ich gestern meiner Bedenklichkeit, ob er nicht der Richtigkeit der Idee doch gegenüber der Wirklichkeit zu viel Recht einräume, Ausdruck gab, da sagte er mir: Ich glaube, ich könnte nicht ruhig sterben, wenn ich anders stimmen würde! So will ich denn jetzt auch getrost sein, was auch kommen mag!

27. März. Der Erbkaiser hat gesiegt.. Uhland sagte mir gestern, so peinlich sei ihm noch keine Sitzung gewesen, als die gestrige, wo die Rechte völlig gegen ihre Principien in das Suspensivvotum gewilligt, so sehr habe für ihn die Würde der Versammlung noch nie Abbruch gelitten, als dadurch. Armer Uhland! Heute ist es ein Jahr, daß er hier sich abmüht! ..

3. April. Die Kaiserdeputation ist Freitag von hier abgegangen .. Ach, daß Uhland hier bleiben muß, weil er keinen Ersatzmann hat! Es wird nun wohl ein klägliches Ende mit der Reichsversammlung nehmen .. Was Uhland bei der Württembergischen Kammer immer an dem Ende des Landtags zu beklagen hatte, das Rücknehmen aller energischen Beschlüsse, das wird er wohl hier aufs neue erfahren müssen. Die Oberpostamtszeitung bereitet uns schon darauf vor.

Wie kann X. die Partei, der Römer und Uhland und andere Ehrenmänner angehören, so mit Schimpf und Schmach überschütten? Ist denn alle Erinnerung an die alte Freundschaft und Achtung um seiner Parteileidenschaft untergegangen? Es wäre schon an der Trauer, daß Paul Pfizer und Uhland in verschiedenen Feldlagern kämpfen, genug gewesen .. Ebenso lauten die Zuschriften von Heidelberg und Braunschweig. Wie wechselt doch die Menschengunst!

Emilie Uhland.

8. April. Der König hat die Deputation kalt, fast schnöde empfangen. ..

18. Immer noch die gleiche Ungewißheit. Am Ende muß man sich noch freuen über den Kaiser, den man nicht gewollt, nur daß einmal eine Entscheidung eingetroffen. Sonntag waren wir in Aschaffenburg mit Römer und Sternenfels (Gesandter Württembergs in Frankfurt). Als wir am Morgen zum Frühstück hinabgingen, war Römer schon abgereist, von einem Expressen nach Stuttgart gerufen in den Ministerrath, der über die württembergische Antwort an das Parlament zu berathen hatte .. Nun muß Römer trotz seiner Abneigung gegen das Preußenthum doch dem König (Wilhelm I von Württemberg) zureden .. Ein großer Theil der Linken hat nun auch beigestimmt ohne Clausel wegen der Oberhauptsfrage. Uhland steht fest wie ein Fels, nächstens aber in wunderlicher Gesellschaft mit der extremen Rechten und mit der äußersten Linken. Armer, guter Mann, deine Geduld und Ausdauer wird hier auf harte Probe gestellt!

22. April. Unser König will sich der Reichsverfassung nicht unterordnen… Das Herz ist nun getheilt in mir: ich fürchte die Auflehnung und den Aufruhr im Lande und doch wünsche ich der deutschen Sache den Sieg. Aber ach! der Erbkaiser ist ja auch nicht die deutsche Sache.

28. Der König hat sich gefügt und in Bezug auf Württemberg atmet meine Brust leichter. Dagegen trübt sich der Himmel sonst nach allen Seiten .. Ich bin keine Heldin, das fühle ich wohl, ich zage, wenn die Versammlung energische Beschlüsse fassen sollte, aus Angst für das Allgemeine, aus Angst für meinen Uhland. Auf der anderen Seite fühle ich auch, daß die Versammlung bei ihrem Werke stehen bleiben muß...

3. Mai. Revolution in Dresden etc.

8. Mai. Ich gebe nun die Hoffnung auf, daß die Nationalversammlung ihr Werk zu Ende führen kann.

15. Mai. Heute bin ich 50 Jahre alt! Wie viel Güte und Barmherzigkeit hat mir Gott in diesem langen Leben erzeigt! Ich stehe beschämt und weiß mich nicht werth … Durch treue Liebe beglückt, im Besitz einer noch frischen Seelen- und Körperkraft, durch äußere Umstände nicht gedrückt, mit den Mitteln, mir und Andern Freude zu machen, gesegnet, fühle ich mich meines Looses so unwürdig .. Um mich her ist es desto sorgenvoller und trüber und oft will mir bange werden für das geliebte Haupt, in dem mein Glück beruht. Gott schütze den besten Mann und zeige ihm den richtigen Weg in den schweren Entscheidungen, die er mit zu beschließen hat!

18. Badische Revolution. .. Ein Bestehen und Gedeihen der Republik kann ich nicht glauben, mir fehlen die Bürger derselben. Welch schwerer Stand für Männer wie Uhland! Wohin sollen sie sich wenden? .. Den Aristokraten gegenüber muß Uhland mit den Republikanern stimmen, deren Bestrebungen er doch auch nicht traut. Wie soll dieser Kampf noch enden?

21. Austritt Gagerns, Dahlmanns etc. .. Die dennoch bleiben, werden freilich auch nichts mehr vermögen, und doch hält sie die Ehre fest.

24. Mein Mann ist aufgefordert worden, die Ansprache an das deutsche Volk zu machen, ungeachtet er nicht in dem Ausschusse ist, dem sie aufgegeben wurde. Wie gerne hätte ich gesagt: thue es nicht, Uhland, als Neuwerk kam, ihn darum zu bitten. Ich schwieg, denn ich hätte doch nur aus Feigheit abgerathen. Hätte er abgelehnt, so wäre es Neuwerk zugefallen und da wäre sie aufregender ausgefallen. Uhland wird aber gewiß von beiden Seiten Tadel erfahren.

27. Mai. Pfingstfest. Heute haben wir in der freien Natur wieder einmal frei aufgeathmet. Wir waren mit Mappes in Kronenberg und auf dem Altkönig. Wie ist es schön und friedlich in Gottes Schöpfung und wie zerstört der Menschen Selbstsucht und Schlechtheit, was Gott schön gemacht!

29. Nun sind auch die Hannoveraner abgerufen. Immer kleiner wird die Schaar und wie mißlich wird dadurch die Stellung der Gemäßigten unter ihnen! Ach, könnte ich meinen Mann daraus erlösen! Gestern wurden im Württembergischen Unruhen befürchtet. Auch hier hat Uhland beruhigend zu wirken gesucht. Ob seiner Warnung wohl Gehör gegeben wurde?

30. Beschluß, nach Stuttgart überzusiedeln. Uhland hat gethan, was er konnte, um dieses Resultat abzuwenden. Es könnte leicht der Funken zum Ausbruch eines verheerenden Brandes werden. Den 1. Juni sind wir von Frankfurt abgereist mit schwerem Herzen, wenn wir auf die Erfolglosigkeit so mühsamer Beratungen, so vieler gebrachter Opfer blicken; mit schwerem Herzen, wenn wir daran dachten, was die Uebersiedelung nach Stuttgart dem Heimatlande bringen könnte… Erst am 6. kamen wir in Stuttgart an, in das ich mit Schmerz einzog. Erste Sitzung, Beschluß, eine Regentschaft einzusetzen. Uhland bemühte sich vergebens, ein weniger gefährliches Amendement durchzubringen. Heute Abend nun soll gewählt werden. Gott schütze

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0320.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2020)