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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

„Ah na! Gott bewahr’! No ja, wissen S’, Duhrlaucht … freilich, in der Familli, da giebt’s allweil ein bißl was … ja, ja, es wird schon so was sein … wie mit der Familli.“

Ettingen stellte die Schüssel beiseite. „Na also, was ist denn los? Mir dürfen Sie alles sagen. Ich bin Ihnen doch ein guter Herr, nicht wahr? Sie können wirklich ganz offen mit mir reden. Was drückt Sie?“

Pepperl schluckte. „Schauen S’, Duhrlaucht … weil S’ so freundschaftlich mit mir reden, da kann ich auch net z’ruckhälterisch sein … da muß ich schon gleich alles ’raussagen.“ Er seufzte schwer, guckte tiefsinnig in die Milch und drehte die Schüssel zwischen den Knieen. „Ein bißl was dummes hab’ ich halt ang’stellt.“

„Im Dienst?“

„Gott bewahr’!“ wehrte Pepperl ganz erschrocken ab. „Auf der Jagd, da hab’ ich mein Köpfl allweil bei ’nand’!“ Jetzt Wurde er wieder kleinlaut. „Aber in der Lieb’ halt … in der Lieb’ hab’ ich ein Dalken g’macht.“

Ettingen lachte.

Dem Praxmaler-Pepperl aber war bitter ernst zu Mute. „Wissen S’, Duhrlaucht, da hab’ ich mich jetzt in so ein Madl verschaut. Z’erst haben wir allweil g’stritten und g’hachelt miteinander, und auf einmal … no ja!“ Pepperl seufzte. „Aber is ein lieb’s Madl, das muß ich sagen. Recht ein lieb’s und ein bravs Madl! Die Burgi drunten, wissen S’!“

„Unsere Sennerin? Brav, Pepperl! Zu dieser Wahl gratulier’ ich Ihnen. Das ist wirklich ein nettes Mädl.“

Diese Zustimmung schien Pepperls Herz ein wenig zu erleichtern. „Gelten S’, die g’fallt Ihnen? Gelten S’, ja? Is ein liebs Madl! Und so viel gern hat’s mich, so viel gern! No ja … und jetzt muß g’heirat’ werden, geh’s wie’s mag, jetzt hab’ ich die Verantwortigung!“ Mit beiden Händen fuhr sich Pepperl kummervoll in die Kreuzerschneckerln. „Ich hab’ schon ’s Pech … ich komm’ aus der Verantwortigung gleich gar nimmer ’raus! Jetzt muß halt g’heirat’ werden, in Gott’snamen! Aber d’ Mutter! Mar’ und Josef! Die wird ein’ schönen Spittakel machen! Teufi, Teufi, Teufi … da g’freu’ ich mich drauf!“

„Ihre Mutter?“

„No ja, wissen S’, wie d’ Mütter halt sind! Das wär’ so ihr Gusto g’wesen, daß ich einmal g’scheid heiraten thät’. Und jetzt bin ich so ang’rumpelt! Ein lieb’s Madl, freilich, und gern hab’ ich’s! Aber haben thut’s halt nix, rein gar nix, wissen S’, nixer wie nix … und d’ Mutter und ich, wir haben vom Vater her noch Schulden aufm Häusl … und nachher, ’s Madl hat ein’ Vater, so ein’ alten Krackler … den muß ich natürlich ins Haus nehmen und muß ihn derhalten. D’ Mutter wird ihn freilich ordentlich kuranzen, da sieht er ’s ganze Jahr kein Wirtshäusl nimmer außer auf Ostern und Weihnächten … aber no, sein G’wand und sein richtig’s Essen muß er ja dengerst kriegen … und so wird’s halt Sorgen über Sorgen geben … in der Familli! Aber hab’ ich A g’sagt, muß ich Be sagen, in Gott’snamen! Und da wär’s mir schon lieb, Herr Fürst, wenn S’ mir als Jagdherr d’ Heiratsverlaubnis geben thäten. Ich thät’ schon recht schön bitten, ja!“ Er hatte nasse Augen, als er das sagte.

„Die geb’ ich Ihnen von Herzen gerne.“

„Gott sei Dank!“ Pepperl atmete auf. „Da is mir schon der ärgste Stein von der Seel’!“

Ettingen lächelte und sah dem Jäger mit herzlichem Blick in die Augen. Was wäre ihm in der Stimmung dieses Tages willkommener gewesen, als die Freude und das Glück zweier Menschen schaffen zu dürfen. „Wie viel Schulden haben Sie denn auf Ihrem Häuschen?“

Das ging hart heraus: „Dreihundert Gulden!“

„Die wird Ihre Braut schon bezahlen können.“

„Aber!“ Pepperl machte schiefe Augen zu diesem Witz. „Der muß ich ja zur Hochzeit die Pomeranzen kaufen … so viel hat die!“

„Nein, Pepperl! So viel ich weiß, hat Ihre Braut fünfhundert Gulden zur Aussteuer.“

„Ja, wär’ schon recht! Da müßt’s ihr rein einer schenken! Aber ein’ solchenen Narren giebt’s ja doch net auf der Welt!“

„Doch!“ Ettingen lachte. „So ein Narr bin ich!“

„Was?“ Pepperl verfärbte sich, und seine Hände zitterten, daß aus der Milchschüssel ein weißer Taufguß über die Kurzlederne niederging. „Was haben S’ g’sagt?“

„Daß ich der Burgi das zur Aussteuer gebe.“

„Mar’ und Josef … “

„Und der Förster hat viel Arbeit mit der Jagdverwaltung, er wird eine Hilfe brauchen … das haben Sie mir ja neulich bei der Jagd im Gaisthal drunten selbst gesagt … da will ich ihm vorschlagen, daß er Sie zum Oberjäger macht, mit entsprechendem Gehalt natürlich.“

„Was?“

„Haben Sie nicht verstanden?“

Die Milchschüssel kollerte über Pepperls Kniee hinunter. Mit starren Augen sah er den Fürsten an, schlug die Hände ineinander und stotterte: „Ich bitt’ Ihnen, Duhrlaucht, thun S’ mich net für ’n Narren halten!“

„Nein, Pepperl. Was ich sage, das gilt!“

In Zweifel studierte der Jäger noch eine Sekunde lang das Gesicht seines Herrn. Aber dann stieg ihm der Glaube und die Freude zu Kopf, wie ein elftes und zwölftes „Viertele“ vom roten Spezial. Wie ein Verrückter sprang er auf und schrie einen Jauchzer zum Himmel, daß der Senn vor die Thür gelaufen kam – einen Jauchzer, daß ihm die Sehnen am Hals hervortraten wie rote Striemen.

Und Ettingen bekam zu merken, daß es Menschen giebt, denen man ein Glück nicht minder vorsichtig mitteilen soll als eine Trauerbotschaft. Denn Pepperl drückte im ersten Sturm seinem Herrn die Hand, daß Ettingen noch eine Stunde später die Finger kaum bewegen konnte.

Aber mitten in dieser Freude kam dem Jäger gleich wieder eine Sorge. „Um Gottswillen, Duhrlaucht, wenn’s mit der Aussteuer wirklich wahr is, sagen S’ nur ja kei’m Menschen ein Wörtl davon!“

„Nein, Pepperl, das bleibt unter uns.“ Doch Ettingen hatte diese Bitte anders verstanden, als sie gemeint war.

„Denn wissen S’, wenn das unter d’ Leut’ käm’, da hätten S’ kein’ Ruh’ nimmer, Tag und Nacht. Da thät’ ja die ganz’ Gegend heiraten auf Ihnen ’nauf … und jeder, der ’was brauchen könnt’, thät’ sich denken: Ah was, der gute Kerl, der giebt mir schon auch was … hat er’s dem Pepperl ’geben, giebt er’s mir auch! … Nimmer schlafen könnten S’ vor lauter Brautleut’!“

Ettingen lachte. „Ja, Pepperl, da wollen wir lieber reinen Mund halten!“ –

Als sie den Heimweg antraten, hatte der Jäger solche Eile in den Beinen, daß er alle Augenblicke ein paar hundert Schritte voraus war und wieder stehen bleiben mußte, um auf seinen Herrn zu warten.

Ehe der Pfad sich in den Wald verlor, klomm er über eine vorspringende Bergrippe hinweg, von welcher aus man über die Wipfel frei hinunter sehen konnte ins Thal. Wie ein zierliches Spielzeug lag die Tillfußer Alm mit den Jagdhäusern und der Sennhütte da drunten.

Pepperl zog in seiner freudigen Ungeduld das Fernrohr auf. „Muß doch schauen, ob ich ’s Madl net sieh’!“

Das sah er nun freilich nicht – dafür aber etwas anderes: eine vierspännige Equipage und einen Zweispänner, die im Hof des Jagdhauses standen.

„Duhrlaucht! Da fahren ja Ihre Gäst’ davon! Die Herrschaften sitzen schon im Wagen und g’rad’ steigt der Herr Martin auf’n Bock … und jetzt fahren s’ ’naus zum Hof!“

Ettingen antwortete nicht; er machte nur lächelnd mit der Hand eine Bewegung, die jedes Wort ersetzte.

Pepperl aber war ganz aufgeregt. „Ja kommt denn der Herr Martin fort? Für ganz?“

„Ja. Und Sie werden seinen Dienst bei mir übernehmen müssen …“

Da machte Pepperl ein Gesicht, als hätte sich in seinem Freudenkelch der letzte Tropfen Wermut in Zucker verwandelt.

„ … und bei der Tafel servieren.“

Nun erschrak er. „Teufi, Teufi, Teufi, das wird sich hart machen!“ Mißtrauisch sah er seine klobigen Hände an. Dann aber lachte er. „Duhrlaucht … wann S’ heut’ zu mir sagen, ich soll ein’ Heuwagen auftupfen mit ein’ Zwirnsfaden, nachher probier’ ich’s auch!“

Und da ging es nun thalwärts ohne Aufenthalt. So flinke Beine Pepperl auch machte – Ettingen blieb nicht zurück hinter ihm. Bei diesem ungeduldigen Abstieg plauderten sie nur wenig. Der Fürst war in Gedanken versunken, und auch Pepperl hatte

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0346.jpg&oldid=- (Version vom 24.1.2019)