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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Eidgenossen des Liberalismus“ aus Baden, Württemberg, Nassau, Hessen-Darmstadt und Kurhessen. „So wurde denn getagt im Gartenhause, in welches die Sommersonne fröhlich hereinblickte, und es war eine erlauchte Versammlung parlamentarischer Größen, die mit der Geschichte des Jahres 1848 für immer verknüpft sind, hier noch einig im gemeinsamen Streben, bald nach allen Richtungen der Windrose auseinander fahrend. Da saß ich zwischen Gagern, dem hochgemuten Führer der späteren verfassungsmäßigen Bewegung, und Friedrich Hecker, der später im offenen Kampfgefild bei Kandern dem Bruder Gagerns, dem General der Regierungstruppen, gegenüberstand und mit ihm unterhandelte, bis diesen eine verräterische Kugel aus den Reihen der Aufständischen tödlich traf. Und mir gegenüber saß der wackere Volksmann Robert Blum, den zwei Jahre später die österreichischen Kugeln auf der Brigittenau daniederstreckten. … Nach den Verhandlungen erfreuten wir uns an der gemütlichen Weinbergidylle, an Spaziergängen auf die benachbarten Rebenhügel, in die nebenliegenden Dörfer. Der Herbergsvater war bei bester Laune; noch höre ich seine Stimme, wenn er mich, den langschlafenden ‚Schwarzenberger‘, weckte, als schon die höhersteigende Sonne durch die Jalousien blinzelte. Er hatte mir diesen Beinamen erteilt, weil ich mit meinen langen, dunklen Haaren, den dunklen Augen, dem brünetten Teint einen sehr schwärzlichen Eindruck machte.“ Die schlesischen Gäste begleiteten Hecker und Bassermann nach Karlsruhe und wohnten hier einer interessanten Sitzung im Ständehaus bei. Von da ging’s nach Stuttgart, wo sie mit dem späteren Märzminister Friedrich Römer verkehrten.

So bilden die Jugenderinnerungen Gottschalls einen gar lebensvollen Kommentar zur Geschichte jener Zeit, die uns heute als die Sturm- und Drangperiode der Wiedererrichtung des Deutschen Reiches erscheint. Sein Freiwilligenjahr, das er in Berlin bei den Gardeschützen abdiente, die Zeit seiner ersten Erfolge als Bühnendichter in Hamburg und Königsberg brachten ihn ebenfalls in Beziehung zu vielen hervorragenden Männern der Bewegung. Den März oes Jahres 1848 erlebte er in Königsberg, wo er nach bestandenem Doktorexamen Dramaturg am Woltersdorffschen Theater geworden war. Auch hier trat eine Bürgerwehr ins Leben, und Gottschall, der sein Dienstjahr mit der Qualifikation zum Landwehrleutnant abgeschlossen hatte, erhielt die Führung eines Bataillons. Bei der Wahl zur Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt a. M, wo sich in der Pregelstadt Eduard Simson und Johann Jacoby gegenüberstanden, gab er dem letzteren seine Stimme.

Mit Begeisterung gedenkt der Dichter jener Tage: „Man hatte das Gefühl einer vollständigen Wiedergeburt, wie die alten Aegypter, wenn der leuchtende Sirius ein neues Weltjahr begann. Wer an diese Zeit nur zurückdenkt als an eine trübe Epoche des Umsturzes, der Anarchie, der Straßenkämpfe, der hat die Stimmung nicht begriffen, welche damals die Gemüter beherrschte und mit Begeisterung und Rührung erfüllte, und auch die Historiker, welche vom Standpunkte einer verspäteten Reflexion die Chronik jener Tage schreiben, geben nur eine irrige und verfälschte Darstellung derselben, indem sie über den Krämpfen und Zuckungen dieser Geburtswehen die schöpferische Lebenskraft, die in ihnen zu Tage trat, hervorzuheben versäumen.“ Die „Odyssee“ der Jugendzeit Gottschalls reicht bis zum Tag seiner Verheiratung mit Freiin Marie v. Seherr-Thoß, der Tochter eines schlesischen Gutsherrn, deren Herz er zuerst durch eine Vorlesung seines „Ferdinand von Schill“ gewonnen hatte. Dies Drama war unter dem Eindruck des Zusammenbruchs der patriotischen Hoffnungen im Jahre 1849 entstanden, das so viele Märtyrer schuf, deren Schicksal an das Schills gemahnte. Auch für diese Märtyrer der Reichsidee, die, um die Reichsverfassung zu retten, vor fünfzig Jahren zur Waffe griffen, hat noch heute der gealterte Dichter warme Worte der Sympathie. „Die meisten jener Kämpfer waren keine Landsknechte der Freiheit, keine Rebellen um der Rebellion willen – gerade unter denen, die im Kampfe gefangen genommen oder zum Tode verurteilt wurden, waren viele edle und sympathische Jünglinge und Männer, von idealer Begeisterung entflammt. Mich erfüllte das mit Wehmut; ich selbst hatte diese Begeisterung geteilt und mich bisweilen von ihr zu stürmischen Ergüssen phantasievoller Lyrik hinreißen lassen; aber ich hatte daneben eine scharfe kritische Ader, ich sah das Unmögliche mit einer visionären Deutlichkeit – und so war meine Stimmung eine geteilte und traurige.“ Gottschalls „Ferdinand von Schill“ fand auf den Bühnen viel Erfolg, in Breslau und Berlin wirkte er mit der Kraft politischer Ereignisse; der beglückendste Erfolg für den Dichter aber war der Herzensbund, den das Hochzeitsfest auf Schloß Olbersdorf am 13. April 1852 besiegelte. Die glückliche Stimmung jener Tage spiegelt sich ungemein anmutig in denr „Olbersdorf“ betitelten Odencyklus des Dichters wieder. Auch diese Lebensbeziehung hatte die Freundeshand des Grafen Reichenbach geknüpft.

J. Proelß.     




Kulturbilder aus Deutsch-Südwestafrika.

Mit Illustrationen nach photographischen Aufnahmen.

Auf Reitochsen.

Unter den deutschen Schutzgebieten nimmt Deutsch-Südwestafrika eine besondere Stellung ein. Es bildet ein weites Gebiet zwischen dem Kunene- und Oranjefluß, das rund 840000 qkm umfaßt, während der Flächeninhalt des Deutschen Reiches 540000 qkm beträgt. Die weiten Gefilde sind jedoch nur spärlich bevölkert, denn die Natur hat das Land stiefmütterlich ausgestattet. Ein mit Dünen und Felsen besetzter wüster Gürtel umsäumt die Meeresküste und erschwert den Zugang zu dem Inneren, das sich zu einem zerklüfteten Gebirge emporhebt. Auch dort sind die Gegenden zumeist wüst und leer, denn es fehlt überall Wasser; wohl regnet es in den Monaten Oktober bis Mai zuweilen sogar in heftigen Güssen, und unter dem belebenden Einfluß der Feuchtigkeit sprießt auf weiten Flächen frisches Grün empor; dann kommt aber eine lange Trockenzeit, in der die Pflanzenwelt verdorrt und selbst die Flußbetten austrocknen. Ergiebige Gold- und Diamantenfelder wurden in Deutsch-Südwestafrika, wie in anderen Gebieten Südafrikas, bisher nicht entdeckt, und doch hat das Land eine Zukunft. Menschlicher Fleiß und eiserne Ausdauer können auch die Wüste urbar machen und unser südafrikanisches Schutzgebiet hat, bei allen seinen Nachteilen, den großen Vorzug, daß es ein gesundes Klima besitzt, in welchem der Europäer leben und arbeiten kann. Mit der Zeit wird es wohl zu einer entlegenen Provinz des Reiches emporblühen, in welche deutsche Bevölkerung, deutsches Recht und deutsche Verwaltung ihren Einzug gehalten haben.

Die Erschließung des Landes hat bereits begonnen. Durch heldenmütige Kämpfe unsrer Schutztruppen sind die zu Raub und Plünderung geneigten Eingeborenen gezügelt worden, eine Eisenbahn wird von der Küste ins Innere gebaut und der Zuzug deutscher Kolonisten ist im Steigen begriffen. Groß kann der Strom der Einwanderer nicht sein; denn wer in Deutsch-Südwestafrika sein Fortkommen finden will, muß nicht nur auf strenge Arbeit gefaßt sein, sondern auch über genügende Mittel verfügen, um, sei es als Viehzüchter, sei es als Ackerbauer, wirken zu können.

Gegenwärtig dürfte die Viehzucht die meisten Aussichten auf Erfolg haben. Herden von Rindern, Schafen und Ziegen haben seit jeher den Reichtum der Eingeborenen gebildet, und es unterliegt keinem Zweifel, daß auch Europäer in dem anscheinend so wüsten Lande die Viehzucht im großen mit Erfolg betreiben können.

Das Rindvieh, das als Schlachttier wertvolle Fettschwanzschaf sowie die Ziege gedeihen dort vorzüglich und vermehren sich außerordentlich rasch. Die mit der Zucht von Wollschafen und Angoraziegen angestellten Versuche sind zufriedenstellend ausgefallen. Die Pferdezucht, die auch mit Erfolg betrieben werden kann, ist allerdings, solange kein Mittel gegen die dort periodisch auftretende Pferdeseuche entdeckt wird, mit besonderem Risiko verbunden.

Die schon von alters her in Deutsch-Südwestafrika heimische Rindviehrasse, deren beide Hauptschläge, das Damara- und Namarind, sich übrigens in ihrem Nutzungswert nicht wesentlich unterscheiden, besitzt trotz einiger guter Eigenschaften doch auch wieder Mängel, die sie zur Fortzüchtung für deutsche Kolonisten nicht geeignet erscheinen lassen. Aber man kann sie mit Vorteil als Unterlage für die Kreuzung mit anderen Rassen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0428.jpg&oldid=- (Version vom 21.1.2021)