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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Deutsche Städtebilder.

Konstanz.
Von K. von Arx.

Das Schnetzthor.
Photographie im Verlag von W. Mecks Buchhandlung in Konstanz.

Keine der deutschen Städte hat eine so eigenartige Lage wie Konstanz. Auf drei Seiten von schweizerischem Gebiet umschlossen, durch den Rheinstrom vom Mutterland abgetrennt und mit diesem äußerlich nur durch die stolze Rheinbrücke zusammenhängend, bildet es ein vorgeschobenes deutsches Vorwerk an der äußersten Grenze des Reiches. Die rings um die Stadt gruppierten Schweizerorte sind die Vorstädte von Konstanz, und mit dem einen, mit Kreuzlingen, ist es so eng verwachsen, daß ohne die Grenzpfähle schwer zu sagen wäre, wo Deutschland aufhört und die Schweiz beginnt.

Diese Eigenartigkeit der Lage bringt es mit sich, daß in der weiten Welt über die politische Zugehörigkeit von Konstanz gar viele im Ungewissen sind und auf dem Reichspostamt zu Konstanz nicht nur etwa ab und zu, sondern täglich Briefe aus aller Herren Ländern mit dem Leitvermerk „Konstanz, Schweiz“, „Constance, Suisse“, oder „Constance in Switzerland“ einlaufen.

Es kann nicht überraschen, daß die Stadt mit ihren Interessen von jeher wesentlich auf die Schweiz angewiesen war, und wenn es auch heute nicht mehr zutrifft, „daß die Bürger von Kostnitz ihren besten Genuß und Einkommen im Lande der Eidgenossen haben“, wie der Konstanzer Stadtschreiber Jörg Vögeli im Zeitalter der Reformation bekennt, so neigen beim Mangel eines dichtbevölkerten deutschen Hinterlandes auch jetzt noch die gewerblichen und Handelsinteressen sehr stark nach der Schweiz. Noch giebt es der gegenseitigen Beziehungen die Fülle, Verkehr und Freundschaft hin und her, Handel und Wandel hüben und drüben, und heute noch ist Konstanz in materieller und namentlich auch in geistiger Beziehung der Mittelpunkt, „die Stadt“, für einen Teil der östlichen Schweiz. Ehemals Freie Reichsstadt, wurde Konstanz um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts Oesterreich unterworfen, und erst seit 1806 gehört es zum Großherzogtum Baden. In allem Wandel der Zeiten ist Konstanz eine gut deutschgesinnte Stadt geblieben und läßt sich von keiner an Reichstreue übertreffen.

Fast mehr noch als politisch ist die Eigenartigkeit der Lage von Konstanz geographisch bemerkenswert und bedeutsam. Inmitten mächtiger Wasserreviere erfreut sich die Stadt am See und Rhein einer hydrographisch so fein gegliederten Umgebung wie keine zweite deutsche Binnenstadt und verdankt dem See und den nahen Alpen eine Gleichmäßigkeit und Ausgeglichenheit der Temperatur, als wäre sie am Ocean selber gelegen. Dabei ist Konstanz ein wahres Schatzkästlein alter Kunst und geschichtlicher Erinnerungen, wo noch so vieles die gemütliche Sprache längst vergangener Zeiten redet. Mittelalterliche Türme und Thore, malerische Architektur- und Straßenbilder wechseln ab mit Kirchen und Kapellen und alten Patrizierhäusern, die ihre eigene Geschichte haben und von bürgerlichem Behagen, alter Wehrhaftigkeit und Frömmigkeit erzählen.

Wie stimmungsvoll reckt nicht gleich am Landungsplatz der Bodenseedampfer das massige Kaufhaus sein altersgraues Haupt in die Höhe! Einsam ragt es empor und hat nichts gemein mit der prosaischen Gegenwart; es träumt von alter Bürgerherrlichkeit, da die Konstanzer Linnen Weltruf genossen und als „tela di Costanza“ auf den italienischen Märkten die begehrtesten waren. Es träumt weit zurück in die Zeiten des großen Konzils, da der neugewählte Papst Martin V auf weißem Zelter, vom Kaiser und von Herzog Ludwig von Heidelberg zu Fuß geführt, thronend über der weltlichen Macht, im Triumphzug vom „Konziliumssaal“ aus die Gassen der Stadt durchzog. Heute ist die weite Halle für große Festversammlungen und Ausstellungen eingerichtet und übt mit den schönen historischen Fresken, die Bilder aus dem Kulturleben und der Geschichte des alten und neuen Konstanz vorführen, auf Einheimische und Fremde ungeschwächte Anziehungskraft aus.

Mitten in der Stadt ist ein gar malerischer Platz, der Obere Markt, flankiert von historisch denkwürdigen Häusern, zum Teil mit hübschen Renaissancegiebeln. Unser Bild (s. S. 464 und 465) zeigt rechts das Haus „Zum Barbarossa“, curia paceis – Friedenshof, mit den Räumen, wo Kaiser Friedrich I 1183 den Frieden mit den lombardischen Städten schloß. Rechts daneben steht, auf dem Bilde nicht mehr sichtbar, das Haus „Zum hohen Hafen“, und Kaiser Wilhelm I, der die Stadt während seines öfteren Aufenthaltes auf der nahen Insel Mainau wiederholt besuchte, mag wohl gedankenvollen Blickes zu diesem Haus aufgeschaut haben, vor dem sein Ahnherr, Friedrich IV, Burggraf von Nürnberg, zur Konzilszeit am 18. April 1417, vom Kaiser Sigismund die Brandenburger Mark zu Lehen erhielt. – Schon in den ältesten Zeiten war der „Obermarkt“ die Malstätte, öffentliche Gerichtsstätte, und der Sammelplatz von Obrigkeit und Bürgerschaft bei „Geschellen und Gelöffen“. – Nur wenige Schritte davon fesselt jedermanns Aufmerksamkeit das Rathaus mit der Stadtkanzlei, ein schöner Renaissancebau aus dem 16. Jahrhundert. Die zweigiebelige, maßvoll profilierte Fassade, die romanischen Bogenfenster, die schönen Renaissanceornamente und das prächtige schmiedeeiserne Portalgitter würden auch ohne den reichen neueren, von Ferdinand Wagner aus Augsburg herrührenden Freskenschmuck immer eine interessante Sehenswürdigkeit bleiben. Die unteren Fresken stellen vier Hauptbegebnisse der Geschichte von Konstanz dar, den Lombardischen Friedensschluß durch Barbarossa, den Einzug Kaiser Friedrichs II 1212, die Belehnung des Burggrafen Friedrich von Nürnberg mit der Mark Brandenburg durch Kaiser Sigismund, den Kampf der Konstanzer gegen spanische Truppen 1548. Darüber finden sich die Bildnisse berühmter Konstanzer, darunter das des edlen Patrioten J. H. von Wessenberg. Noch mehr aber fesselt der Rathaushof, mit seinen Türmen und Wendeltreppen und schöner Gartenzier ein Schmuckkästchen der Renaissance, dessen Bild Künstler mit Vorliebe in ihren Skizzenbüchern festhalten.

Malerische Zeugen des alten Konstanz sind noch einige Türme und Thore; so der von Pappeln und Weiden umstandene Rheinthorturm, der alte Wächter der Stadt am Rheinstrom; dann das als Ueberbleibsel der alten Stadtbefestigung noch wohlerhaltene Schnetzthor (vgl. die Anfangsvignette) mit Zwinger, ein charakteristisches Bild aus dem Ende des 13. Jahrhunderts.

Ein reizender Anblick harmonischer Verschmelzung des Alten mit dem Modernen ist die alte Konstanzer Insel mit ihrem schattigen, seeumspülten Gartenpark, dessen Reize einstens schon Kaiser Maximilian I während seiner Anwesenheit beim Reichstag 1507 so sehr zu schätzen wußte, daß er sich von der bischöflichen Pfalz, wo er wohnte, einen eigenen Gang nach der Insel bauen ließ. Die Räume des hier im Jahre 1236 errichteten Dominikanerklosters sind heute in ein modernes Hotel, das Inselhotel, umgestaltet. Ungemein stimmungsvoll ist der von Prof. Carl Haeberlins Meisterhand mit Fresken aus der hochinteressanten und bewegten Inselgeschichte geschmückte Kreuzgang, der mit seinen zierlichen Doppelsäulchen, den epheuumrankten Fenstern und dem Rundbogenfries einen stillen Blumengarten umschließt. Innerhalb

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 460. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0460.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2021)