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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Auf der Gaisalpe. (Zu dem Bilde S. 457.) Die Melkarbeit auf einer Gaisalpe führt uns der Künstler mit überraschender Naturtreue vor Augen. Wer ist dem kecken, lebfrischen „Goasbuab’n“, der selten ein ganzes Stück Gewand, aber dafür fast ausnahmslos eine schneidige Hahnenfeder auf dem Hut und irgend eine alte Stummelpfeife sein eigen nennt, in den Bergen nicht schon begegnet! Der Ziegenhirt, kurzweg „Goaser“ genannt, ist so eigentlich der Proletarier unter dem originellen Völkchen unserer Hirten und Senner. Seine Behausung, die „Goasalm“, ist womöglich noch viel primitiver als die primitivste „Kühalm“. Wenn auf einer Gaisalpe nebenbei nicht auch gekäst wird, dann stellt sie sich in den meisten Fällen nur als ein mit einem Wetterdach versehener Unterschlupf dar, dessen Inneres nicht viel mehr enthält als den hölzernen Schragen für das Heulager und einen kleinen Feuerherd. Sobald es Frühjahr wird, werden die für die Alpe bestimmten „Goas“ gesammelt und aufgetrieben. Das Leben eines „Goasers“ läßt sich einen Tag nach dem anderen in sehr wenige Momente fassen. In aller Frühe Melken der Tiere, die über Nacht zumeist um die Almhütte lagern, und Auftrieb derselben auf die hochgelegenen Bergmahden. Ein Stück Käse und Brot wird als Proviant für den ganzen Tag mitgenommen. Was ihm von der Fürsorge für seine auf den Bergmahden verstreute Herde an Zeit übrig bleibt, kann der „Goaser“ zu seinem Privatvergnügen verwenden. Abends wird die versprengte Herde nach der Alm zurückgetrieben und dort wieder gemolken. Ein geübter Hirt hat schon in der zweiten Woche nach der Almfahrt seine Herde derart dressiert, daß ihr tägliches Einbringen ihm keine sonderlichen Schwierigkeiten bereitet. Das gilt allerdings mehr für Frühjahr und Sommer, wo die milchschweren Tiere aus eigenem Antrieb gern ihre Heimstätte aufsuchen. Im Herbst aber, der milcharmen Zeit, wenn die Gemsennatur in der immer kletterlustigen „Goas“ erwacht, ist es keine geringe Geduldsprobe, alle die zerstreuten und oftmals an den gefährlichsten Stellen verstiegenen Tiere wieder zu einer Herde zu sammeln. Daß der „Goaser“ einer kernfrischen und lustigen Menschenklasse angehört, ist allgemein bekannt. Sonst würde es schon das Schnadahüpfel beweisen:

„I bin a Goasbua, a junger,
Lass’ dem Teufel koa Ruah’,
Und die Engerln im Himmel,
Dö lachen dazua!“

R. G.

Die deutsche Schule in Johannesburg.

Die deutsche Schule in Johannesburg. (Mit Abbildung.) Seit nahezu zwei Jahren besitzen auch die Deutschen in Johannesburg, der volkreichsten Stadt der Südafrikanischen Republik, ein eigenes Schulhaus. Die Einrichtung einer deutschen Schule war daselbst schon 1888 ins Auge gefaßt worden, als sich kurz nach der Trauerfeier zum Gedächtnis Kaiser Wilhelms I die deutsch-evangelische Gemeinde unter Leitung des Pastors Kuschke in der Boerenstadt gebildet hatte. Ein Mitglied der Gemeinde, Herr Rolfes, wußte das Interesse der Reichsbehörde für den Bau eines besonderen Gebäudes für die Zwecke der Schule zu wecken; die Mittel dafür brachte die Gemeinde mit großer Opferwilligkeit auf, und die südafrikanische Regierung stellte auf Ansuchen des Konsuls v. Herff ein umfangreiches Grundstück zur Verfügung. Am 4. April 1897 wurde dann bei herrlichstem Wetter die Grundsteinlegung festlich begangen. Eröffnet wurde die Feier durch einen Festgottesdienst in der deutschen Kirche, wobei Superintendent Nauhaus die Predigt hielt, dann folgte auf dem reichbeflaggten Bauplatz eine Ansprache des deutschen Konsuls, worauf Frau Mathilde Rolfes die Weihe des Grundsteins vollzog. Vorträge der vereinigten Männerchöre des „Deutschen Liederkranzes“ und des „Schweizer Gesangvereins“ leiteten den Festakt ein und beschlossen ihn. Bereits am 1. September desselben Jahres konnte die neue Schule eröffnet werden. Die Schülerzahl, die anfangs 17 Knaben und 14 Mädchen umfaßte, nahm rasch zu, so daß in Kürze sechs Klassen eingerichtet werden mußten. Heute besuchen fast 200 Schüler die Schule, welcher Dr. Georg Weidner aus Hamburg als Direktor vorsteht. Es ist im Plane, die Anstalt so zu entwickeln, daß sie einer deutschen Realschule entspricht. Neben dem Englischen wird als zweite Fremdsprache, statt Französisch, Holländisch gelehrt. Die Regierung des Transvaalfreistaats gewährt der Schulverwaltung für dieses Zugeständnis an die Landessprache einen Zuschuß von 80 Mark jährlich für den Schüler.

Das in rotem Backstein aufgeführte Schulhaus bildet ein Rechteck mit der Front nach Westen zu und bietet bei seiner freien Lage auf einem Hügel einen Ueberblick über die Goldstadt, wie er schöner kaum gedacht werden kann. Die Klassenräume sind den Anforderungen der Hygieine gemäß hoch und luftig und trefflich eingerichtet, ein großer Spielplatz steht der Jugend in der Freizeit zur Verfügung. Augenblicklich ist man damit beschäftigt, auf der Nordseite des Gebäudes eine Turnhalle zu errichten, von der man hofft, daß sie später ein Sammelpunkt für das gesamte Deutschtum in Johannesburg werde. Diese Weiterentwicklung der deutschen Schule in Johannesburg wird freilich noch manches Opfer in Anspruch nehmen, aber wahrlich sie ist als einer der am weitesten vorgeschobenen Posten deutscher Bildung im Ausland solcher Opfer auch wert!

Farbige Blumenkronen und Insekten. Nach Darwin und anderen, weit älteren Beobachtern sollten es die farbigen Blumenkronen sein, welche den verschiedenen Insekten ein Erkennen der Blumen, deren Blüten sie Honig entnehmen können, ermöglichen, und man hat daraus Schlüsse gezogen auf die mehr oder weniger hohe Entwicklung des Gesichtssinnes bei den verschiedenen Insekten. Nun hat aber neuerdings Professor Plateau, wie er in den „Bulletins de l'Academie Royale de Belgique" berichtet, eine Reihe von Untersuchungen angestellt, welche das direkte Gegenteil zu beweisen scheinen, daß es nämlich nicht der Gesichts-, sondern vielmehr der Geruchssinn ist, welcher die Insekten leitet. Er beraubte bei seinen Versuchen lebhaft gefärbte Blumen, wie Fingerhut, Rittersporn, Löwenmaul u. a., ihrer Blumenkronen, ohne aber die Honigdrüsen der Blüten auch nur im geringsten zu verletzen. Und siehe da, diese verstümmelten Blüten, die jetzt durch ihre Färbung doch durchaus unauffällig waren, wurden von ihren gewöhnlichen Gästen genau so häufig aufgesucht, als ob sie noch völlig intakt wären. Selbst wenn sie außerdem noch künstlich verdeckt waren, wurden sie umschwärmt.

Entschieden ist hierdurch freilich die Frage, ob bei Aufsuchung der Blüten der Gesichts- oder der Geruchssinn eine größere Rolle spielt, noch nicht endgültig, dazu hätten die Versuche noch weiter ausgedehnt und lebhaft gefärbte Blüten der Honig absondernden Organe beraubt werden müssen. Wären sie auch dann noch ebenso häufig wie die unverletzten aufgesucht worden, so wäre dadurch festgestellt gewesen, daß dem Gesichtssinn die größere Rolle zukommt. Immerhin geht auch jetzt bereits aus den Plateauschen Versuchen mit Gewißheit hervor, daß die Bedeutung des Geruchssinnes bei den Insekten bisher unterschätzt worden ist, und sie machen es wahrscheinlich, daß ihm jedenfalls eine ebenso große, vielleicht sogar eine größere Rolle zukommt als dem Gesichtssinn.

–d.

Der schüchterne Freier. (Zu dem Bilde S. 481.) Rauchen ist gut, aber Reden ist besser, besonders wenn man gern eine Braut bekommen möchte! Diese Erkenntnis ging soeben nach einer Stunde schweigenden Dasitzens dem guten Jan in seinem holländischen Phlegma mit überwältigender Gewißheit auf: er faßt einen Entschluß, stellt sich plötzlich auf seine Füße, nimmt die Pfeife aus den Zähnen, sieht den schelmisch erwartungsvollen Blick der kleinen Person neben dem brodelnden Theekessel am Kamin, die sich geschworen hat, ihm nicht zu Hilfe zu kommen – und aus ist’s wieder mit der Courage … Verlegen deckt die schwielige Hand den Mund, der beinahe etwas gesagt hätte! … Die lustige Antje aber muß sich Gewalt anthun, um nicht gerade herauszulachen. Nehmen wird sie ihn schließlich schon, das steht in ihrem glänzenden Blick geschrieben, aber bis es soweit kommt – o, armer Jan, wie schlimm wird es dir da noch ergehen!

Bn.

Verwendung der Destillationsrückstände des Petroleums zum Löschen des Staubes. Eine neue Verwendung der sonst nur zu Heizzwecken benutzten Destillationsrückstände des Erdöls hat nach amerikanischen Berichten im letzten Jahre die Pennsylvania-Eisenbahngesellschaft versucht.

Wer je im Sommer durch sandige Gegenden mit der Eisenbahn gefahren ist, der hat auch Erfahrungen darüber gesammelt, wie ungeheuer lästig der feine Staub, der von dem schnell fahrenden Zuge aufgewirbelt wird, den Passagieren werden kann. Nichts schützt vor ihm, er dringt durch die kleinste Lücke, durch die feinsten Ritzen und erzeugt auf der feuchten Haut bald ein heftiges Jucken und Brennen. Noch viel schlimmer aber als bei uns, selbst auf einer Fahrt durch die Lüneburger Heide, ist’s in dieser Beziehung in Amerika. Denn während bei uns doch noch hier und da im Sommer mal ein ordentlicher Regen fällt, der den Boden bindet und seine Austrocknung in größeren Tiefen verhindert, giebt es dort Gegenden, wo es während des ganzen Sommers überhaupt nicht regnet und der Boden rissig und bis in Tiefen ausgedörrt wird, von denen wir keine Ahnung haben. Fährt über solche Strecken ein Eisenbahnzug, so wirbelt er Wolken von Staub auf, welche die Sonne verfinstern, und gegen die selbst die in den amerikanischen Eisenbahnwagen gebräuchlichen Doppelfenster nicht schützen.

Wie hilft man sich nun gegen dies bei den langen amerikanischen Strecken doppelt schlimme Uebel? Das einzige ist Sprengen, aber woher die ungeheuren dazu notwendigen Mengen von Wasser nehmen?

Da kam ein genialer Kopf auf den Gedanken, es mit den schwer flüchtigen Petroleumrückständen zu versuchen. Man konstruierte fahrbare, an die Lokomotiven anzuhängende große Reservoire, deren Inhalt, in diesem Falle also das Oel, durch Druckluft über den Bahndamm und das angrenzende Land gleichmäßig aufs feinste verstäubt wird. Das Oel bindet anfänglich, genau wie das Wasser, den Staub; nach und nach aber verdunsten die flüchtigen Oelbestandteile, und der Rest bildet einen dünnen Ueberzug wie von Asphalt. Dabei soll eine solche Besprengung öfter als zweimal im Jahr nicht nötig, der Erfolg aber ein derartiger sein, daß andere amerikanische Eisenbahnlinien diese Methode des Sprengens ebenfalls einführen wollen.

–d.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0480.jpg&oldid=- (Version vom 29.6.2021)