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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Und wenn das Unwahrscheinliche, das Unfaßliche dennoch geschehen sollte, wenn Fräulein Susanne diese Hand nicht ausschlägt – dann, ich schwöre es Ihnen – soll mein ganzes Leben lang jeder meiner Gedanken mit ihrem Glück beschäftigt sein.

In schmerzlicher Bewegung
 Ihr tief ergebener
 Achim von Körlegg.“

Nach diesem Brief war ihm besser zu Mut.

Er rief nach seinem Burschen. „Hier – diesen Eilbrief zur Post – aber erst noch meinen besten Waffenrock – auch die neue Schärpe – schnell – hören Sie denn nicht? – schnell, sage ich!“

In zwei Minuten war er fertig. Und als er über die Straße schritt, lächelte er in bitterer Ironie in sich hinein und dachte: Heut’ nachmittag haben die guten Leute die Fortsetzung des Romans, das Neueste von den beiden Liebenden, ha ha, von den beiden Liebenden ….

Fast hätte er voll Hohn laut aufgelacht. Und ihm war so weh ums Herz – so schneidend weh.

(Schluß folgt.)




Der Monte Pincio in Rom.

Von Dr. Albert Zacher.0 Mit den Bildern S. 517, 520, und 521, 529.

Rom ist nicht nur auf sieben Hügeln gebaut, Hügel umgeben es auch, und auf zwei derselben, dem Monte Pincio und dem Monte Gianicolo, finden sich herrliche Aussichtsterrassen, die eine weite Umschau über die Ewige Stadt und ihre Umgebung bieten. Während sich aber der Gianicolo jenseit des Tiber über der Vorstadt Trastevere erhebt, schließt sich der Pincio unmittelbar dem Hauptquartier des modernen Roms an, das zwischen ihm und dem Corso nach der Porta del Popolo, dem Nordende der Stadt zu, sich ausdehnt. Natur und Kunst haben schon von alters her miteinander gewetteifert, den Pincio zur Lieblingspromenade der Römer zu machen. Prachtvolle Anlagen entfalten oben die üppige Pracht der südlichen Flora. Schattige Spazierwege führen an Statuen und Brunnen vorbei zur Villa Borghese mit ihren kostbaren Kunstschätzen. Eine breite Fahrstraße zieht sich von der Piazza del Popolo zu diesen Anlagen hinauf, durchkreuzt dieselben und senkt sich wieder zur Piazza della Trinita de’ Monti mit ihrer stattlichen Kirche gleichen Namens und dem gewaltigen Obelisken davor. Und hier mündet die großartige Spanische Treppe, die den wundervollen Aufstieg zum Pincio von der Piazza di Spagna, diesem Hauptcentrum des Fremdenverkehrs mit seinen großen Gasthöfen und eleganten Kaufläden, her bildet.

Wer eine Romreise thut, pflegt denn auch, kaum daß er sich von Staub und Rauch gereinigt hat, zum Monte Pincio zu eilen, um hier in gedrängter Uebersicht die Genüsse, die ihm winken, aus der Vogelschau zu bewundern. Der Gang zum Pincio ist also die Ouvertüre zum Aufenthalt in Rom. Die Ewige Stadt ist aber nicht an einem Tage erbaut, kann drum auch nicht an einem Tage erschaut werden. Mag daher der nordische Fremdling, der zum ersten Male den „Hügel der Gärten“, wie er bei den Alten hieß, betritt, auch überrascht, überwältigt sein, die intime Schönheit des Gartenbollwerks geht uns erst bei wiederholtem Besuche auf, und namentlich dann, wenn wir uns ein wenig im Werden und Wandeln der ewigen Roma umgesehen haben. Dann ist uns der Pincio nicht bloß mehr ein Aussichtspunkt, dann ersetzt er uns Schule und Museum und wird zur Offenbarung, kurz zur Kultusstätte des Schönen.

Vielleicht in keiner anderen Stadt der Welt drängt sich dem empfänglichen Wanderer der Geist der Vergangenheit so gebieterisch auf wie in dem ewig jungen Rom, und das schafft ja eben den unvergänglichen Reiz, jenen Zauber, dem jeder Rompilger unterliegt, und schafft auch das Heimweh, das jeder, der einst Rom geschaut, im Norden nach ihm empfindet. Auf Schritt und Tritt löst sich dem schönheitsfreudigen Wanderer das Schweigen der Vorzeit, und nicht nur die Steine reden ihm von der Pracht des Gewesenen. Das erfährt besonders der Reisende, der, anstatt von der Piazza del Popolo aus zum Monte Pincio aufzusteigen, von der Via Sistina aus dem Höhenrücken folgt, welcher in langsamer Steigung zu dem Hügel leitet, der den nördlichen Eingang Roms beherrscht. Hat man die Sistinische Straße durchschritten, so steigt der Obelisk vor der Kirche Trinita de’ Monti vor uns auf und mahnt uns an das Hieroglyphenland und seine römischen Bezwinger. Wenige Schritte – und entzückt schweift unser Auge über das im Thalkessel gebettete nördliche Rom. Zu unsern Füßen aber geleiten, wie es die Abbildung auf S. 529 zeigt, die mächtigen Stufen der Spanischen Treppe, die Innocenz XIII gebaut, zum Spanischen Platze hinunter. Farbenfrohes Treiben auf den weißen Marmorfliesen, Modelle in bunter Hirtentracht, die des dingenden Malers harren, verscheuchen sich die Wartezeit, die lästige, mit Singen und Tanzen. Hoch zu unserer Rechten erklingt Orgelgebraus und süßer Frauensang dazwischen. Wir blicken auf zu der mächtigen Kirche, die uns von Karl VIII und der französischen Invasion erzählt, und lauschen: die frommen Nonnen von Sacre Coeur singen vielleicht gerade eine von den Motetten, die einst Felix Mendelssohn für sie komponierte.

Weiter geht der Weg. Zur Linken drängen sich flache Dächer an die Brüstung heran. Junge Seminaristen in schwarzem Talar wandeln auf ihnen, aber in andres Sinnen vertieft als einst Joseph Scheffel auf Don Paganos flachem Dachlabyrinth in Capri. Weiter! Die hohen Hallen aus immergrünen Steineichen nehmen uns auf. Wir stehen vor der berühmten Brunnenschale, über welcher ein Kreisausschnitt in der grünen Wand den herrlichsten Rahmen zur lichtgebadeten Peterskuppel schafft (vgl. das Bild auf Seite 529). Zur Rechten aber türmt sich die Villa Medici auf, seit Jahren das Heim der französischen Maler, die nach siegreichem Wettkampf daheim den Preis für einen Studienaufenthalt in Rom davontrugen, die Accademia di Francia, die Französische Akademie. Im Weitergehen macht sich die lebendige Gegenwart sinnfällig geltend; zur Linken begleiten den Wanderer auf sanftem Abhang Blumenbeete, Treibhäuser, in romantischem Dunkel plätschernde Brunnen, am Thalrand drängt sich Atelierhaus an Atelierhaus, und manchen bekannten deutschen Malersmann entdeckt man bei der Arbeit auf luftiger Terrasse. Zur Rechten aber wuchert an steiler Felswand üppigste Flora: Epheu, wilder Wein, Agaven, Riesenkakteen …

Endlich ist man oben auf der von weit ausladender Steinbrüstung umrahmten Aussichtsterrasse. Man steht geblendet. Abgebraucht ist es zwar, das Thema vom römischen Himmel, von der römischen Sonne, und doch ist’s dem Glücklichen, der es erlebt, ewig neu! Licht überall, von allen Seilen drängen, schmiegen und schmeicheln sich seine Strahlen und die von diesen geschaffenen blendenden Farben uns zu; ja man scheint sie einzuatmen, diese köstliche Helle, einzusaugen mit allen Poren, und mit ihr zugleich die sonnigste Heiterkeit. Den Armen müssen schon bittere Qualen foltern, der hier nicht jauchzend aufatmet. Welch Panorama vor der Terrasse! Die Peterskuppel in ihrer erhabenen Pracht blickt feierlich auf den gedemütigt staunenden Beschauer, und vergebens mühen sich daneben in dem Türme-, Häuser- und Palastgewimmel unter uns die Dutzende und aber Dutzende von Kuppeln, sich aufzurecken, um Beachtung zu erzwingen. Im Süden ragt das Kapitol auf und der baumgekrönte Palatin, im Südosten die Königsburg auf dem Quirinal, und auf dem grünen Rücken des Janiculus im Westen schimmern die bunten Villen, blitzt der dreifache Wassergruß der Acqua Paola und reitet der eherne Garibaldi auf hohem Sockel, Wache haltend gegenüber dem Vatikan, in dessen grüner Gartenpracht die weiße Kuppel der Sternwarte blinkt. In der Mitte des Häusermeeres jenseit des Tibers trotzt die Masse des Hadriansgrabes, die Engelsburg, auf deren Spitze Erzengel Michael das blitzende Schwert schwingt. Jahrtausende schauen zu uns herauf; denn zuletzt haftet unser trunkener Blick an dem Obelisken, der das weite Rondell zu unsern Füßen, die Piazza del Popolo (siehe Abbildung S. 517), schmückt, und an den beiden Schiffsschnäbelsäulen,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 528. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0528.jpg&oldid=- (Version vom 9.4.2021)