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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

den Salzburgern gegenüber nicht aus Glaubenseifer gehandelt, sondern sie waren ihm willkommen, weil sie tüchtige Bergleute waren. Es giebt eine angebliche Chronik des Magisters Georg Stöffler, der 1632 bis 1668 Stadtpfarrer in Freudenstadt war, in welcher die Vertreibung und die Irrfahrten der Salzburger bis zur Gründung ihrer neuen Heimat grausig und rührend beschrieben sind. Leider hat sich neuerdings herausgestellt, daß diese Chronik eine Erfindung aus dem 19. Jahrhundert ist. Als Erzähler wird in derselben der blinde Orgelmacher Konrad Schott redend eingeführt, der hiernach ein vertriebener Salzburger Knabe gewesen wäre, der all die Greuel der Vertreibung mitgemacht, Vater und Mutter dabei auf grausame Weise verloren und selbst auf der beschwerlichen Flucht das Augenlicht eingebüßt hätte. Allein es ist nachgewiesen, daß dieser Konrad Schott ein Schwabe und in Stuttgart zuhause war.

Freudenstadt, vom Schöneck aus gesehen.
Nach einer Photographie von Joh. Zimmermann in Freudenstadt.

Uebrigens giebt die Chronik selbst an, daß das Häuflein der Salzburger, als es bei der neuzugründenden Stadt anlangte, auf 89 Köpfe zusammengeschmolzen war, und andrerseits ergeben die alten Kirchenbücher Freudenstadts, daß der größere Teil seiner Ureinwohner aus den umliegenden Gegenden des württembergischen und badischen Schwarzwalds stammte. So viel aber ist richtig: jenes Häuflein Salzburger hat zusammen mit den vorhandenen Leuten des obenerwähnten Christophsthals den Grundstock der bergbautreibenden Bevölkerung der neuen Stadt abgegeben, die zehn Jahre nach ihrer Gründung schon 2000 Einwohner zählte.

Als Gründungsjahr gilt allgemein das Jahr 1599; in diesem Jahre hat man jedenfalls begonnen, den Wald auf der Anhöhe über Christophsthal auszuroden, auf welche nach der Wahl des Herzogs die Stadt zu stehen kam. Die erste sichere Urkunde datiert vom 3. November 1601; es ist ein „Ausschreiben des Herzogs Friedrich, um Unterthanen in die Freudenstadt einzunehmen“, und es heißt darin folgendermaßen:

Der Marktplatz mit dem Rathaus.

„Wir, Friedrich von Gottes Gnaden, Herzog zu Württemberg etc., geben allen und jeden, wes Stands und Würden sie seien, hienach zu erkennen, nachdem Wir bei Unsern Bergwerken in St. Christophsthal (welche durch den gnädigen Segen Gottes nicht allein in fruchtbarlichen Anfang allbereits kamen, sondern auch täglich zu mehrerem ersprießlichen Nutzen und Eintrag sich erzeigen) um besserer Bequemlichkeit willen von neuem eine Stadt, die Freudenstadt genannt, zu bauen angefangen, darin auch eine ziemliche Anzahl von aus- und inländischen Personen zu Bürgern auf- und eingenommen haben, daß Wir demnach solches zu kontinuieren und nicht Unsere zuvor verpflichteten Angehörigen allein, sondern andere Fremde oder Ausgesessene, welche redlichen und ehrlichen Herkommens und Thuns sind, in genannter Freudenstadt bürgerlich einkommen und jedem eine Hofstatt zur Erbauung eines Hauses sammt nöthigem Bauholz, auch etliche Morgen Felder zu Baugütern umsonst und ohne Bezahlung widerfahren zu lassen gemeint seien, welches Wir auf geschehen Ansuchen zu männiglichs Nachrichtung und Wissenschaft hiemit vermelden wollen.

Gegeben zu Dornstetten unter Unserer Handschrift und vorgedrucktem Fürstlichen Sekret-Insiegel, Dienstags den 3. November 1601 Friedrich.“     

Nach dieser bisher wenig bekannten Urkunde ist die Ueberlieferung abzuweisen, daß die Stadt zuerst „Friedrichsstadt“,

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 653. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0653.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)