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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Formbildung und Ausschmückung erinnern den Kenner lebhaft an orientalische Vorbilder, namentlich in Sicilien; der innere Thorbogen besteht aus Granit, über welchen eine Einfassung von Sandstein mit halbrunden Buckeln gelegt ist; der Granitbogen ist umkränzt von einer Reihe kleiner Ziegelbogen zierlichster Form. Wie bei orientalischen Bauwerken häufig, finden sich Inschriften, aus einzelnen quadratischen Ziegelsteinen mit Majuskelbuchstaben zusammengesetzt, welche fortlaufende Friese oder auch Bogeneinfassungen bilden. Es war nicht vergessen, daß der deutsche Orden seine ersten Häuser in Syrien baute.

Durch das finstere Thor blicken wir auf das Spitzdach des Brunnens, welcher nicht ganz in der Mitte des inneren, beinahe quadratischen Hofes steht. Ein Wappenadler erhebt sich darauf. Der Hof ist durch die in zwei Stockwerken ihn rings umgebenden Arkaden, mit Kreuzgängen hinter den gotischen Fenstern, auf jeder Seite um 10 Fuß eingeengt und so nur 82 Fuß lang, 65 Fuß breit. Im Erdgeschoß befinden sich große kellerartige Vorratsräume, Küchen, dicht am Thor ein Wachtlokal und daneben ein Gefängnis, in welchem der litauische Großfürst Witold lange nach der Freiheit geschmachtet haben soll, die er auch endlich in einer Verkleidung erreichte.

Sehenswert ist die St. Annenkapelle im Vorbau des Kirchenflügels. Sie ist doppelt so lang als breit, nur etwa 17 Fuß hoch und mit einem gedrückten, im Rundbogen ausgeführten Sterngewölbe eingedeckt, mit kleinen Kapellen in den starken Umfassungsmauern versehen und durch drei Fenster matt erleuchtet. Zwei einander gegenüberliegende Eingangspforten (vom Parchan her) bilden in der dicken Mauer gewölbte Vorhallen und sind aufs kunstvollste mit Stuckarbeiten, Stabwerk, Blätter- und Tierarabesken, Darstellungen aus der biblischen Geschichte, geschmückt.

Unter dem Fußboden der Kapelle befand sich die Hochmeistergruft. Einige Leichensteine sind noch erhalten, darunter der Heinrichs von Plauen, der als Komtur die Marienburg rettete, zum Dank dafür zum Hochmeister gewählt, aber schon nach drei Jahren, weil er Adel und Städte bei der Landesregierung beteiligen wollte, schmählich abgesetzt wurde und sein Leben als Pfleger der Burg Lochstedt in halber Gefangenschaft endete. In der Annenkapelle hatten die Jesuiten für sich ein niedriges Grabgewölbe errichtet. Um von ihrem quer durch den trockenen Graben zwischen den beiden Schlössern erbauten Wohnhause einen leichteren Zugang zur Stadt zu schaffen, war ein Brettersteg darüberhin quer von einem Fenster zum andern und durch dieselben gelegt worden, wegen des dumpfen Schalls beim Auftreten Böller-(d. h. Polter-)Brücke genannt. Sie wurde noch zu Anfang dieses Jahrhunderts vom Publikum benutzt.

(Schluß folgt.)     



Blätter und Blüten.


Gutenberg-Feier in Mainz. Die altehrwürdige Rheinstadt Mainz rüstet sich, im nächsten Jahr den Tag festlich zu begehen, an welchem vor 500 Jahren ihr großer Sohn Johannes Gutenberg zur Welt kam. Der Oberbürgermeister von Mainz Dr. Gaßner hat soeben einen Aufruf veröffentlicht, der von zahlreichen Männern aller Kreise und der verschiedensten Nationen unterzeichnet ist und die ganze gebildete Welt einladet, an der Gedächtnisfeier teilzunehmen. Gutenbergs Andenken zu ehren, hat die Geburtsstätte der Buchdruckerkunst das erste Anrecht und die besondere Pflicht. Aber wie Gutenbergs Werk den Erdkreis umspannt und die Völker verbindet, so muß an einer Gedächtnisfeier für ihn, den Wohlthäter der Gesamtheit, die gesamte Menschheit dankbaren Anteil nehmen. Aller Fortschritt in Bildung und Gesittung, an welchem wir uns am Ende des 19. Jahrhunderts mit freudigem Stolz beteiligt fühlen, hat in der edlen Kunst Gutenbergs ihren mächtigsten Hebel gehabt. Der Plan der Feier, die am Johannistage 1900 das „goldne Mainz“ begeht, wird noch bekanntgegeben werden; zur bleibenden Erinnerung ist als Ehrendenkmal für den großen Meister vor allem die Gründung eines Gutenberg-Museums in Aussicht genommen.

Das Wittekind-Denkmal in Herford. (Zu der Abbildung S. 645.) Während wir in Karl dem Großen den großen Herrscher verehren, der das von ihm mächtig erweiterte Fränkische Reich zum starken Hort des Christentums machte, ist der Sachse Wittekind die heldenhafte Verkörperung des treuen Festhaltens am Glauben der Väter bis zum letzten Entscheidnngskampf. Als die Mehrzahl der sächsischen Edelinge sich auf dem Reichstag zu Paderborn dem siegreichen Kaiser Karl unterwarf, blieb der tapfere Westfalenhäuptling Widukind von Engern allein fest im Widerstande. Seinem Beispiel folgend, erhob sich aber das ganze Sachsenvolk. Acht Jahre lang, bis zu seiner Taufe in Attigny, wußte Wittekind dem Frankenheere zu trotzen. Doch nachdem er sich der Macht des Christengottes gebeugt hatte, war und blieb er ein treuer Vasall Kaiser Karls, der ihn zum Herzog der Sachsen erhob. Seine Residenz hatte er in Enger, wo die Stammburg seines Geschlechts stand. Dort ruhen auch seine Gebeine, in der über der Grabstätte erbauten alten Stiftskirche. Im Jahre 1414, als Enger zu veröden drohte, wurden die Gebeine nach der benachbarten Reichsstadt Herford übergeführt, wo sie verblieben, bis sie im Jahre 1822 der neue Landesherr, König Friedrich Wilhelm III von Preußen, zurückschaffen ließ. Seit kurzem erinnert in Herford ein schönes Denkmal an Wittekind, das ihn in lebensvollster Verkörperung zeigt. Der Sage nach bestimmte den tapferen Sachsenführer bei seinem Entschluß, sich taufen zu lassen, das plötzliche Aufspringen einer Quelle unter den Hufen seines Rosses, während er in Zweifeln dahinritt. Der Bildhauer Wefing in Berlin, ein Herforder Kind, hat diesen Vorgang gestaltet. Er entnahm ihm zugleich das Motiv, dem Denkmal den Charakter eines Brunnens zu geben. Am 28. Juni war die feierliche Einweihung dieses Wittekind-Brunnens; er hat seinen Platz in den Anlagen des Wilhelmsplatzes gefunden. Am Tag der Feier wurde von Herforder Bürgern ein wirkungsvolles Festspiel von Hedwig Müffelmann aufgeführt, das unter dem Titel „Sonnenwende“ Wittekinds Heldentum feiert.

Straßenkampf in Leipzig am 19. Oktober 1813. (Zu dem Bilde S. 648 und 649.) Die Würfel waren gefallen. Nach mehrtägigem heißen Streiten war am 18. Oktober 1813 bei Leipzig die entscheidende Völkerschlacht geschlagen worden. Die verbündeten Heere der Preußen, Oesterreichs, Russen und Schweden hatten über die Franzosen jenen weltgeschichtlich so bedeutenden Sieg davongetragen, der Europa von der französischen Herrschaft befreite und den Grund zu Deutschlands Einigkeit und Größe legte. Aber der Morgen des 19. Oktobers sollte neue blutige Arbeit bringen. Napoleon hatte wohl den Rückzug seiner Armee angeordnet, zur Deckung derselben aber in Leipzig einen Teil der Truppen zurückgelassen mit der Aufgabe, die Sieger aufzuhalten und so an der Verfolgung seines in westlicher Richtung über Lindenau nach Thüringen zurückweichenden Heeres zu verhindern. Aus allen anderen Himmelsrichtungen wurde die Stadt von den Verbündeten hart bedrängt. Die Franzosen leisteten heftigen Widerstand, und nur langsam und unter stetigem Ringen konnten die Verbündeten in die Vorstädte eindringen. Besonders heiß entbrannte der Kampf um das äußere Grimmaische Thor, das fest verrammelt, mit eisernen Widerhaken geschützt und mit Schießluken versehen war. Aber endlich gelang es doch, das Thor zu erstürmen. Früher ward diese That der Königsberger Landwehr unter Major Friccius’ Führung zugeschrieben, dem an dieser Stelle auch ein Denkmal errichtet ist, heute weiß man, daß Major Otto Freiherr von Mirbach mit den pommerschen Füsilieren der Erstürmer war. Aber der Kampf war mit der Erstürmung des Thores noch nicht beendet, sondern setzte sich in den angrenzenden Straßen mit wachsender Erbitterung fort, von Freund und Feind noch viele Menschenleben fordernd.

Unser Holzschnitt, die Nachbildung eines Gemäldes des besonders durch seine Darstellungen aus der Zeit der Freiheitskriege rühmlichst bekannten Malers Professor Robert Haug, das sich im Museum der bildenden Künste zu Leipzig befindet, stellt den Straßenkampf dar, der sich unmittelbar an die Erstürmung des äußeren Grimmaischen Thores anschloß. Der Schauplatz ist der hinter dem Thore gelegene Grimmaische Steinweg, welcher zu einem freien Platz, dem heutigen Augustusplatz, dicht vor der inneren Stadt führt. Ein Morgensonnenstrahl dringt durch den Oktobernebel und Pulverdampf und beleuchtet die links sich hinziehende Häuserreihe. Die Franzosen haben auf dem von tagelangem Regen durchweichten schwer befahrbaren Wege Kanonen aufgefahren und richten auch aus den Häusern Gewehrfeuer auf die siegreich vorwärts stürmenden Preußen. Diese gehören verschiedenen Waffengattungen an, haben sich hier aber zu gemeinsamer That vereint. Jedes Haus ist vom Feind zu einer Feste umgestaltet und muß einzeln genommen werden. Weiter hinten im Mittelpunkt des Bildes hat sich ein Trupp Franzosen zum Schutz einer Kanone aufgestellt. Aber dem Ruf der Trompete folgt eine von Begeisterung erfüllte, todesmutige Kriegerschar und dieser werden sie trotz verzweifelter Gegenwehr doch weichen müssen. Geschütz um Geschütz wird in die Hände der Sieger fallen, Haus um Haus erobert werden, bis die gänzliche Einnahme der Stadt vollzogen ist. – Im Hintergrunde erkennt man das innere Grimmaische Thor und Dächer und Giebel der schwer geprüften Lindenstadt, über die sich der Turm der Nikolaikirche – ein stummer Zeuge all des Kriegsgreuels ringsum – zum Himmel emporhebt.

Vor der Gärtnerei in Rheinsberg. (Zu dem Bilde S. 657.) Das Schloß zu Rheinsberg, als der Aufenthaltsort des jungen Kronprinzen Friedrich, der hier nach der Einweihung des jahrelang dauernden Umbaues, 1736 bis zu seiner Thronbesteigung 1740, wohnte, ist einer

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0675.jpg&oldid=- (Version vom 3.5.2023)