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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

er zweimal das große Los gewonnen hatte und die Gehälter mehrerer Aemter zusammenhäufte, stets in Geldverlegenheit war, zu keinen Gehaltserhöhungen bewegen. Einmal fand der Graf die für eine Gesandtschaft ausgesetzten Gelder nicht ausreichend; da machte der König kurzen Prozeß; er schrieb ihm, daß er ihn von dieser Gesandtschaft entbinde, da er für dieselbe eine Auswahl von geeigneten Persönlichkeiten habe.

Die Verdienste Gotters in seinen verschiedenen Verwaltungsämtern wie auch bei seinen diplomatischen Sendungen blieben meistens im stillen; anfangs war er nur als Gesandter von Gotha für fürstliche Privatinteressen thätig. Nur einmal tauchte er auf der Bildfläche der Weltgeschichte auf und hatte einen Anteil an den großen Ereignissen derselben, allerdings keinen erfolgreichen; doch er war ein so großes Glückskind, daß selbst der Unstern bei einer der wichtigsten Verhandlungen ihm nichts anhaben konnte und er durch einen offenkundigen Fehlschlag nicht die Gunst seines Fürsten verscherzte.

Es war im Jahre 1741, als König Friedrich II ihn an den Wiener Hof schickte, um dort seine Forderungen auf die Fürstentümer Jägerndorf, Liegnitz, Brieg und Wohlau nach dem Tode des Kaisers Karl VI geltend zu machen; das war in der That eine weltgeschichtliche Sendung. Denn hätte Graf Gotter damals Erfolg gehabt, so wäre es nicht zu den Schlesischen Kriegen gekommen, und auch von dem Siebenjährigen Kriege hätte Klio nichts zu berichten; doch der Kriegsruhm des großen Friedrich sollte nicht im Keime erstickt werden. Gotter kehrte unverrichteter Sache von Wien zurück. Offenbar durch seine früheren Triumphe verwöhnt, vergaß der Diplomat, daß die Lage der Dinge an der Donau sich inzwischen gänzlich geändert hatte. Die früheren Genossen Gotters, die vornehmen Freunde und Gönner hatten nicht mehr das Heft in Händen und Maria Theresia war weit davon entfernt, in einem hochbegabten Don Juan das Ideal einer bewundernswürdigen Männlichkeit zu sehen. Doch Gotter schien in seiner Selbstverblendung von dem Umschwung der Dinge gar nichts zu merken, oder er glaubte, im Vollgefühl seiner diplomatischen Kunst widerstrebende Einflüsse rasch beiseite schieben zu können. Hierzu kam, daß er der Vertreter eines jungen, genialen, hochstrebenden Monarchen war, der im stillen schon die Absicht hegte, sein Schwert in die Wage der Geschicke Europas zu werfen. Das alles bestimmte ihn, einen hochfahrenden gebieterischen Ton anzuschlagen.

Doch die vierundzwanzigjährige Maria Theresia war keine gekrönte Staatspuppe, sondern eine energische junge Frau; sie durfte auf die begeisterte Anhänglichkeit ihres Volkes rechnen, die sich ein Jahr später so glänzend bewährte, als sie in Pest mit ihrem kleinen Sohn in der Mitte der getreuen Magyaren erschien, deren Säbel unter lautem Jubelruf aus der Scheide flogen und die mit Begeisterung ihre Hilfsbereitschaft erklärten. So wurde dem Abgesandten des Preußenkönigs auf seine ungestüme Forderung ein schroff ablehnender Bescheid zu teil, und als er trotzdem die Verhandlungen in die Länge zu ziehen suchte, um dem König Zeit für seine kriegerischen Vorbereitungen zu gewinnen, erhielt er die Weisung, binnen 48 Stunden Wien zu verlassen. Er schied vom Schauplatze seiner früheren Triumphe mit einer diplomatischen Niederlage. Doch fast schien es, als ob der König über diesen Mißerfolg gar nicht ungehalten sei; sein Thatendurst, seine Kampflust konnten ja jetzt volles Genügen finden.

Der Günstling des Glückes hatte aber auch seine bösen Stunden, die indes seine unverwüstliche Heiterkeit nicht trüben konnten. Infolge seines ausschweifenden Lebens stand es schlecht mit seiner Gesundheit; Gicht und Wassersucht hatten sich eingestellt. Der König, der ihn noch 1744 zu einem der vier Kuratoren der königlichen Akademie der Wissenschaften ernannt hatte, konnte doch nicht umhin, seinem Drängen nach Verabschiedung aus dem Staatsdienste endlich nachzugeben, und so wurde er 1745 pensioniert. „Ich beklage,“ schrieb ihm Friedrich, „einen liebenswerten Mann, dessen Verlust ein Bankerott für Berlin ist, und versichere Sie, daß, wenn man jemand an Ihrer Stelle zum Teufel schicken könnte, ich ihm ein halbes Kommando opfern würde, um Ihre schöne und große Seele aus seinen Händen zu retten.“

Seine Geldsorgen ließen Gotter indes nicht zur Ruhe kommen. Er hatte schon 1742 sein Rittergut Neugottern an einen Herrnhuter verkauft, den Grafen Balthasar Friedrich von Promnitz; er verwandte den Ertrag zur Aufbesserung seines Gutes zu Molsdorf, kaufte einige Acker vom Kammergute Ichtershausen dazu und hob gegen eine Abgabe die Fronen auf. Gleichwohl konnte er auch Molsdorf nicht behaupten und verkaufte diese Besitzung an den württembergischen Geheimrat und Erboberstallmeister Heinrich Reinhold Freiherrn Roeder von Schwende, wobei er sich indes das Recht vorbehielt, unter gewissen Bedingungen und Beschränkungen Schloß und Park benutzen zu dürfen. Erst einige Jahre später, 1757, nahm er für immer Abschied von dem schönen Besitztum. Unbemerkt und still ritt er an einem nebelgrauen Morgen durch den Weidgarten von dannen; beim Abschied hatte er ausgerufen: „Liebes Molsdorf, lebe wohl! Du hast mir Geld genug gekostet!“

Inzwischen hatte sich im Jahre 1752 in Montpellier, wo Gotter eine längere Kur durchmachte, seine Gesundheit wieder gänzlich gebessert, seine kräftige gesunde Natur abermals den Sieg davongetragen über die Leiden, die er sich durch allzugroße Zumutungen an dieselbe zugezogen, und als er mit vollständig wiedergewonnener Frische des Körpers und Geistes zurückkehrte, da zögerte er nicht, nochmals in den preußischen Staatsdienst zu treten. Als Oberhofmarschall, Kurator der Akademie und als Generalpostmeister blieb er in diesem thätig bis zu seinem Tode, der am 28. Mai 1762 in Berlin erfolgte.

Die hohe Anerkennung, die Friedrich der Große ihm zollte, ist ein bleibender Rechtstitel für seinen guten Ruf bei der Nachwelt; denn dieser Sausewind des Gothaschen Eremitenordens, dieser „blitzeschleudernde Jupiter“ in den Kabinetten der Wiener Diplomaten muß doch auch eine große geschäftliche Tüchtigkeit besessen haben, wenn ein Herrscher wie Friedrich der Große, der sich in Staatsangelegenheiten nicht mit dem Schaum des Esprits begnügte, sondern auf den Kern der Sache ging, ihm so viele hohe Staatsämter anvertrauen konnte. Ebenso bewies Gotter, daß das Glück nicht immer nur den Dummen hold ist, sondern auch den Klugen; denn er war eine der klügsten, gewandtesten, geistreichsten Persönlichkeiten, welche das Deutschland des 18. Jahrhunderts besaß.


Wasserspendende Lianen.
Von Dr. Friedrich Knauer.

Welch’ merkwürdige Wirkung doch ein einziges Wort zu erzeugen vermag! Lianen – wem taucht da nicht sofort die Erinnerung an die herrlichen Urwaldschilderungen von A. v. Humboldt, von Grisebach oder aus diesem oder jenem Reiseberichte berühmter Tropenwanderer auf! Wem zaubert das Wort nicht augenblicklich den tropischen Urwald mit seiner Pflanzenüberfülle, seiner üppigen Vegetation vor Augen, die mächtigen, hochaufragenden Baumriesen über und über von Aroideen mit ihren riesigen Blättern, von Farnen mit ihren gefiederten Wedeln oder hängenden Bändern, von bizarr gestalteten farbenbunten Orchideen umklammert und überwuchert – den mit unzähligen Kräutern und riesigen Moderpflanzen überzogenen Waldboden und über all dem das dichte grüne Laubdach der Bäume, das dem Sonnenlichte den Eingang wehrt und das üppige Wuchern und Blühen mit grünem Dämmerlichte umfangen hält! Das ist die Heimat der Lianen, welche, dem Takelwerk eines Riesenschiffes vergleichbar, wie lebende Taue von Zweig zu Zweig sich winden, sich ineinander verschlingen und verflechten, in langen Strähnen zur Erde herabhängen, eine vielerwünschte und vielbenutzte Turnstätte für die Kletterlust des behenden Affenvolkes.

Daß aber diese Kletterer der Pflanzenwelt lebende Wasserbehälter sind, die Urwaldliane zur „Hebe“ werden kann, die dem durstenden Reisenden labendes Naß kredenzt, das war wohl dem einen und anderen Urwaldforscher bekannt, wird aber erst jetzt wissenschaftlich bestätigt und näher erforscht.

In neuester Zeit ist viel von dem Botanischen Garten zu Buitenzorg auf Java die Rede, der außer seinem Herbarium, botanischen Museum, pharmakologischen Laboratorium, den botanischen Laboratorien,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0683.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2023)