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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

filzige Massen von schmutziggrüner Farbe, ein unauflösbares Gewirr von Algenfäden, in stilleren Buchten aber glänzt inmitten die Königin aller Wasserpflanzen, die weiße Seerose, die jedem deutschen See ebenso zur Zierde gereicht wie ihre stolze Schwester, die Victoria regia den tropischen Sümpfen.

Wer im Kahn über die ruhende Flut hingleitet, dem kommt kaum zum Bewußtsein, welche Fülle von tierischen Organismen sich zwischen diesem Pflanzengewirr findet. Da tummeln sich räuberische Wasserkäfer und Wasserwanzen; Wasserschnecken kriechen an den Pflanzen umher, im Schlamm des Bodens steckt die Teichmuschel, die Steine sind besetzt mit langsam kriechenden Würmern, zwischen den Stengeln der Pflanzen spielen Hunderte von kleinen Fischchen, die in ganzen Scharen enteilen, wenn unser Kahn sich nähert, in größerer Entfernung steht ruhig im Wasser ein stattlicher Hecht, der gewaltige Räuber. Auf dem Boden erheben sich zwischen dem Schilf hier und da korallenartig verzweigte Gebilde; es sind Süßwasserschwämme, die wir freilich dem Aeußeren nach ebensowenig für Tiere halten würden wie die Moostiere, die knollenartig die Schilfstengel umgeben.

Zu diesen ständig im Wasser lebenden Tieren, die wir alle mit leichter Mühe vom Kahn aus beobachten und mit dem Netz fangen können, kommt noch die ganze Schar der Insektenlarven, die sich ebenfalls hier aufhalten. Die glitzernde Libelle, die mit schwirrendem Flug durch die Luft rast, verlebt ihre Jugend ebenso im Wasser wie die harmlose Eintagsfliege und die blutgierige Schnake; zahllos finden sich, kleinen Würmchen ähnlich, die Larven vieler Fliegen im Schlamm, und auf dem Schlamm kriecht in ihrem selbstgefertigten kunstvollen Gehäuse die Larve der mottenähnlichen Frühlingsfliege.

All dies reiche Leben ist an die pflanzenbewachsene Uferzone gebunden. Lenken wir unseren Kahn hinaus auf die freie Wasserfläche, so vermag unser Auge kein Leben im Wasser zu entdecken; nur hier und da verrät sich ein springender Fisch. Wenn wir das Netz zum Kahn hinauswerfen, werden wir vom Schiffer mit überlegenem Lächeln belehrt, daß wir hier nichts fangen werden.

Das alte Leipziger Rathaus.
Nach einer Photographie im Verlag von Hermann Vogel in Leipzig.

Wir können ihn leicht eines Besseren belehren. Die Forschungen des letzten Jahrzehntes besonders haben gezeigt, daß auch das freie Wasser keineswegs des organischen Lebens entbehrt, ja daß eine Fülle tierischer und pflanzlicher Geschöpfe das Wasserbecken fernab vom Ufer bevölkert, von deren schier zahllosen Scharen und deren Bedeutung man früher keine Ahnung hatte. Stülpen wir das Netz um, welches einige Zeit hinter dem Kahn hergezogen wurde, und leeren seinen Inhalt in ein Glas mit Wasser, so wimmelt es darin von winzigen, halbmikroskopischen Tieren. Meist sind es kleine Kruster, die sogenannten Hüpferlinge und die Wasserflöhe, die in lebhaften Bewegungen hier durcheinander fahren. Nehmen wir das Mikroskop zur Hand, so sehen wir, daß außer diesen mit bloßem Auge gerade noch zu erkennenden Tieren noch weitere Lebewesen sich in unserem Fang befinden. Teils gehören sie zu den sogenannten Rädertieren, teils aber sind es pflanzliche Organismen, welche die Botanik zu den Algen rechnet; hauptsächlich sind die durch ihren wunderbar gezeichneten Kieselpanzer bekannten Diatomeen vertreten.

Diese ganze schier unsichtbare Schar von Pflanzen und Tieren des freien Wassers schwimmt ständig und kommt nie zur Rast und Ruh’. Wenn auch mit eigenem Schwimmvermögen begabt, so sind diese zarten winzigen Lebewesen doch ein leichtes Spiel des Windes und der Wellen, sie werden in der weiten Wasserfläche umhergetrieben. Die heutige Wissenschaft faßt daher alle diese kleinen Bewohner des freien Wassers unter dem Namen „Plankton“ (griechisch, das Umhergetriebene) zusammen, und dieser Name ist längst über die fachwissenschaftlichen Kreise hinausgedrungen, er ist dem einfachen Fischer bekannt und geläufig geworden, denn immer mehr hat sich die große Bedeutung des Plankton herausgestellt.

Einer der interessantesten Kruster dieses Plankton wurde von seinem Entdecker, Leydig, im Magen des Felchen, des köstlichen Bodenseefisches, aufgefunden, und spätere Forschungen haben erwiesen, daß der Felchen, der ebenfalls nur im freien Wasser sich findet und nicht zu den am Ufer sich aufhaltenden Fischen gehört, sich ausschließlich von diesem Kruster nährt. In markanter Weise zeigt dieser eine Fall die Bedeutung des Plankton für die Fischzucht; wir wissen heute, daß die pflanzlichen Teile des Plankton die Urnahrung für alle Tiere des Wassers darstellen und daß ohne Plankton die Fische nicht existieren könnten, denn auch die großen Räuber, die später von andern Fischen sich nähren, sind in ihrer zartesten Jugend auf die mikroskopisch kleinen Kruster des Plankton angewiesen.

Von der Fülle, in welcher diese winzigen, dem bloßen Auge kaum sichtbaren Wesen im Wasser vorhanden sind, bekommen wir gelegentlich einen Begriff; hier und da erscheint das Wasser mißfarbig und beinahe breiig; sehen wir näher zu, so finden wir, daß eine Tier- oder Pflanzenart die Ursache hiervon ist. Milliarden winziger Wesen bedingen in ihrer ungeheuren Zahl diese Erscheinung, die dann auch dem Laien die Existenz solcher winzigen Organismen verrät. Meist aber bedarf es eigener mühsamen Forschungen, um einen Ueberblick über die Menge zu erhalten, in welcher das Plankton vorhanden ist. Wir können hier nicht näher darauf eingehen und begnügen uns mit dem Hinweis auf eine von Br. Hofer auf dem Fischereitag in Friedrichshafen gemachte Angabe. Nach den Untersuchungen dieses Forschers ist die im Bodensee vorhandene Masse kleiner schwimmender Lebewesen auf nicht weniger als 2000 Doppelcentner zu berechnen.

Die wissenschaftliche Kommission des Bodensees hat sich das gründliche Studium aller Lebewesen des Schwäbischen Meeres, soweit es möglich war, angelegen sein lassen. Leider sind die betreffenden Arbeiten noch nicht völlig publiziert, indem noch die zweite Hälfte der Berichte über die „Vegetation des Bodensees“ aussteht.

Für die Verteilung der Pflanzen nach der Tiefe hin kommt ganz besonders die schon erwähnte Frage nach der Belichtung der tieferen Wasserschichten in Betracht. Am günstigsten sind die Bedingungen für die Bodenflora in dieser Beziehung am Ufer; hier

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 705. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0705.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)