Seite:Die Gartenlaube (1899) 0707.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

deutschen Buchhandels kam in dem prächtigen neuen Buchhändlerhaus zum Ausdruck, für welches das Areal von der Stadt Leipzig geschenkt ward. Den Bemühungen des Oberbürgermeisters Georgi gelang es, die alte Einrichtung der Messen neu zu beleben; ihm ist die Einverleibung von siebzehn Vororten in die Stadtgemeinde zu danken, die sich in den Jahren 1889 bis 1892 vollzog und welche es Leipzig ermöglichte, sich nach allen Seiten unbehindert auszubreiten. Besondere Aufmerksamkeit widmete Georgi den Einrichtungen für das Armenwesen, der Hebung der Gesundheitsverhältnisse, dem Schul- und Unterrichtswesen und der Verbesserung der Verkehrsmittel. Herrliche Parkanlagen und Volkshaine entstanden zur Verschönerung der Stadt und Erholung der Bürger. Leipzigs Wasserwerke, Schlachthofanlage und Markthalle gelten als vorbildlich für andere Gemeinden. Die Förderung von Kunst und Wissenschaft ließ er sich nicht minder angelegen sein. Die Erweiterung des Museums der bildenden Künste, die Erbauung des Grassimuseums für Völkerkunde und Kunstgewerbe, des neuen Gewandhauses u. a. fiel in die letzten Jahrzehnte.

Georgi ist am 22. November 1831 zu Mylau im Vogtlande als Sohn des dortigen Großindustriellen und ehemaligen sächsischen Ministers Georgi geboren. Er besuchte das Gymnasium zu Plauen i. V. und studierte in Leipzig, Göttingen und Heidelberg. Im Jahre 1858 ließ er sich in Leipzig als Rechtsanwalt nieder, und 1867 ward er ins Stadtverordnetenkollegium gewählt. Hier erkannte man sehr bald die Bedeutung Georgis und berief ihn schon im Jahre darauf zum Vicevorsteher des Kollegiums, dem 1870 die Wahl zum Vorsteher folgte. Im Jahre 1874 ward ihm das Amt des Vicebürgermeisters und zwei Jahre später das des Bürgermeisters oder – wie es seit 1877 heißt – Oberbürgermeisters übertragen. Auch außerhalb des städtischen Gemeinwesens hat Georgi segensreich gewirkt. In den Jahren 1871 bis 1876 ist er als Mitglied des Deutschen Reichstags thätig gewesen, und in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister von Leipzig gehörte er der Ersten Sächsischen Kammer an, deren Vicepräsident er war. Kurz vor seinem Abgang, am 19. September, hat er noch den Grundstein zu dem neuen Rathause gelegt.

Aus Anlaß seines Rücktritts vom Amte sind ihm mannigfache Beweise der Verehrung aus der Mitte der Bürgerschaft gegeben worden, und der König von Sachsen hat ihm den Titel eines Geheimrats verliehen. Sein Nachfolger ist der bisherige zweite Bürgermeister Leipzigs, Dr. Tröndlin.

Dr. Georgi.
Oberbürgermeister von Leipzig.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph N. Perscheid
in Leipzig.

Ein Hochseefischer aus dem Vogelreiche. (Zu dem Bilde S. 677.) Wenn man von den besten Fliegern unter den Vögeln spricht, so pflegt man den Albatros, einen Bewohner der südlichen Meere, als den hervorragendsten Flugkünstler zu feiern. Kein anderes Tier im Federkleide vermag wie er tagelang dem fahrenden Schiffe zu folgen, ohne ein einziges Mal auf den Wogen zur Ruhe sich niederzulassen, kein anderer Vogel ist imstande, so gewaltige Strecken im Fluge zu durchmessen wie dieser. Wir kennen aber auch aus der nördlichen Erdhälfte einen fluggewandten Beherrscher der Lüfte, der wohl genannt zu werden verdient unter den Vögeln, bei denen das Flugvermögen eine besonders hohe Entwicklung erreicht hat. Das ist der sogenannte Tölpel, Sula bassana, der in diesem Heft der „Gartenlaube“ in einem von dem bekannten Tiermaler Paul Neumann nach dem Leben entworfenen Bilde vorgeführt wird. Das Original zu dieser Zeichnung ist augenblicklich im Berliner Zoologischen Garten. Dort befindet sich der Vogel in einer hohen Voliere, zusammen mit zahlreichen Vertretern der Sumpf- und Wasservögel, er hat dort Felsen und Wasser, aber leider keine Möglichkeit, seine Schwingen zu gebrauchen. Der Flugraum genügt trotz seiner Größe nicht, um dem Vogel eine freie Bahn zum Abfliegen zu gewähren. So sieht man ihn denn in plumpem, watschelndem Gange mühsam sich fortbewegen, und wer ihn betrachtet, ist wohl geneigt, zu verstehen, weshalb man ihm den Namen „Tölpel“ gegeben haben könnte. Und doch würde jeder andere Seevogel ebenso unbehilflich sein, wenn er seinem gewohnten Elemente entrissen wäre.

Der Tölpel lebt an den Rändern des Oceans, von dort aus macht er seine Jagdzüge weit hinaus auf das Meer. In Europa hat er an den Küsten von England, Schottland und Irland, auf den Färöerinseln und Island seine Brutstätten, und man hat auch in der Nähe des Lawrencegolfes an der amerikanischen Seite des Atlantischen Oceans einige Kolonien dieses Vogels gefunden. Er rottet sich gegen Ende des März oder im Anfang des April zu vielen Hunderten zusammen, um auf wilden, zerklüfteten Klippen gewöhnlich in Gemeinschaft mit Kormoranen, Alken und Lummen das Brutgeschäft zu besorgen. Der nordatlantische Tölpel, mit dem wir es hier zu thun haben, heißt auch Baßtölpel, und dieser Name rührt nicht etwa von seiner tiefen Stimme her, sondern bezeichnet einen Vogelfelsen am Eingange des Firth of Forth in Schottland, auf welchem unsere Art in großen Mengen brütet. Jedes Weibchen legt jährlich nur ein Ei, welches schmutzigweiß ist und eine fast glanzlose Schale hat wie ein Kormoranei. Das Nest, welches diesem Ei als Unterlage dient, besteht gewöhnlich nur aus einem zusammengescharrten Haufen von Seegras. Zuweilen liegt das Ei auf der bloßen Erde in einer Vertiefung. Die Jungen kommen blind und nackt zur Welt, aber sehr bald wird ihr schwarzgrauer Körper von weißen Dunen bedeckt, die später durch ein tiefbraunes Gefieder ersetzt werden, in welchem jede Feder einen weißen dreieckigen Fleck trägt. Erst nach drei Jahren ist der Tölpel vollständig ausgefärbt. Er ist dann so groß wie eine Gans, schneeweiß, sein Kopf und Hals ölbraun überflogen, die Ränder der großen Schwingen sind schwarz. Um das Auge herum und an der Kehle bleibt je ein dunkelbrauner Fleck unbefiedert. Im Herbst, wenn die Jungen fliegen können, verlassen die Tölpel ihre Felsenburg und zerstreuen sich weithin über das Meer. Während sie im Sommer gelegentlich bis zur Ostsee und häufiger an die norwegische Küste kommen, also immerhin recht weit von ihren Brutplätzen sich auf der Jagd nach Fischen entfernen, findet man sie im Winter nach Süden bis Madeira und bis zu den Kanarischen Inseln auf der afrikanischen Seite des Atlantischen Oceans, bis zum Golf von Mexiko in Amerika verbreitet. Sie folgen im Herbst den Zügen der Heringe. Den Fischern sind sie darum willkommene Erscheinungen, weil man mit Sicherheit da, wo sie sich in größeren Flügen zeigen, auf einen guten Fang rechnen darf.

Dem Naturforscher ist der Tölpel wegen einiger merkwürdiger Eigenschaften besonders interessant. Wer nämlich nicht genau genug zu untersuchen versteht, wird vergeblich bei ihm nach den Nasenlöchern und nach der Zunge suchen. Die Nasenlöcher sind bis auf einen sehr schmalen Spalt durch Horn bedeckt und die Zunge ist ganz verkümmert. Eigentümlich ist auch der Bau der Füße, weil alle vier Zehen durch eine Schwimmhaut miteinander verbunden sind, und nicht minder bemerkenswert sind die zahlreichen unter der Haut liegenden Luftsäcke, welche miteinander und mit der Lunge in Verbindung stehen, willkürlich aufgeblasen werden können und so durch Verringerung des Körpergewichtes dem Vogel wesentlich das Fliegen erleichtern.

Nach einem schweren Sturm verfliegt sich der Tölpel wohl einmal bis in das Innere von Deutschland; so hat man im Münsterlande und in der Mark diese Art nachgewiesen. Matschie.     

Vor dem Kurhause in Bad Reichenhall. (Zu dem Bilde S. 689.) Reichenhall, eine der bedeutendsten Heilstationen des Kontinents, ist nicht nur ein vielbegehrter Zufluchtsort derer, welche dort Genesung von mancherlei Leiden erhoffen, sondern auch ein beliebtes Wanderziel solcher, die für kürzere oder längere Zeit die Naturschönheiten dieser Gegend nützen wollen. Dem Freunde der Alpenwelt, wenn er nicht gerade zu den Gipfelstürmern zahlt, bieten sich hier die mannigfaltigsten Ausflüge durch Wälder und Auen, auf Almen und Bergeshöhen. Unter den Sommergästen Reichenhalls finden sich daher neben Leidenden, denen man das Siechtum vom Gesicht ablesen kann, viel Gesunde, die man beinahe fragen möchte, was sie im Bade zu suchen haben. Alle Nationalitäten sind vertreten und alle Stände. Besonders in früher Morgenstunde, wenn das Badeleben im Kurgarten beginnt, tritt dies recht auffallend hervor. Ein Teil promeniert im Wandelgang und trinkt Milch und Molken dabei; ein anderer Teil sucht die Wege längs des Gradierhauses auf, um die Lungen an der salzhaltigen Luft zu stärken, während andere den vorgeschriebenen Spaziergang nach dem Bade machen und sich mit den Gesunden an dem Morgenkonzerte erfreuen. Zur vorgerückten Tageszeit gestaltet sich das Bild der vor dem Kurhause verkehrenden Gäste noch etwas lebhafter. Die elegante Welt hat sich hier auf ein paar Stunden angesiedelt, um den herrlichen Sommertag im Freien zu genießen. Man thut dies nicht, ohne dabei Erfrischungen aller Art zu sich zu nehmen; Bier spielt dabei allerdings keine Rolle, nur hier und da sieht man bei einem nichts weniger als leidenden Herrn das goldbraune Naß stehen; Kaffee, Milch, Limonade sind mehr an der Tagesordnung; aber es läßt sich auch bei diesen sanften Getränken mit Scherzen und Disputieren die Zeit verbringen. Man hat genug zu thun, jede neu auftauchende elegante Persönlichkeit „unter die Lupe zu nehmen“, die verschiedenen Toiletten zu kritisieren, die Verhältnisse der einzelnen Gruppen zu studieren, sich Badeneuigkeiten zu erzählen oder in stummer, behaglicher Passivität die Variationen des eigenartigen Verkehrs auf sich wirken zu lassen. B. Rauchenegger.     

Kinderbelustigung im Zoologischen Garten zu Berlin. (Zu dem Bilde S. 693.) „Im Zo“, sagt der Berliner kurz und bündig, wenn er „Im Zoologischen Garten“ meint, und an schönen Sommertagen kann man in Berlin W mit ziemlicher Sicherheit darauf gefaßt sein, auf die Frage: „Wo seid ihr heute abend?“ die Antwort zu erhalten: „Natürlich im Zo!“ Der Zoologische Garten ist in der That der beliebteste Erholungsort der Reichshauptstadt, und von Jahr zu Jahr wendet sich ihm in steter Steigerung die Gunst neuer Freunde zu. Besonders seitdem ihm die Neubauten und Neuanlagen dieses Sommers den Charakter eines wahrhaft weltstädtischen Etablissements im vornehmsten Stil gegeben haben, ist er täglich das Ziel vieler Tausender.

Den vom Kurfürstendamm her Eintretenden bietet sich ein entzückender Anblick. Ihn nimmt eine 20 m breite und 160 m lange, des Abends glänzend erleuchtete Doppelpromenade auf, mit Rasenmittelstück und Blumenbeeten, am Ende abgeschlossen durch einen Springbrunnen und einen chinesischen Musiktempel. Von hier aus schlingen sich die Wege unter schattigen Bäumen hin über die weite Fläche zu den einzelnen Tierbehältern. Hoch ragt goldglänzend das indische Elefantenhaus auf, nicht weit davon steht die große Antilopenhalle, jetzt durch Begas’

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 707. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0707.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2023)