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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

bekannte Centaurengruppe noch verschönert. Die Raubtiere schließen sich an, die Bären, Hirsche, Vögel – alles in buntem Gemisch und doch mit klugem Bedacht systematisch geordnet. Die Raubtiersammlung umfaßt jetzt 102 Arten, die Wiederkäuersammlung 115, die Papageisammlung 133 und die Sammlung fremdländischer Sing- und Schreivögel gar 292 Arten.

Man sieht, die wissenschaftliche Arbeit wird von der Verwaltung nicht vernachlässigt. Aber freilich – von der Wissenschaft und für sie allein könnte ein so kostspieliges Unternehmen wie der Zoologische Garten nicht leben. Es muß auch mit dem Vergnügungssinn der großen Menge rechnen. Und für das Vergnügen ist durch verschiedene Wirtschaften und Kaffeeschenken, vor allem aber durch das große Hauptrestaurant aufs allerbeste gesorgt. In der guten Jahreszeit beträgt der Besuch an Werktagen durchschnittlich 10000 bis 15000 Personen. An Sonntagen steigt diese Zahl auf 30000 bis 40000, und am „billigen Sonntag“, dem ersten in jedem Monat, an dem der Eintritt nur 25 Pfennig kostet, da hat man die Zahl der Besucher schon auf 100 000 geschätzt. Aber nicht nur eine Stätte der Wissenschaft und des Vergnügens ist der Garten, er hat auch als Erholungsort seine Bedeutung, und zwar besonders für das heranwachsende Geschlecht. Für die Kinder ist er ein wahres Paradies, und Kinder jeden Alters sieht man denn auch in hellen Scharen an schönen Tagen vom frühen Morgen bis zum späten Abend hier unter den grünenden Bäumen herumtollen, sorgsam beschützt von Mutter oder Kinderfrau. Für die Kleinsten sind besonders eingezäunte Spielplätze eingerichtet, damit sie sich nicht verlaufen können, die Größeren tummeln sich schon freier herum. Eine besondere Freude aber ist es für alle, wenn die Reitkarawane kommt und Väterchen wohl gar ein paar Nickel für einen Spazierritt oder eine frohe Fahrt opfert. Eine solche Scene des Kinderglücks giebt unser Bild wieder. Die Direktion stellt für dieses Vergnügen abgerichtete Tiere zur Verfügung: Kamele, Ponies und eine Ziegenkutsche. Neuerdings ist auch noch ein zweirädriger Karren hinzugekommen, den ein kleiner Zebustier zieht, und der Esel, der jetzt in der Karawane mitgeht, ist ein echter afrikanischer Karawanenesel und ein sehr berühmter noch dazu: Wißmann hat ihn auf seiner Dampferexpedition als Reittier benutzt. Kundige Wärter sorgen, daß den Kleinen kein Schaden geschieht. So ziehen sie mit leuchtenden Augen und lachendem Munde dahin, und der Graukopf, der all diese Jugendlust freudigen Herzens betrachtet, murmelt in den Bart: „O selig, o selig, ein Kind noch zu sein!“ G. Klaußen.     

Das Denkmal Friedrichs des Großen
in der Siegesallee zu Berlin.

Nach einer Aufnahme von
Photograph Hugo Rudolph in Berlin.

Das Denkmal Friedrichs des Großen in der Berliner Siegesallee. (Mit Abbildung.) Zu den in der Berliner Siegesallee aufgestellten Denkmalsgruppen hat sich kürzlich eine neue gesellt, deren Mittelpunkt die Statue Friedrichs des Großen bildet. Der Schöpfer derselben, Bildhauer Uphues, hat bei der Gestaltung des Königs an die Ueberlieferungen von Sanssouci angeknüpft, wo der gewaltige Kriegsherr von seinen Feldzügen zu rasten liebte. Die Haltung entspricht so manchem Bilde, das den König, mit dem Krückstock in der Rechten und die Linke auf dem Rücken, im Gehen darstellt. Der architektonische Hintergrund des Denkmals zeigt rechts und links vom König die Büsten des Feldmarschalls Schwerin und Johann Sebastian Bachs.

Wasserweihe im Kaukasus. (Zu dem Bilde S. 696 und 697.) Neujahr und Ostern, Pfingsten und Himmelfahrt und alle sonstigen Feste des griechischen Kalenders werden im Kaukasus, wie in ganz Rußland, gemeinsam mit der offiziellen Welt gefeiert. Die Eigenart der Kaukasusvölker tritt indessen bei keinem dieser Feste so sehr in den Vordergrund wie bei dem Feste der Wasserweihe am Epiphaniastage, dem 6. Januar.

Die Bevölkerung jedes noch so kleinen Bergnestes strömt zu dem nächsten Fluß, der in diesem kahlen, trockenen Gebirgslabyrinth als Wasserspender noch viel größere Bedeutung hat als in den wasserreichen Ebenen des Nordens. An einer geeigneten Stelle in der Nähe des größten Ortes wird eine Brücke in den Fluß gebaut, wie wir es auf unserem Bilde erkennen, und mit Reisig, Blumenguirlanden, Teppichen u. dgl. geschmückt. In der Ortschaft oben versammelt sich die gesamte Geistlichkeit, angethan mit den reichsten, von Goldstickereien bedeckten Gewändern, die Mitra auf dem Haupt. Begleitet von der ganzen offiziellen Welt, den Beamten und Offizieren in Paradeuniform, begiebt sich die Prozession unter Vortragung des Kreuzes hinab zum Fluß. Dort hat sich auf den beiderseitigen Ufern die Bevölkerung des Thales längst eingefunden; die Männer in ihren malerischen Festkleidern, die Patronentaschen auf der Brust, das Gewehr über die Schulter geworfen, die Schwerter zur Seite, tummeln sich auf ihren flinken Rossen umher; die Frauen in ihren bunten Trachten, farbige Kopftücher um die lang herabfallenden schwarzen Haarflechten geschlungen, stehen mit ihren Wasserkrügen gruppenweise umher, jeder aus dem Fluß hervorragende Felsblock, jeder Vorsprung auf den steil abfallenden Thalwänden ist mit Menschen besetzt, welche die heilige Handlung erwarten. Sogar im Flusse selbst tummeln sich die tscherkessischen und georgischen Reiter, herrliche Kriegergestalten, auf ihren reichgeschirrten Pferden, und besonders Strenggläubige entkleiden sich, um, ins Wasser springend, den Segen des Priesters, gewissermaßen als eine Art zweiter Taufe, zu empfangen.

Nach Absingung der schönen Taufhymnen schreitet der höchste Priester, das russische Kreuz auf einem langen vergoldeten Stab in den Händen haltend, zum Ende der Brücke vor und erteilt zunächst den Versammelten den Segen. Dann taucht er das Kreuz feierlich dreimal in die vorbeirauschende Flut, und ist dies geschehen, so nimmt er aus den Händen der assistierenden Geistlichkeit einen Weihwedel entgegen, näßt ihn in dem eben geweihten Flusse und besprengt damit die Umstehenden. Damit ist die Ceremonie beendet; die Männer feuern ihre Gewehre ab, die Frauen schreiten zum Flusse vor und füllen die mitgebrachten Gefäße mit dem frisch geweihten Wasser, das während des ganzen Jahres aufbewahrt wird, um die Weihwasserbehälter in ihren Häusern nachzufüllen und es auch sonst gegen leibliche und geistige Gefahren zu verwenden. Die Prozession, begleitet von den Truppen und dem Volke, begiebt sich nun wieder nach der Ortschaft zurück, und die übrige Zeit des Tages wird mit Tanz und Festlichkeiten aller Art verbracht. E. v. Hesse-Wartegg.     

Das neue Rathaus der Stadt Leipzig. (Zu den Abbildungen S. 701 u. 705.) Am 19. September fand in der alten Meß- und Handelsstadt Leipzig in feierlicher Weise die Grundsteinlegung für das zu erbauende neue Rathaus statt. Dort, wo ehemals die ehrwürdige Pleißenburg stand, wird auf einem Flächenraum von 10033 qm mit einem Kostenaufwand von nahezu 7 Millionen Mark der imposante Bau errichtet werden, der drei Höfe umschließen wird. Unser Bild auf S. 701 veranschaulicht das Gebäude, das nach den Plänen des Stadtbaurats Professor Hugo Licht zu Leipzig in deutscher Renaissance aufgeführt werden soll, mit der nach Süden, dem Obstmarkt zu, gelegenen Hauptfront. In dem das Ganze überragenden mächtigen Turm wird als Zeuge geschichtlicher Vergangenheit das Wahrzeichen der Stadt, der alte Trotzer der Pleißenburg, erhalten bleiben, welcher, bis zu einer Höhe von 100 m emporgeführt und mit einer durchbrochenen Bekrönung geschmückt, einen herrlichen Rundblick über Leipzig und seine weiten Schlachtgefilde gewähren wird. Die Fassaden des giebelreichen Hauses sollen bis einschließlich der Erdgeschosse in Granit, die oberen Partien in Sandstein ausgeführt, die Dächer mit glasierten Biberschwänzen und die Türme teils mit farbig glasierten Ziegeln, teils mit Kupfer gedeckt werden. In dem von zwei schlanken Türmen flankierten Mittelbau der Hauptfront befindet sich der Hauptzugang. Durch diesen gelangt man in einen mächtigen Vorraum und aus diesem in eine große Halle, aus der breite Treppen zum Hauptgeschoß führen. Dort ist im Mittelbau mit den Fenstern nach der Südseite der Sitzungssaal des Rats untergebracht. An diesen schließen sich schön ausgestattete Sitzungszimmer an, die zugleich mit einer nach innen zu liegenden und ihrer Flucht entlang laufenden Halle die Verbindung mit dem großen Festsaal herstellen, der sich auf der Ostfront hinzieht. Ebenfalls nach Osten zu gelegen und von dem vorigen nur durch einen kleinen Nebenraum getrennt, befindet sich der Sitzungssaal für die Stadtverordneten. Auf Grund dieser Anordnung lassen sich die Räume sämtlich zu einem Ganzen aneinanderschließen, in dem die Stadtverwaltung bei feierlichen Anlässen ihren Gästen und den Bürgern eine der viertgrößten Stadt im Reiche würdige Feststätte zu bereiten vermag.

Im Südwesten wird das Haus eine breit abgestumpfte Ecke bilden, deren Fenster nach der Karl Tauchnitzbrücke blicken. Hier sollen die Amtsräume der Bürgermeister untergebracht werden, und dementsprechend wird auch hier die schmale Front eine reichere architektonische Gestaltung erhalten. Der westliche und nördliche Flügel wird den Bureaus eingeräumt werden. Hier galt es, durch praktische Einteilung des Raumes eine glatte Abwicklung des vielverzweigten geschäftlichen Betriebs zu ermöglichen und auf den gewaltigen Verkehr des Publikums Rücksicht zu nehmen. Diese Aufgabe wird nach den Plänen des Erbauers in trefflichster Weise gelöst werden. Auch eine Wirtschaft darf in einem echten Rathaus nicht fehlen, und so ist denn auf der Ostseite desselben auch ein „Ratskeller“ vorgesehen.

Unser Bildchen auf Seite 705 stellt das alte Leipziger Rathaus dar. Es stammt aus der Blütezeit der deutschen Renaissance und verkörpert mit seinem charakteristischen Giebelschmuck so recht den altehrwürdigen Rathausstil jener Zeit. Von dem Leipziger Bürgermeister und Baumeister Hieronymus Lotter im Jahre 1556 an der Stelle und mit Benutzung der Reste eines älteren auf dem inmitten der Stadt gelegenen Marktplatze errichtet, blickt es auf ein langes vielbewegtes Stück Geschichte zurück und wird deshalb nicht nur als ein herrliches Werk deutscher Baukunst, sondern auch als ein steinernes Monument denkwürdiger Zeiten geschätzt, das hoffentlich erhalten bleiben wird. Seine Räume genügten schon längst nicht mehr den Anforderungen einer großstädtischen Verwaltung, so daß eine Anzahl anderer Gebäude und Räume außerhalb des Rathauses zur Benutzung herangezogen werden mußte.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 708. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0708.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2023)