Seite:Die Gartenlaube (1899) 0724.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


seinem Ende lebte. Auch darf ich hier meines Bruders Albert Sigel gedenken, der 1848 als badischer Offizier im 3. Infanterieregiment zu Rastatt diente, dort aber zu einem Jahr Staatsgefängnis verurteilt wurde, weil er die in die Festung gebrachten Gefangenen vom Heckerschen Freischarenzuge vor brutaler Behandlung zu schützen suchte. Durch unseren Vater, Moritz Sigel, den früheren Oberamtmann von Sinsheim und Buchen, wurde er im folgenden Jahre mit Hilfe einer bewaffneten Bürgerschar von Bruchsal aus der Haft in Kislau befreit. Er nahm dann an den Kämpfen im badischen Unterland teil und that sich namentlich bei Ubstadt rühmlich hervor. Nachdem er in der Schweiz, dann in England Fuß zu fassen gesucht hatte, wanderte er im Frühjahr 1852 – etwas vor mir – nach Amerika aus. Er wurde Mitarbeiter einer Zeitung in Newark, wo damals auch mein Bruder Emil und mein Vater lebten, bis ihn der Bürgerkrieg zu den Waffen rief. Er diente zuerst als Hauptmann des 2. New Jerseyregiments, nebst meinem jüngsten Bruder Karl, kämpfte in der ersten Schlacht bei Bull Run und half dann in New York mit Paul Frank, einem Oesterreicher, das 52. New Yorkregiment („Regiment Sigel“) organisieren. Bald darauf begab er sich nach Missouri, wurde Oberst des 13. Kavallerieregiments, das er bis zum Ende des Kriegs kommandierte. Wegen seiner Tapferkeit und Umsicht während des großen Streifzugs der Südländer unter General Sterling Price im Jahre 1864 erwarb er sich besondere Anerkennung durch General Rosecranz. Nach dem Kriege wurde er Generaladjutant des Gouverneurs von Missouri, dann Staatspensionsagent. Zuletzt war er Notar in St. Louis, wo er am 15. März 1884 nach langer Krankheit, welche vom Kriege herrührte, starb. Außer anderen litterarischen Arbeiten gab er auch einen Band Gedichte heraus. Seine Witwe, drei Töchter und ein Sohn leben in St. Louis.

In diesem Ueberblick dürfen aber auch die Namen derjenigen Deutschen nicht fehlen, die sich während des Secessionskriegs in höherer Stellung hervorragende Verdienste erworben, die aber in keiner Beziehung zur deutschen Volkserhebung von 1848 und 1849 gestanden haben. Prinz Felix Salm wurde schon oben erwähnt; er war Blenkers Generalstabschef, während Oberstleutnant v. Radowitz, der Sohn des preußischen Generals, und Major von Hammerstein, ein Oesterreicher, dem Stab von General Mac Clellan angehörten. Salm war später Oberst im 68. New Yorker Freiwilligenregiment und erhielt 1864 den Rang eines Brigadegenerals. Besonders tüchtig unter den Kommandeuren der Deutschen Division war Oberst von Gilsa, der früher als Leutnant in einem preußischen Regiment gedient hatte.

Noch heute am Leben ist Julius Stahel, ein Oesterreicher, der nach der Errichtung des 8. Regiments Blenkers Oberstleutnant war; als Blenker General wurde, erhielt Stahel das Kommando des 8. Regiments; als Blenker das Kommando der Deutschen Division erhielt, übernahm Stahel seine Brigade. – August v. Kautz, der es zum Generalmajor in der regulären Armee brachte, war schon als Knabe mit seinen Eltern aus Baden ausgewandert. Am Mexikanischen Kriege beteiligte er sich im I. Ohio-Freiwilligenregiment. Mit Grant besuchte er die Kriegsschule in West-Point. Während des Secessionskriegs that er sich als kühner und geschickter Reiterführer hervor. Er starb erst vor wenigen Jahren in Kalifornien. Ebenfalls ein „Westpointer“ war Gottfried Weitzel. Auch er stieg zum Generalmajor der regulären Armee auf. Er zeichnete sich besonders in den Kämpfen vor Richmond aus und nahm nach dem Rückzug der Feinde Besitz von der Stadt. Er ist erst vor kurzem gestorben. Noch sind hier zu nennen Brigadegeneral C. L. Matthies aus Preußen, Brigadegeneral Adolph Engelmann aus Halberstadt, der bei Shiloh fiel, Brigadegeneral August Moor aus Leipzig, Brigadegeneral Georg v. Schack, der sich beim Angriff von Fredericksburg unter General Hancock besonderen Ruhm erwarb, Brigadegeneral H. v. Bohlen aus Bremen, den bei Freemans Fort der Tod ereilte, Hugo Wangelin aus Mecklenburg, der im Treffen vor Ringgold einen Arm verlor, Joseph Conrad aus Hessen-Darmstadt, der erst in der freiwilligen, dann in der regulären Armee diente und mehreremal verwundet wurde, Gustav Körner aus Leipzig, einst Gouverneur von Illinois und Oberst im Stabe Fremonts, die Brevet Brigadegeneräle Alexander v. Schrader und Louis v. Blessing.

Trotz des verhältnismäßig großen Kontingents, das die Deutschen gleich im Anfang des Kriegs ins Feld stellten, und der Verdienste, die sich Truppen und Führer während des Kriegs erwarben, ist die gerechte Würdigung dieser letzteren vielfach ausgeblieben. Je mehr sich die Verhältnisse für den Norden günstig gestalteten, um so mehr trat auf Seiten der Armeeleitung und vieler anglo-amerikanischer Generale ein mißgünstiges Verhalten gegen die Deutschen hervor, das sich in Intriguen und Zurücksetzungen äußerte. Dazu kam der Umstand, daß die deutschen Truppen nur teilweise in Korps oder in Divisionen organisiert waren, während die übrigen in allen Armeen zerstreut waren.

Schon nach der Schlacht von Croß Keys hörte die „Deutsche Division“ auf, als solche zu existieren. Vor der zweiten Schlacht bei Bull Run mußte das I. Korps auf Befehl von General Pope eine Brigade nach Winchester schicken, wo sie vom General der Südstaaten Lee zum großen Teil vernichtet oder gefangen genommen wurde. Nach der genannten Schlacht wurde eine andere Brigade unter General Milroy vom I. Korps abkommandiert, so daß das letztere, die Verluste in der Schlacht von Bull Run mit gerechnet, schließlich nur 6000 Mann zählte. Später, nach der Schlacht von Gettysburg, wurde General von Schimmelfennig mit einer Division des nämlichen Korps, das jetzt den Namen des XI. Korps trug, nach Südcarolina (Charlestown) geschickt und die beiden anderen Divisionen nach dem Westen, wo sie einen Teil des XX. Korps unter General Hooker bildeten.

Damit hörte auch das XI. Korps auf, als solches zu existieren.

Es ist auch jetzt erwiesen, daß die unglückliche Schlacht von Chancellorsville durch unzweckmäßige strategische Anordnungen und nachlässige taktische Maßregeln verloren wurde und daß die Niederlage des isolierten XI. Korps von nur 12'000 Mann gegenüber 20'000 Mann Südländern diesen fehlerhaften Anordnungen zuzuschreiben ist und nicht dem Verhalten des XI. Korps, das sich trotz seiner ungünstigen Stellung mit großer Tapferkeit schlug. Außerdem bestand das Korps nicht allein aus deutschen, sondern auch aus anglo-amerikanischen und irländischen Truppen und Kommandanten. Der Korpskommandeur selbst, Generalmajor O. O. Howard, war ein Anglo-Amerikaner.

Trotzdem hat man die Schuld der Niederlage von Chancellorsville den „Deutschen“ zugeschoben und damit die Animosität gegen dieselben beschönigt. Sie aber haben die Scharte bei Gettysburg rühmlichst ausgewetzt.

Es würde zu weit führen, bis ins einzelne zu verfolgen, welchen Anteil dem ruhmreichen Ausgang des Krieges das Deutschamerikanertum gehabt hat, und schwer würde es sein, die Vollständigkeit zu wahren. Genug, wir dürfen stolz sein, wenn wir dieses Anteils gedenken, und im besonderen haben die Veteranen der deutschen Freiheitskämpfer von 1848 und 1849 ein Recht zu dem Bewußtsein, viel beigetragen zu haben, ihr neues Heimatland vor Entzweiung zu bewahren und es zu dem zu machen, was es geworden ist.“




Aus Andreas Hofers Heimatsthal.
Von Karl Wolf.


In dem Wirtshause genannt „Am Sande“ zu Sankt Leonhard im Passeierthal kam 1767 Andreas Hofer, der Führer Tirols im Freiheitskampfe, zur Welt. „Am Sande“ hieß der Ort, weil die hier sich ausdehnenden Thalwiesen infolge übermäßigen Abholzungen an den steilen Berglehnen durch gewaltige Muhren häufig verschüttet und übersandet wurden. Noch heute steht das Wirtshaus am Sande, der Sandhof, in welchem 1809 die ersten Beratungen zum Aufstande gegen die verhaßte Fremdherrschaft gehalten wurden, von wo aus Andreas Hofer die der Tiroler zu den Waffen rief, um dem Lande die Freiheit wieder zugeben. Dort sagte er zu den Anführern, welche aus dem ganzen Lande zur Beratung gekommen waren: „Nun denn mit

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 724. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0724.jpg&oldid=- (Version vom 10.4.2021)