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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

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’S ischt über d’ Nacht e Rife cho.

(Alemannisch.)


’S ischt über d’ Nacht e Rife[1] cho,
Ha’s lang scho denkt – do hent mer’n jo!
Die Strücher schtöhnd so kahl, so wiß,
Und d’ Dachtrauf hangt voll dickem Is.

5
Min Rosestock im Garte drus,

Wie sieht er welk und elend us!
Er hängt sie Chöpfli stumm und still
Wie ’s Chind, wenn’s liesli briegge[2] will.

’S ischt mol um di voll Veilin[3] gsi,

10
Ums Hus het’s grüent vu wilde Wi –

Gar mäng’s hat’s dert so liebli g’ha,
Jetzt ischt es welk und übel dra.

Du, Chind, bischt au so trüeb und stumm,
Sitzscht wie e schüch, fremd Vögli rum,

15
Und d’ Lieb het kurz dir doch im G’müe[t]

Als fröhlich Pflänzli duft’ und blüeht.

Us helle Aeugli het es g’lacht
Und het di froh und glückli g’macht:
Hescht g’scherzt und küßt, hescht g’hofft und bangt,

20
Und ’s Pflänzli ischt voll Knöschpli g’hangt.


Sell lit jetzt all’s so wit, so wit –
’S ischt Winterszit, ’s ischt Winterszit!
Erstorbe, welk lit ’s Pflänzli do –
’S ischt über d’ Nacht e Rife cho.
 F. Vochazer.


  1. Reif.
  2. weinen.
  3. Veilchen.

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Der angebliche Weltuntergang im November.

Von Dr. H. J. Klein.

Der November des gegenwärtigen Jahres wird eine Himmelserscheinung bringen, auf die schon seit Jahren aufmerksam gemacht wurde, ja, die von manchen als ein der Erde und vor allem dem Menschengeschlecht höchst gefährliches Ereignis dargestellt worden ist. In der That konnte man schon vor Jahren in den Wandervorträgen von R. Falb hören, daß der Erde im November 1899 etwas sehr Unangenehmes bevorstehe, und wenn es gegenwärtig nicht dazu kommt wie anno 1533 (für welches Jahr der Prediger Stiefel den Weltuntergang prophezeit hatte), daß nämlich Leute sich auf das Weltende vorbereiten, so liegt dies kaum daran, daß die heutige Menschheit weniger religiös, sondern nur, daß sie weniger leichtgläubig ist als die frühere. Freilich haben auch die modernen Weltuntergangspropheten selbst nicht mehr den Mut ihrer Ueberzeugung, welche ihre Vorgänger an den Tag legten. Denn wir hören, daß der obenerwähnte Prediger Stiefel an dem von ihm für den Weltuntergang prophezeiten Tage seine gläubige Herde um sich versammelte, die Kanzel bestieg und betete, was ihm freilich abends, als der Weltuntergang einzutreten zögerte, übel bekam, da die Gemeinde ihren Prediger ohne Luthers Vermittlung umgebracht hätte.

Seit jenem Tage ist der Weltuntergang wiederholt angekündigt worden, so für das Jahr 1613, dann für das Jahr 1784, von dem gelehrten Prälaten Konsistorialrat Bengel für den 18. Juni 1836, gleichzeitig mit der Wiederkunft Christi, nachdem vier Jahre vorher der Antichrist aufgetaucht sei. Mit Recht lächelt man heute über solche thörichte Vorhersagungen, dennoch aber giebt es, wie verschiedene mir zugekommene Anfragen beweisen, viele Leute, welche glauben, daß in diesem November dem Menschengeschlecht durch einen Kometen großes Unheil drohe, womöglich sogar der Untergang bevorstehe. Der vielfach verbreiteten Meinung nach handelt es sich hierbei um den Kometen, welcher die Sternschnuppen in der Nacht des 13. November verursacht, oder auch um denjenigen Kometen, der zu den Meteoren vom 23. bis 27. November in Beziehung steht.

Nun ist es eine in ihrer Art interessante Thatsache, daß die Astronomen, deren Aufgabe es ist, die Bewegung dieser Kometen zu überwachen und das Erscheinen dieser Himmelskörper voraus zu berechnen, zur Zeit durchaus nicht mit Sicherheit genauer angeben können, wo diese beiden Kometen sich befinden.

Was zunächst den letztgenannten Kometen (derjenige, welcher mit den Meteoren des 23. bis 27. November in Verbindung ist) anbetrifft, so heißt er nach seinem Entdecker der Bielasche Komet. Er wurde am 28. Februar 1826 durch den österreichischen Hauptmann v. Biela zu Josefstadt in Böhmen entdeckt, und gleichzeitig erkannte derselbe, daß dieser Komet eine Umlaufszeit von 6 Jahren 270 Tagen besitzt. Die Bahn, welche der Komet um die Sonne beschreibt, liegt nun im Weltraum so, daß sie der Erdbahn in einem Punkte äußerst nahe kommt. Wenn demnach beide Weltkörper, der Komet und die Erde, gleichzeitig sich an diesem Punkte befinden, so muß es zwischen denselben zu einer Art Zusammenstoß kommen. Diesen Umstand hat man schon vor 70 Jahren erkannt, aber auch, daß das gleichzeitige Zusammentreffen beider Weltkörper in absehbarer Zeit nicht eintreten wird.

Als der Komet im Winter 1845 bis 1846 wieder erschien, ereignete sich unter den Augen der Astronomen die merkwürdige Thatsache, daß er sich in zwei Kometen teilte, von denen jeder einen Kopf mit Nebelhülle und einen kleinen Schweif zeigte. Die Entfernung beider voneinander betrug im Februar 1846 etwa 40 000 deutsche Meilen. Dieser Vorgang, ein wahrhaftes Weltereignis, erregte mit Recht das größte Aufsehen, und nachdem beide Kometen im Frühjahr mit zunehmender Entfernung immer lichtschwächer geworden und endlich verschwunden waren, erwarteten die Astronomen mit Ungeduld das Jahr 1852, in welchem das Doppelgestirn wieder zurückkehren mußte. Im Spätsommer wurde es sichtbar, und man fand, daß beide Kometen in der Zwischenzeit sich bis auf 350 000 Meilen voneinander entfernt hatten.

Die nächste Rückkehr im Jahre 1859 konnte nicht beobachtet werden, da der Rechnung gemäß die Kometen eine solche Stellung zur Sonne hatten, daß sie von der Erde nicht zu sehen waren; im Frühling 1866 mußten sie dagegen wieder gut sichtbar werden. Allein sie blieben aus. Alle Bemühungen der Astronomen, das Doppelgestirn oder einen Teil desselben zu sehen, war vergebens, und so ist es geblieben bis zur heutigen Stunde.

Würde der Komet sich in seiner früheren Bahn seit 1852 fortbewegen, so mußte er im gegenwärtigen Jahre schon zur Sommerszeit in der Sonnennähe sein, ohne freilich von der Erde aus gesehen werden zu können. Indessen hat die Bewegung des Kometen seit 1852 zweifellos erhebliche Veränderungen erlitten, infolge deren die Astronomen erklären müssen, sie wissen nicht, wo der Komet sich zur Zeit befindet. Wie soll man überhaupt das Verschwinden dieses Gestirns deuten? Die Zerteilung 1846 legt den Gedanken nahe, daß sich die beiden Kometen noch weiter aufgelöst haben, und zwar bis zur gänzlichen Unsichtbarkeit von der Erde aus. Aber in was haben sich die Kometen aufgelöst?


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 736. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0736.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)