Seite:Die Gartenlaube (1899) 0740.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

Obstes nach Deutschland und Ungarn ausgeführt. In günstigen Jahren beträgt der gesamte Ertrag gegen 600000 Metercentner Kern- und 700000 Metercentner Steinobst, und ein einzelner Bauer lagert hiervon durchschnittlich 400 bis 500 Hektoliter Most ab. Man unterscheidet je nach der Gattung des verarbeiteten Obstes Apfel- und Birnmost oder, wenn Aepfel und Birnen vermengt werden, den sogenannten Mischling.

In unserem Bilde sehen wir die einzelnen Phasen der Mostgewinnung, wozu in der Regel nicht die Sommer-, sondern die saftreicheren und zuckerhaltigeren Herbst- und Wintersorten verwendet werden, sehr instruktiv veranschaulicht. Der stattliche Apfelbaum im Hintergrunde rechts liefert das Rohmaterial für das köstliche Naß; eine Dirne langt die reifen schönen Aepfel mittels eines an eine Stange befestigten Sackes herunter; neuerdings wird dieser öfter durch eine selbstthätige Klappe aus Filz oder ähnlichem Stoff ersetzt. Bei diesem Verfahren wird jede Beschädigung der Aepfel vermieden. Die in Körben gesammelten Früchte wandern nun in die „Mühle“ (links auf unserem Bilde). In dem großen, nach oben trichterförmig geöffneten würfelartigen Kasten, der auf Holzböcken steht, befinden sich unten zwei steinerne Walzen, die von außen gedreht werden. Der links auf einer Bank stehende Mann sorgt mit einer Stange für die gleichmäßige Verteilung der Aepfel zwischen den Walzen. Der Brei der zermahlenen Aepfel, die Maische, ergießt sich in einen unter der Mühle aufgestellten Bottich, der, wenn er gefüllt ist, sofort zu der nebenan stehenden „Presse“ oder „Kelter“ getragen wird. Dieselbe setzt sich im wesentlichen aus einem großen viereckigen Trog von Eichenholz und einer Schraubvorrichtung zusammen, die über dem abhebbaren Deckel des Troges so angebracht ist, daß sie von einer oder zwei Personen bequem bedient werden kann. In der Mitte des Troges befindet sich ein Loch mit einer Röhre, durch welche der aus der Maische ausgepreßte Saft meist unmittelbar in die schon längst vorbereiteten, im Keller lagernden Fässer abfließt, aus denen er dann nach einer drei- bis vierwöchigen Gärung als ungemein erfrischendes und angenehm mundendes Getränk, als „Most“, wieder emporgeholt wird. Dr. L. W.     


Karl Ditters v. Dittersdorf. (Mit Bildnis.) Als ein Vorgänger Mozarts auf dem Gebiete der Oper von echt volkstümlicher Richtung ist der Wiener Komponist Karl Ditters v. Dittersdorf, der am 2. November 1739 zur Welt kam und vor hundert Jahren am 31. Oktober verstarb, uns Heutigen vornehmlich bekannt. Seine komische Volksoper „Doktor und Apotheker“ hat sich auf vielen deutschen Bühnen in der Gunst des Publikums erhalten, und auch „Hieronymns Knicker“, „Das rote Käppchen“ sind unvergessen. Die erstgenannten Opern sind erst neuerdings von Kleinmichel für den modernen Geschmack bearbeitet worden. Der liebenswürdige Komponist hat aber auch auf anderen Gebieten der Tonkunst eine ungemein fruchtbare und von seinen Zeitgenossen hochgeschätzte Thätigkeit entfallet. Er schrieb die Oratorien „Esther“, „Isaac“ und „Hiob“, zahlreiche Orchester- und Kammermusikwerke, darunter gegen hundert Symphonien und sechs Streichquartette. Eine Auswahl des Schönsten und Lebensfähigsten aus der Fülle dieser Werke hat jetzt ein Verein von Musikern im Verlag der Gebrüder Reinecke in Leipzig in sorgfältiger Bearbeitung herausgegeben. Es befinden sich darunter sechs Symphonien, die er in Anlehnung an Ovids „Metamorphosen“ schrieb und welche zu den frühesten Versuchen orchestraler Programmmusik gehören.

Karl Ditters v. Dittersdorf.
Nach dem Kupferstich von C. T. Riedel.

Karl Ditters, der 1773 durch Vermittelung des Grafen v. Schaffgotsch vom Kaiser geadelt wurde und den Zunamen v. Dittersdorf erhielt, hat ein buntbewegtes Leben geführt. Schon frühzeitig erhielt er guten Violinunterricht und wirkte als Knabe im Orchester der Wiener Benediktinerkirche mit. Sein überraschendes Talent erregte die Teilnahme des Generalfeldzeugmeisters Prinz Joseph v. Hildburghausen, der ihn als Pagen in sein Haus nahm, hier von Trani auf der Violine, vom Hofkapellmeister Bono in der Komposition ausbilden ließ und 1760 seine Aufnahme in das Hoforchester bewirkte. Nach einigen Jahren wurde Ditters Nachfolger Michael Haydns als Kapellmeister des Bischofs von Großwardein. Hier komponierte er viele seiner Orchesterwerke. Als 1769 der Bischof seine Kapelle auflöste, begab sich der bereits zu Ruhm gelangte junge Musiker von Ungarn nach Schlesien, wo ihn Graf Schaffgotsch, Fürstbischof von Breslau, zum Direktor der Kapelle in seiner Residenz zu Johannisberg machte. Zum Hofhalt des Fürstbischofs gehörte auch ein kleines Theater, und für dieses schrieb er seine heiteren Volksopern, die von hier aus ihren Siegeszug über die deutschen Bühnen antraten. Nach dem 1795 erfolgenden Tode seines Gönners, dem er auch die Stellung eines Forstmeisters des Fürstentums Neisse und dann die eines Amtshauptmanns zu Freienwaldau zu danken gehabt hatte, geriet der schaffensfrohe Meister in eine bedrängte Lage. Zwar fand er auf dem Schlosse Rothlhotta des Freiherrn Ignaz v. Stillfried bei Neuhaus in Böhmen ein Unterkommen, doch erlag er hier bald einem schmerzlichen Leiden, das ihn schon vorher befallen hatte. Zwei Tage vor seinem Tode war seine Lebensbeschreibung zur Vollendung gelangt, die er auf Rothlhotta seinem Sohne in die Feder diktiert hatte.


Ein Freund in der Not. (Zu dem Bilde S. 733.) Wenn ein junges Mädchen einen so treuen und tapferen Begleiter hat wie das unternehmungslustige Fräulein auf unserem Bilde in ihrem Neufundländer besitzt, da kann es unbesorgt und ungefährdet durch Wald und Thal streifen, auch wenn ihm die Gegend noch fremd ist. Heute jedoch hat sie sich gründlich verlaufen. Das melodische Rauschen des Waldbachs, an dessen Ufer sie hinschritt, hatte sie in Träume gelullt, die sie ganz der Gegenwart entrückten. Auf einmal hat der Weg ein Ende, aber gerade vor ihr im Bache ragt eine ganze Reihe von Felsblöcken aus dem Wasser, die sich zum anderen Ufer hinzieht. Schnell entschlossen springt sie auf den nächsten Stein, sucht dort Halt zum zweiten Absprung und so kommt sie zum dritten und vierten. Hier aber stutzt sie … die Entfernung bis zum Ufer erscheint ihr bedenklich weit. Sie zaudert. Aengstlich blickt sie zu dem treuen Caro herab, der neben ihr im Wasser steht und durch lautes Bellen sein Bedauern kund thut, daß er in dieser Notlage der geliebten Herrin nicht helfen kann. Aber sein Bellen ruft einen Helfer herbei. Unweit von der Stelle hat ein junger Sommerfrischler dem Forellenfang obgelegen. Seine Angel und das Handnetz im Arm, kommt er geeilt: seine Augen erstrahlen, als er die Ursache des Hundegebells entdeckt. Leonore aber errötet heftig, denn der hübsche junge Mann ist ja derselbe, an den sie in ihren Träumen hat denken müssen. Zart und doch fest reicht er ihr jetzt die Hand zur Stütze – da erzittert die ihre, ehe sie sich seiner Führung anvertraut: fühlt sie, wie gern dieser „Freund in der Not“ ihr Führer sein und bleiben würde durch alle Nöte, durch alle Freuden des Lebens?


Die Verlängerung eines Kriegsschiffes. (Zu dem Bilde S.737.) Aus seetechnischen Gründen sieht man sich zuweilen veranlaßt, ein Schiff durch Einfügung eines Rumpfteiles zu verlängern. Man schneidet, schematisch gesprochen, den Schiffskörper zu diesem Zwecke in der Mitte durch, bewegt die Hälften nach vorn und hinten um so viel Meter auseinander, als die Verlängerung betragen soll, und fügt in die Lücke den neuen Rumpfteil ein, der dann mit dem alten Vorder- und Hinterteil fest und seetüchtig verbunden wird. Bei Kauffahrteischiffen hat man derartige Verlängerungen vielfach mit gutem Erfolg ausgeführt, und man versucht nun auch bei Panzerfahrzeugen dieselbe Operation vorzunehmen. Unser Bild führt uns den höchst interessanten Vorgang deutlicher und leichter verständlich als die beste theoretische Beschreibung vor Augen. Es stellt den Küstenpanzer „Hagen“ im Trockendock der Kaiserlichen Werft zu Kiel dar. Man hat dem Schiff den Panzergürtel und die Panzerdrehturmkappen abgenommen, um es zu erleichtern. Während des Losnietens der an der Trennungsstelle befindlichen Platten hatte man unter dem Schiffsboden einen entsprechend starken „Laufschlitten“ angebracht, der wie beim Stapellauf mit Schmierseife gestrichen wurde. Mit starken hinter dem Heckteil des Panzers verankerten Flaschenzügen wurde dieses dann Centimeter um Centimeter zurückgezogen, bis der Abstand an der Trennungsstelle sieben Meter betrug. Ohne Störung wurde diese Riesenarbeit vollendet, und nicht lange mehr wird es dauern, bis der um sieben Meter in die Länge gewachsene „Hagen“ wieder fröhlich in See sticht.


Die Chronica. (Zu unserer Kunstbeilage.) Wir blicken in das behagliche Refektorium, wo nach eingenommenem Vesperbrot die Brüder im weißen Ordensgewand noch beisammen sitzen und der Unterhaltung pflegen. Von alten Zeiten wurde geredet, und es fand sich, daß die Meinungen über des Klosters Gründung stark auseinandergingen, um mehr als zweihundert Jahre. Da blieb nichts anderes übrig, als die uralte Chronik herbeizuholen, um den Streit zu schlichten. Sie giebt dem rechts sitzenden klugen Prior recht, und der jüngst eingetretene Bruder Eusebius neben ihm muß den Anspruch auf die Karolingerzeit fahren lassen. Aber beide vergessen rasch den Anlaß des Streites über dem Interesse an dem merkwürdigen Buche, das sie so bald nicht mehr los läßt. Der Chronist von heute liest und erklärt, was seine Vorgänger in langen Jahrhunderten schrieben: von des Klösterleins allmählichem Wachstum, dem Bau der Kirche, von Wassersnot und großem Sterben, Fehden mit adeligen Widersachern, kriegerischen Zeitläuften. Sinnend hören’s die Heutigen und gedenken ihrer Vorgänger, die einstmals am selben Tische hier saßen und den gleichen uralten Leuchter entzündeten, der noch heute dem Schlafensgang des Priors leuchtet.

Kleiner Briefkasten.

R. St. in R. Von den im Artikel „Die Heilbarkeit der Trunksucht“ genannten Asylen nimmt die Kurpension für Alkoholkranke in Nesse bei Loxstedt (Prov. Hannover) ebenfalls Damen auf. Bezüglich der Bedingungen müssen Sie sich direkt an diese Anstalt wenden.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 740. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0740.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2020)