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Die Telegraphie ohne Draht.

Von Franz Bendt.0 Mit Illustrationen von A. Wald.

Den Göttern, aber auch den „zauberkundigen Männern“, welche die geheimnisvollen Naturgewalten beherrschen, hat von jeher der fromme und naive Sinn des Volkes die märchenhafte Eigenschaft beigelegt, ihren Willen durch den leeren Raum hindurch ohne jegliche Vermittelung in die Ferne senden und bethätigen zu können. Was die phantasiereichen Väter dereinst gesponnen, hat die Thatkraft und der reiche Geist der großen Naturforscher und Techniker gar oft in die Wirklichkeit verwandelt. So auch in diesem Falle. Durch die Telegraphie ohne Draht sind wir jetzt befähigt, unsere Wünsche nach allen Richtungen der Windrose, frei durch den Aether hindurch, übertragen zu können.

J Induktionsapparat. O Oscillator. W Wellen.
B Batterie. T Schlüssel.
Fig. 1.0 Aufgabestation.

K Kohärer. B Batterie. E Elektromagnet. M Telegraphenapparat.
T Schlüssel.
Fig. 2.0 Empfangsstation.

Die Möglichkeit, zwischen zwei Stationen ohne verbindenden Draht zu telegraphieren, ist allerdings nicht mehr neu. Schon vor etwa vierzehn Jahren hat der Amerikaner Phelps und im Anfange dieses Jahrzehnts haben Preece in England und Rathenau in Berlin mit Hilfe von sogenannten Jnduktionsströmen über mehrere Kilometer hin ihre Botschaften senden können. Ja, es wurde sogar kürzlich ein Bericht aus dem Jahre 1843 veröffentlicht, der uns belehrt, daß Professor L. D. Gale durch den Susquehanna-Fluß hindurch, 1 1/2 km weit, telegraphisch gesprochen habe.

Diese Versuche wurden zumeist angestellt, um die Leuchtschiffe, die fern draußen im Meere liegen, mit den Küstenstationen ohne Kabel in telegraphischen Verkehr zu bringen. Allein sie gelangen nur auf kurze Entfernungen. Erst in der neuesten Zeit war es dank den Forschungen unseres leider so früh gestorbenen Landsmanns Heinrich Hertz möglich, die Telegraphie ohne Draht auch für weitere Entfernungen nutzbar zu machen. Gegen Ende der achtziger Jahre hatte er eine neue elektrische Erscheinungsgruppe ermittelt und sie in theoretischer und praktischer Beziehung vollkommen durchforscht. Es war ihm gelungen, Wellen elektrischer Kraft zu erzeugen und ihre Ausbreitung frei im Raume nachzuweisen. Seine Versuche gipfelten in dem Schlusse, daß Elektricität und Licht Wellenbewegungen des gleichen Stoffes, des Aethers, seien. Die Lichtwellen, die von der Königin des Tages uns zufließen, unterscheiden sich nur der Größe nach von den elektrischen Wellen. Eine Lichtwelle entspricht etwa dem millionsten Teile eines Millimeters; eine elektrische Welle hat zumeist die Länge von vielen Metern. Die elektrischen Wellen, die mit Lichtgeschwindigkeit den weiten Raum durchmessen, tragen jetzt in der neuen Telegraphie ohne Draht, der Wellentelegraphie, unsere Botschaften in die Ferne! – Um willkürlich elektrische Wellen erregen zu können, erfand Hertz auf Grund tiefsinnigster Studien einen Apparat, den er den elektrischen Oscillator nannte. Man bezeichnet ihn jetzt häufig auch als den Transmitter oder Strahlapparat. In ihm wirken die von Faraday entdeckten Jnduktionsströme, die wir schon oben erwähnten.

Fig. 3.0 Marconi in der Station auf South-Foreland.

Versuchen wir nun, an der Hand unserer Abbildungen, eine Beschreibung der Wellentelegraphie zu geben, so müssen wir uns zunächst die Thatsachen in das Gedächtnis zurückrufen, durch welche Jnduktionsströme erzeugt werden. Der Apparat, der sie erzeugt, besteht der Hauptsache nach aus zwei in sich geschlossenen Drahtspulen, die, ohne sich zu berühren, ineinander geschoben sind. Fließt zu der einen Drahtspule, wir wollen sie die primäre nennen, ein elektrischer Strom, dann bilden sich in der zweiten, der sekundären Spule, ohne weiteres elektrische Stromstöße, die nach entgegengesetzten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 764. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0764.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)