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ist.“ Aber diesmal fanden die modernen Wikinger ihre Meister. „So wie ein Bur von Transvaal reitet, wenn sein Vaterland in Gefahr ist,“ äußerte damals der Leutnant Sarel Eloff, ein Enkel Krügers, „so reitet kein Soldat auf der Welt.“ In zwei Tagen hatte Krüger, dessen Auge die bevorstehende Gefahr nicht entgangen war, mit Hilfe der ebenso einfachen als wirksamen Mobilisierungsart der Republik, deren Feldkornetts auf Befehl sofort ihre Mannschaft mit Proviant für zehn Tage aufbieten, 3000 berittene Buren versammelt, welche nach der Weisung des Generalkommandanten Joubert unter dem Kommandanten Cronje dem Dr. Jameson, der am 29. Dezember bei Mafeking die Grenze überschritten hatte, am 1. Januar 1896 bei Krügersdorp, etwa eine halbe Tagreise westlich von Johannesburg, gerade noch rechtzeitig den Weg verlegten; daß sie kein Geschütz hatten, focht die tapferen Männer nicht an: sie vertrauten auf ihre Büchsen. Unter großen Verlusten ward Jameson von Cronje zurückgeschlagen, südwärts abgedrängt und am 2. Januar am sogenannten Doornkop (Dornkopf), bezw. genauer bei Vlakfontein, mit noch 650 Mann zur Uebergabe auf Gnade und Ungnade gezwungen. Krüger bewies eine große Mäßigung, indem er Jameson mit den anderen Gefangenen nicht kurzerhand als Freibeuter erschießen ließ, sondern sie an England auslieferte; auch die Johannesburger Rädelsführer, denen übrigens im letzten Augenblick noch Bedenken aufgestiegen waren, wurden zwar als Hochverräter zum Tode verurteilt, dann aber von Krüger begnadigt. In der Kapkolonie hatten diese Dinge die Wirkung, daß Rhodes als Minister zurücktreten mußte; der Afrikanderbond brach jetzt völlig mit ihm, siegte bei den Wahlen von 1898 und setzte statt des Rhodesschen Schildknappen Sprigg das Ministerium Schreiner ein.

In England aber nahm die Mehrheit des Volkes unbedingt für die Friedensbrecher Partei; Rhodes und Jameson wurden mit den Männern verglichen, welche im 18. Jahrhundert „nach Wikinger Art“ Ostindien für England erobert hatten, mit Robert Clive und Warrens Hastings; und wenn auch Chamberlain und der Statthalter am Kap, Sir Herkules Robinson, sich amtlich von allem Anteil an dem völkerrechtswidrigen Einfall (zu dessen Abwehr der Deutsche Kaiser Krüger telegraphisch beglückwünschte), feierlich lossagten, so glaubte man es ersterem doch nicht. Jameson und Genossen wurden zwar vor Gericht gestellt, aber doch nur mit der mäßigen Haftstrafe von 15 Monaten belegt, und der vom Unterhaus eingesetzte Untersuchungsausschuß „brachte unter viel Klappern der Mühle wenig Korn zu stande“.

Ein paar Jahre der Ruhe vor neuem Sturm verstrichen, die Krüger zu solcher Fürsorge für die wirtschaftlichen Verhältnisse der Uitlanders benutzte, daß die nicht englischen Uitlanders ihre volle Zufriedenheit mit der Republik ausdrückten. Dann aber holte England – wie es scheint, auf Deutschlands Neutralität vermöge eines geheimen Vertrags über die afrikanischen Dinge bestimmt bauend, der Unfähigkeit Frankreichs zum Kampf seit Faschoda und wegen der herannahenden Weltausstellung sicher – zu einem neuen, wie es hoffte, entscheidenden Schlage aus. Der Statthalter am Kap, Milner, verlangte auf Chamberlains Befehl im Juni 1899 auf einer Besprechung, die er mit Krüger in Bloemfontein hatte, die Gewährung des Stimmrechts für alle Ausländer nach fünfjährigem Aufenthalt: er forderte, wie der gleißende Ausdruck lautete, Gleichheit für jeden weißen Mann vom Kap bis zum Sambesi, gab sich also den Schein des Vorkämpfers für Recht und Billigkeit. Als diese Angelegenheit durch Krügers Nachgiebigkeit in der That nach Englands Willen erledigt zu werden schien, obwohl die Buren dabei Gefahr liefen, durch die rasch anwachsende Zahl der Ausländer in die Minderheit gedrängt zu werden, da warf Chamberlain, um den Gegner sicher vor die Klinge zu bekommen, die Frage der Suzeränität Englands über die Republik aufs neue auf; er behauptete, daß der Vertrag von 1884 den von 1881 nicht aufhebe, also die Suzeränität fortbestehe. In diesem Punkte aber kannten die Buren kein Nachgeben, und als England durch gewaltige Rüstungen die feste Absicht verriet, die ganze Sache mit Gewalt zum Austrag zu bringen und Transvaal endgültig seinem Scepter zu unterwerfen, da warteten die tapferen Männer nicht lange ab, bis der Feind fertig war und ihnen das Netz über den Kopf zog, sondern sie verlangten am 9. Oktober, daß die Zurückziehung der englischen Verstärkungen aus Südafrika binnen 48 Stunden zugesichert werde, da deren Anwesenheit ihnen als Kriegsdrohung erscheinen müsse. Als die Erfüllung ihres Verlangens in London für nicht einmal einer Erörterung fähig erklärt ward, haben sie in den Abendstunden des 11. Oktober die Grenze von Natal im Vertrauen auf Gott und ihre gerechte Sache mit Heeresmacht überschritten.

„Das natürliche Recht der Verteidigung“, sagt Montesquieu, „zieht manchmal die Notwendigkeit des Angriffs nach sich, wenn eine Nation sieht, daß ein längerer Friede ein anderes Volk in stand setzt, sie zu vernichten, und daß der Angriff also das einzige Mittel ist, diese Vernichtung zu verhindern. Daraus folgt, daß kleine Staaten öfter das Recht haben Krieg anzufangen als große, weil sie öfter Vernichtung fürchten müssen.“ In dieser Lage waren im Oktober 1899 Transvaal und der ihm verbündete Oranjefreistaat. Daß die Buren mannhaft den Kampf eröffneten, als sie seine Unvermeidlichkeit erkannten, gereicht dem tapferen Häuflein nur zur unvergänglichen Ehre, und das brutale Pochen der Engländer auf ihre große Uebermacht hat sich bald in schwere Besorgnis verwandelt, daß das Reich mit dem ungerechten Krieg etwas unternommen haben könnte, was trotz allem über seine Kräfte geht.


Der Krieg in Südafrika. (Zu unseren Bildern.) Am 10. Dezember erfolgte nun endlich auch auf dem Kriegsschauplatze im Norden der Kapkolonie ein ernster Zusammenstoß. General Gatacre ließ aus dem festen Lager bei Molteno einen Teil seiner Infanterie mit zwei Batterien zum Angriff gegen die Stellung der Buren bei Stormberg vorrücken. Eine schwere Niederlage der Engländer war das Ergebnis; kaum zwei Drittel der Regimenter kehrten ins Lager zurück, die übrigen wurden in ihrer Mehrzahl „vermißt“. Nicht besseres Glück hatte General Methuen auf dem Kriegsschauplatze vor Kimberley. Nach seinem so verlustreichen Pyrrhussiege am Modderfluß sah er sich zum Stillstand verurteilt; er wartete auf die Verstärkungen, die von De Aar her zu ihm unterwegs waren, und ließ von seinen Pionieren die Eisenbahnbrücke über den Modderfluß wiederherstellen. Inzwischen aber umgingen größere Burenabteilungen von der Oranjegrenze her seine Stellung im Süden, während Cronje mit der Hauptmacht auf den Höhen bei Spytfontein zwischen Modderfluß und Kimberley eine feste Stellung einnahm. – In Natal hatten die Engländer bei Frere auf die Wiederherstellung der dort von den Buren zerstörten Eisenbahnbrücke zu warten. Doch trafen in der Zwischenzeit noch bedeutende Verstärkungen von Durban her ein, und der Oberkommandierende Sir Redvers Buller verfügte am 10. Dezember über eine Macht von über 20 000 Mann. Die Vorhut unter Hildyard vor Colenso konnte am Tugelafluß gleichfalls nichts ausrichten. Aus Ladysmith selbst wurde am 9. Dezember ein siegreicher, aber unerheblicher Ausfall gegen die Burenstellung auf dem Lombardskop gemeldet. Auch berichtete General White von einer Rückwärtsbewegung größerer Burenkontingente nach der Grenze des Oranjefreistaats und des Transvaal hin. Diese Bewegungen erklärten sich aufs natürlichste durch die notwendige Vorbereitung des Verteidigungskampfs, zu welchem die Buren in den Grenzpässen der Drakensberge genötigt sein würden, falls die Engländer unter Buller bei Ladysmith siegen sollten.

Dr. Matthiolius.

Dr. Küttner.

Von dem wildzerklüfteten Charakter dieser Pässe giebt unsere Ansicht vom Van Reenenpaß nach dem Oranjefreistaat einen lebhaften Begriff. Das Bild, welches den hochbetagten Leiter der Geschicke der Transvaalrepublik, Paul Krüger, neben seiner Frau darstellt, zeigt uns den greisen Patrioten in seiner Häuslichkeit in Pretoria. Das Gebäude, das beide bewohnen und in welchem er die Besuche seiner Landsgenossen empfängt, ist einstöckig und sehr bescheiden eingerichtet. Ein ansehnlicher Bau ist dagegen das Parlamentsgebäude in Pretoria. Das gilt auch von dem Haus des Rats wie von dem des Präsidenten in Bloemfontein, der Hauptstadt des Oranjefreistaats. – Die erste Sanitätsabordnung, die im Auftrage des Zentralkomitees der „Deutschen Vereine vom roten Kreuz“ nach Südafrika abging und der bereits eine zweite folgte, konnte inzwischen ihr Liebeswerk bei den Buren aufnehmen. Die Porträts der ihr zugehörigen Aerzte, Marinestabsarzt Dr. Matthiolius und Dr. Küttner, Assistenzarzt an der Chirurgischen Klinik in Tübingen, sind oben wiedergegeben.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 836_k_4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0836_k_4.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2018)