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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)


Deutsch-Samoa.


Der erste Morgenschein leuchtet über der Südsee, die ein Dampfer eilig durchkreuzt. Wie ein köstlicher Opal schimmert die unendliche Flut, im Süden taucht aber wie ein prächtiger Riesensmaragd ein Eiland aus den Wogen des Meeres empor. Berge bilden seine Zinnen, aber kein toter, kahler Fels erglüht auf ihren Gipfeln in den Strahlen der aufgehenden Sonne; die gewaltigen bis 900 m hohen Kuppen, die einst von vulkanischen Kräften aus dem Meeresgrunde emporgetürmt wurden, prangen vom Fuß bis zum Scheitel in dem herrlichsten grünen Mantel üppiger tropischer Vegetation. Also grüßt Upolu, die Perle von Samoa, den Südseereisenden – ein entzückender Anblick!

Näher und näher dampft das Schiff heran, zwischen Brandungen der Korallenriffe sucht es seinen Weg und fährt in die von dem schön gerundeten Apiaberge überragte Bucht. Ueber die Masten der Handels- und Kriegsschiffe schweift das Auge hinüber nach dem Strande. Leichte Holzhäuschen lugen aus dem üppigen Grün hervor; so schmuck, so freundlich ist ihr Anblick, daß der Fremde glaubt, eine neuerstandene Sommerfrische mit schmucken Villen vor sich zu haben.

Im weiten Halbkreise, fast nur eine einzige Straße bildend, hat sich Apia, Samoas „Hauptstadt“, an dem Gestade der Bucht ausgebreitet. In der Mitte liegt die eigentliche Stadt mit den Handelshäusern, Gasthöfen und Schenken; westlich vor ihr sehen wir das Dorf Matafele; deutscher Fleiß Hai es errichtet und zur Blüte emporgebracht; denn in langen Reihen stehen hier die weiten Gebäude der großen Faktorei der „Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft der Südsee“. Im Osten erblicken wir das Dorf Matautu mit englischen und amerikanischen Konsulatsgebäuden und auf der Landzunge Mulinu, die an Matafele grenzt, haben sich die Eingeborenen in ihren leichten, luftigen Hütten angesiedelt.

Samoanerin in europäischer Kleidung.

Samoanisches Mädchen in seinen
Mattenkleidern.

Doch die braunen Kinder der herrlichen Insel begrüßen uns bereits. Bevor noch der Anker in die Tiefe rasselt, haben sie schon in leichten Kanoes das Schiff umringt. Da sehen wir keine abstoßenden, häßlichen Wilden. Freundliche Menschen steigen von den Booten auf das Deck des Schiffes; vollendet schön sind ihre Körperformen; ihr Eindruck wird noch gehoben durch die malerische Tracht, ein Hüfttuch und Blätter- und Blumengewinde; ihre Gesichtszüge haben auf klassische Schönheit keinen Anspruch, aber sie sind selbst dem Europäer sympathisch, der sich bald angezogen fühlt durch das freundliche, sich anschmiegende Wesen der bronzefarbigen Gesellen.

Wir lernen ihre Heiterkeit und Sorglosigkeit begreifen, wenn wir mit ihnen ans Land gehen und mit ihrer Heimat vertraut werden. Ewiger Sommer herrscht auf den paradiesischen Eilanden; die Durchschnittstemperatur des heißesten Monats (Dezember) beträgt etwa 27° C., die des kältesten (Juli) 24° C. Die Hitze wird jedoch gemäßigt durch das Meer und die Südostwinde, die von April bis November wehen. Raubtiere giebt es auf Samoa nicht, wohl aber Scharen von Vögeln, namentlich wilden Tauben, und das Meer wimmelt von Fischen. Ueberaus fruchtbar ist der verwitterte vulkanische Boden, und alle Nutzpflanzen der Tropen können in ihm aufs beste gedeihen. Ein besonders schwerer Kampf ums Dasein ward dem Samoaner von der Natur nicht auferlegt. Seit jeher konnte er an Brotfruchtbäumen und Kokospalmen seinen Hunger stillen; Bananen gediehen ihm herrlich, und die Yamswurzel und die Knollen des Taro (Arum esculentum) boten Abwechslung für seine Küche. Citronen und Orangen, sowie Mangobäume erquickten den Insulaner mit ihren Früchten. Die Rinde des Papiermaulbeerbaumes lieferte ihm Stoff für seine Kleider, und wenn er auch Wein und Bier nicht kannte, so lernte er aus einer rankenden Pfefferart. dem Piper methysticum, ein berauschendes Getränk, die Kawa, bereiten.

Trotz der Fortschritte, die im Laufe der letzten Jahrzehnte der Handel, Plantagenbau und das Christentum auf den Samoainseln gemacht haben, lebt noch der größte Teil der Eingeborenen in vieler Hinsicht nach alter Väterart. Betritt man die unter Palmen und Brotfruchtbäumen gelegenen Dörfer der Samoaner, so sieht man überall ihre eigenartigen Häuser. Auf vier bis fünf Fuß voneinander stehenden rund behauenen Holzpfosten wölbt sich ein solides aus Blättern des Zuckerrohres oder der Kokospalme gefertigtes Dach. Tagsüber zeigt das Haus keine Wände, es ist nach allen Richtungen offen und wird von den kühlenden Seewinden durchstrichen; erst für die Nacht werden die aus Palmblattstreifen bestehenden jalousieartigen Wände herabgelassen. Eine Schicht loser, von der See geglätteter Steine bildet den Fußboden; auf ihm werden die Matten ausgebreitet, und die einfache Lagerstätte des Samoaners ist bereit. Kein Herd steht in dem Hause, denn für Kochzwecke sind abseits vom Dorfe besondere Schuppen errichtet, die von mehreren Familien gemeinsam als Küche benutzt werden. Die deutsche Hausfrau würde mit Staunen die einfache Einrichtung dieser Küchen beobachten. Hier giebt es weder Kochtöpfe noch Bratpfannen. In der Mitte des Schuppens befindet sich eine muldenförmige Vertiefung, in welcher ein Haufen faustgroßer Steine aufgeschichtet ist. Sind diese im Feuer erhitzt worden, dann kann das Backen und Schmoren losgehen. Schweinefleisch, Hühner, wilde Tauben, Brotfrüchte, Bananen, Yams und Taroknollen werden in Bananenblätter eingewickelt und zwischen den Steinen geröstet. Selbst flüssige und breiartige Gerichte setzt man in Beutelchen aus Bananenblättern an. Die letzteren dienen auch als Teller und Servietten. Wie auf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 846. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0846.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2021)