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verschiedene: Die Gartenlaube (1899)

nächtlicherweile in der Waldsaat jagt, das sind Würmer, Engerlinge und Mäuse. Jägerlatein ist, daß der Dachs mit seiner Schnauze die Regenwürmer aus der Erde steche, er gräbt sie natürlich mit den scharfen, langen Nägeln der Vorderpfoten aus der Erde, sowie sein scharfer Geruchssinn sie und anderes Gewürm, insbesondere Engerlinge, entdeckt. Im Herbste sammelt der Dachs auch einen nicht sehr großen Vorrat abgefallenen Obstes in seine unterirdische Burg, in die er gewaltige Haufen dürren Laubes für ein möglichst behagliches Ruhebett trägt. Während uns nun Grimmbart in seinem – meist nächtlichen – Lebenswandel den Eindruck eines herzlich stumpfsinnigen, mürrischen, dabei sehr faulen Gesellen macht, ändert sich dies Bild völlig, betrachten wir die Glanzleistung seines Daseins, seine Burg. Mit Ausnahme der sehr kurzen Liebeszeit, die bei jüngeren Dachsen Ende Juli, Anfang August, bei alten Dachsen in den Oktober, niemals später, fällt, lebt der Dachs als Einsiedler.

Das Gebirge, wie das waldbesetzte Hügelland, wo felsige Halden mit zerklüftetem Gestein ihm anziehende Punkte sind, bilden des Dachses Heimat. Dort treibt er, an möglichst wenig gestörten Orten, seinen Bau gewöhnlich 2 bis 3, aber auch 6 bis 8 m weit in die Tiefe. Vorsicht und Tapferkeit sind des Dachses Tugenden, in der Anlage seiner Burg waltet nur die erste. Er kann nicht genug Röhren haben, die in die Tiefe und aus derselben führen, damit ihm ein sicherer, unbemerkter Rückzug aus seiner Burg gewährt sei. Die Röhren führt er auch noch sehr gewunden und verzweigt, um dem Feinde das Eindringen zu erschweren. Außer diesen Einfahrtsröhren legt der Dachs auch noch einen Luftschacht, in sehr großen Bauen deren mehrere, in Gestalt einer engen, senkrechten Röhre an. Der Kessel selbst, „die Burg“, ist sehr geräumig, glatt und sauber ausgearbeitet und weist einen thatsächlichen – Abtritt, ein eigens hierzu gegrabenes Nebenkabinett, auf. Wo viele Dachse sind, entsteht Bau um Bau, die sämtlich durch eigene Röhren miteinander verbunden sind und mit ihren vielen Haupt- und Nebengängen ein unterirdisches Straßennetz bilden. Die als feinsinnige Beobachter des Tierlebens wohl bekannten Gebrüder Müller, denen die älteren Jahrgänge der „Gartenlaube“ so manchen wertvollen Beitrag verdanken, haben den Dachs des öfteren bei seinem Grabgeschäfte beobachtet, sie schreiben darüber: „Er gräbt die Erde kreuzweise mit seinen stark nägeligen Pfoten, mit welchen er, so lange er noch oberflächlich arbeitet, die losgekratzte Erde erst mit den Vorder-, sodann mit den Hinterläufen hinter sich schleudert. Mehr in die Tiefe gedrungen mit der Anlage der Röhre, schiebt er mit seinem breiten Hinterteile den angehäuften Schutt der Röhre rückwärts hinaus. Besondere Mühe und Arbeit verwendet er auf Formgebung und Ausstattung des Kessels. Zur Anlage desselben kommt er beim Graben einer neuen Burg erst nach Wochen. Die durch Graben, Schaufeln und Glätten gehörig ausgeweitete Stelle versieht er im Spätherbste mit einer Auspolsterung von Laub, Moos, Gras und Farrenkräutern, welche Stoffe wir ihn auf die umständlichste und oft possierlichste Weise in den Bau schaffen sahen. Er bringt auf ebenem Terrain gewöhnlich dieses Material mit den Vorderpfoten unter Bauch und Hinterläufe, schreitet so beladen rückwärts nach der ersten Röhre, dreht sich dann um und schiebt die Ladung mit dem Vorderteile vor sich den Bau bis zum Kessel hinunter. An abhängigem Boden verfährt er anders, indem er das vorher zusammengescharrte Laub zwischen die armartig zusammengehaltenen Läufe bringt und damit rücklings nach einer Röhre des Baues rutscht.“

Ist auch diese Arbeit vollendet, so ist der Dachs „eingemoost“, wie der Weidmann sagt; nun braucht nur des Winters Strenge einzusetzen, so verfällt auch der Dachs in Winterschlaf. Er liegt, zusammengerollt, auf der Stirn, den Sohlen und den Fersen seiner Hinterläufe. In strengen Wintern schläft er vom November bis zum Februar, braucht dann keine oder nur wenig Nahrung, die er bei kurzem Erwachen dem aufgestapelten Obstvorrate entnimmt. In milden Wintern unterbricht er seinen Schlaf sehr oft, insbesondere um zu trinken; er kommt dann auch tags zum Vorschein, säuft am Bach oder an einer nahen Quelle und sucht auf nahen Wiesen nach Regenwürmern und Engerlingen. Gesättigt, schläft er wieder tagelang, um, sobald Kälte eintritt, ganz fest weiterzuschlafen.

Des Zigeuners Lieblingsbraten, der treffliche Igel, als Vertilger der Kreuzotter ein gar nützliches Geschöpf – wo diese nicht mehr vorkommt, immer noch als Verzehrer von Mäusen, Engerlingen, allerlei Würmern und Insekten recht nützlich, hat unter unserem Klima schwer zu leiden. Strenge Winter haben ihn schon örtlich ausgerottet, wenn sie früh eintraten. Denn der Igel entschließt sich erst spät zum Winterschlaf, Ende Oktober beginnt er mit der Herrichtung der Winterwohnung. Mit Vorliebe wählt er hierzu einen verlassenen Fuchsbau, die Seitenröhre einer Dachsburg, einen hohlen Baum oder ein Loch im Steingeklüfte – kann er das alles nicht finden, recht dichte Hecken. Und nun wälzt der drollige Kamerad sich auf seinem Stachelrücken im dürren Waldlaube, bis alle Stacheln mit aufgespießtem Laube gefüllt sind, und trägt diese leichte Last zu seiner Ruhestätte. Dort senkt und sträubt er den Stachelpanzer einige Male auf und nieder, und rasch hat er durch dieses Manöver sich seiner Last entledigt. Er trägt in ziemlich kurzer Zeit einen großen wirren Haufen Laub und Moos herbei. Plinius behauptete schon, daß der Igel auch auf Obst sich wälze und so dasselbe heimtrage, in den meisten Naturgeschichten finden wir diese Behauptung wiederholt. Ich habe sehr viele Igel sowohl gefangen gehalten, als auch in den Garten „verpflanzt“ und durch möglichste Verhinderung der Wiederauswanderung oft lange Zeit hier festgehalten, allein ungeachtet der reichlichsten Gelegenheit konnte ich das Anspießen des abgefallenen Obstes nie beobachten, stets fraßen es die Igel ohne weiteres. Auch habe ich in den Winterwohnungen des Igels keinerlei Vorräte entdeckt. Bei kaltem Wetter schläft er sehr fest wie die Schlafmäuse, sowie aber gelindes Wetter eintritt, auch mitten im Winter, entsteigt er seinem sehr warmen Laubbette und sucht eifrigst nach Nahrung, insbesondere nach Mäusen, die er auch ausgräbt; eine schlafende Haselmaus, welche ich Ende Januar in einem großen Obstgarten (am Starnberger See) dem munter herumschnüffelnden Igel in den Weg legte, entdeckte dieser sofort und fraß sie völlig auf. Er schläft wie der Dachs, zusammengerollt, auf der Stirn liegend. Junge Igel erfrieren sehr leicht, jeder Winter tötet viele. –

In ganz anderer Weise als unser guter, drolliger Igel sorgt sein Feind, der so sehr schädliche Hamster für des Leibes Notdurft im Winter. Dieser kurzschwänzige, plumpe Geselle, der schon so manche örtliche Hungersnot verschuldet hat, erreicht nur eine Länge von 20 bis 30 cm, speichert aber Getreidevorräte bis nahe an einen Centner auf! Der Hamster ist das denkbar unliebenswürdigste Tier, voll Bosheit, Niedertracht und Blutgier. Obschon er sich hauptsächlich an die keimende Saat, dann an zarte Pflänzchen und endlich an das Getreide hält, ist er doch Allesfresser und liebt Fleischnahrung sehr. Er fängt gewandt die Mäuse weg, plündert die Nester der Lerchen, Rebhühner, wie überhaupt aller Bodenbrüter, frißt Eidechsen, Blindschleichen, Frösche, alle Käfer, Raupen und Würmer, die ihm in den Weg kommen. Nach herzlich kurzer Liebeszeit fällt das Männchen oft über das Weibchen her und – frißt es nach scharfem Kampfe auf; dieses ist eine lieblose Mutter, sobald ihre Kleinen selbst fressen können. Es baut sich jeder Hamster sein eigenes Heim. In seine eirunde, schön geglättete, mit Stroh ausgelegte Wohnkammer unter der Erde führen zwei Einschlupfröhren: die Hauptröhre führt sanft schräg hinab, ihr entgegengesetzt liegt das Fallloch, das ziemlich tief senkrecht hinabgeht, dann wagrecht zur Wohnung führt. In dasselbe läßt sich der Hamster, insbesondere bei Gefahr, rasch hinabfallen. Mit der Wohnkammer durch eine kurze Röhre in Verbindung steht die viel größere Vorratskammer; alte Hamster legen deren zwei und drei an. Der Hamster trägt seine sprichwörtlich großen Vorräte in den Backentaschen ein, er kann in denselben bis zu 10 g Gewicht tragen. Begegnen sich zwei Hamster, so leeren sie sofort die Taschen und beginnen einen wahrhaft rasenden Kampf, denn jeder will ein bestimmtes Gebiet. Mit vollen Taschen ist er absolut wehrlos, man kann ihn dann ruhig greifen, er sucht sich aber mit den Vorderpfoten möglichst rasch der Last durch Herausstreichen zu entledigen, dann geht er zum Angriff gegen Hunde und Menschen über und beißt sie, „klein, aber teufelhäftig“, ganz gewaltig in die Beine. Von allen Feldfrüchten, die er einträgt, zerbeißt er den Keim; der Inhalt seiner Schatzkammer ist also sehr wohl als Futter noch verwendbar, dagegen für die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1899). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1899, Seite 863. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1899)_0863.jpg&oldid=- (Version vom 7.6.2018)