Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/15

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ging mit dem Gedanken um, ihn, wie er früher mit Homer gethan, durch Kompositionen zu illustrieren. Die Schwierigkeit, ein passendes Kostüm für die orientalischen Helden des Persers zu finden, war es besonders, was ihn von der Ausführung dieses Vorhabens abhielt.

Nicht unerwähnt lassen darf ich, dass auch jetzt noch, wie von Anfang an geschehen war, von vielen Seiten versucht wurde, mich gegen ihn, bald durch Herabsetzung seiner künstlerischen Thätigkeit, bald durch Verdächtigung seines Charakters einzunehmen. Ich setzte diesen Versuchen die tiefste Verachtung entgegen und sah in Jedem, der mir mit solchen Insinuationen zu nahen wagte, mehr noch meinen persönlichen Feind, als den des Meisters. Bedauernswert erschien mir Derjenige, der sein Urteil über Kunst oder Litteratur von dem Winde der Tagesmeinung abhängig macht, welcher bald hierher weht, bald dorther. Ich hatte das meinige an den besten Mustern aller Zeiten gebildet; es lag daher für mich auf der Hand, dass wenn ein moderner Maler Denjenigen entzücken konnte, der stets im vertrauten und fast täglichen Umgange mit Rafael und Tizian, Michel Angelo und Leonardo gelebt hatte, dieser Künstler, mochte ihn auch alle Welt verkennen, gewiss ein nicht unbedeutender sein musste. Zudem wusste ich, welche Ware Diejenigen priesen, die Genelli zu verkleinern suchten, und schon dies bestimmte mich, ihnen die Thür zu weisen. Was aber den Charakter des Künstlers betrifft, so glaubte ich genug Menschenkenntnis zu besitzen, um dem Eindrucke vertrauen zu dürfen, den ich seit dem Beginne von ihm empfangen hatte. Und dieses Vertrauen ist kein unbegründetes gewesen; vielmehr hat sich durch den fortgesetzten Umgang mit dem grossen Manne bis an sein Lebensende meine Liebe und Verehrung für ihn nur gemehrt. Genelli war eine anima candida, eine, wie Petrarca sagt, alma gentil che quelle membra regge, auch als Mensch eine der edelsten Zierden seines Vaterlandes; und dass ich ihn mir zum Freunde erworben, betrachte ich als eine der grössten Errungenschaften meines Lebens. Flammend von Begeisterung für alles Schöne, war er immer bereit, jedes ernste und aufrichtige Streben anzuerkennen, auch wenn es anderen Zielen zusteuerte, als die ihm vorleuchteten. Trotz der Verkennung und Hintansetzung, die er erdulden musste und tief empfand, lag ihm Neid oder Verkleinerungssucht gegen solche, welche grössere Erfolge bei dem Publikum hatten, als er, völlig fern; vielmehr pries er aufs wärmste alle Arbeiten von Künstlern, die von der Wahrhaftigkeit des Ringens nach einem hohen Ideale Zeugnis gaben. So rühmte er ungemein, wie verschieden sie auch von den seinigen waren, die Werke von Führich, Schwind, Steinle, und im Fache der Landschaftsmalerei diejenigen von Preller, wie auch die bessern von Albert Zimmermann. Die angeborne Milde seines Wesens hinderte ihn dagegen nicht, mit dem schärfsten Spotte solche zu verfolgen, welche die heilige Kunst entweihten und den Sinn der Menge durch gleissende Larven bethörten. Und so soll es sein! Der Kultus des Schönen und Edlen soll den, der ihn bekennt, lehren, dem Schlechten und Gemeinen bis in den Tod feind zu sein, ihm bei jeder Gelegenheit Hass und Verachtung zu zeigen und auch der Urheber solcher Produkte nicht zu schonen. Daher schwang Genelli hie und da die Geissel vernichtender Satire gegen alle, die er als Verderber des Kunstgeschmacks in Deutschland betrachten musste. Einige seiner Karrikaturzeichnungen sind wahrhaftig grossartig und von zermalmender Kraft. Wären noch die Zeiten des alten Griechenlands, so würden die von den Keulenschlägen seines Witzes Getroffenen, wie es von den Opfern der Satiren des Archilochos erzählt wird, von ihren Zeitgenossen geflohen worden sein, als wären sie vom Fluche Apollos ereilt; ja sie hätten sich vielleicht, wie Lykambes, in Verzweiflung und im durchbohrenden Gefühle ihres Nichts den Tod gegeben. Aber die Gegenwart hat stärkere Nerven, und die Betroffenen liessen ihr Haupt im mindesten nicht sinken; auch fuhr das Publikum fort, seinen Götzen, wie bisher, Weihrauch zu streuen.

Man sollte nun meinen, dass die ersten grössern Werke, die Genelli vollendet hatte, und die ich geflissentlich möglichst Vielen zur Anschauung zu bringen mich bemühte, sich sogleich unbedingte Bewunderung hätten erzwingen müssen. Dem war aber keineswegs so. Es ist ein heilloser Uebelstand, dass Wortführer der Presse, deren Amt es wäre, den Geschmack der immer rohen Menge zu bilden und das Publikum auf das Bedeutende und Wertvolle in Litteratur und Kunst aufmerksam zu machen, meistens diesen hohen Beruf völlig verleugnen. Mehr noch als Böswilligkeit und Koteriewesen, die leider auch weit genug verbreitet sind, ist hieran ihre grenzenlose Unbildung und Unwissenheit schuld. Grösseres Unheil aber, als durch Verkleinerung und Schmälerung[WS 1] des Wertvollen stiften sie dadurch, dass sie es totschweigen und dafür das Mittelmässige preisen. Leider ist es nun, weit mehr als in einer früheren Periode, in unseren Tagen die Presse, durch welche nicht nur die öffentliche Meinung geleitet wird, sondern von deren Besprechungen auch das Bekanntwerden jeder künstlerischen und litterarischen Leistung in weiteren Kreisen abhängt. So nahmen Zeitungen und Journale auch von bisher vollendeten Werken Genellis wenig Notiz, und die Erfüllung der sicher von mir gehegten Hoffnung, er werde noch die aufgehende Sonne seines Ruhmes erleben, begann zweifelhaft zu werden. Er selbst kümmerte sich indes wenig hierum und fand hinreichende Befriedigung im eigenen Weiterschaffen. Seine nächste Arbeit war Abraham mit den drei Engeln, welche die bevorstehende Geburt des Isaak verkünden, eine grossartige,

von der erhabenen Einfalt des Alten Testamentes durchdrungene Komposition. Es weht in ihr ein erquickender Hauch aus der Erdenfrühe; der Beschauer glaubt reine „Patriarchenluft zu kosten“. Genelli wünschte die Figuren dieses Bildes in Lebensgrösse auszuführen und ich gab ihm hierin nach; die Wirkung ist dadurch für den ersten Anblick eine mächtige, der grandiosen Komposition entsprechende geworden; gleichwohl habe ich oft gewünscht, der Künstler wäre bei den kleineren Dimensionen seiner früheren Bilder geblieben. Denn bei näherer Betrachtung drängte sich mir die Ueberzeugung auf, er habe wegen des langen Brachliegens seiner Kraft und aus Mangel an Uebung nicht die Fähigkeit besessen, lebensgrosse oder gar überlebensgrosse Gestalten gehörig durchzubilden.

In der Farbe ging Genelli in diesem und in folgenden Gemälden mehr und mehr von dem glänzendem Kolorit ab, durch das die Europa so bestechend wirkt. Er war der Meinung, ein solches passe für seine Zeichnungen nicht; doch möchte er in der Enthaltsamkeit von koloristischem Reize bei den späteren Bildern wohl etwas zu weit gegangen sein, und ich glaube, sie würden, wenigstens durch grössere Abtönung in Licht und Schatten, gewonnen haben.

Da, wenn ich die Werke Genellis lobe, Manche glauben dürften, der Stolz des Besitzes, oder der Umstand, dass ich mir selbst einiges Verdienst um ihre Entstehung zuschreiben kann, beeinflusse mein Urteil, so will ich über die beiden folgenden Gemälde, die er für mich ausführte, einen Andern reden lassen,

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Schmälerug