Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/30

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als mit inniger Verehrung genannt werden. Sie hatte nach dem frühzeitigen Tode ihres Mannes die Erziehung und Ausbildung dieses Sohnes als ihre Lebensaufgabe betrachtet, und sich derselben mit Hingebung, ja Aufopferung, gewidmet. Selbst nur in beschränkten Verhältnissen lebend, hatte sie Musikunterricht erteilt, um von ihren Ersparnissen den jungen Anselm unterstützen zu können; aber ihren Anstrengungen, die so weit gingen, dass ihre Gesundheit dadurch erschüttert wurde, war es bisher nicht gelungen, die Ungunst des Schicksals zu brechen, welche ihren Sohn verfolgte. Wäre der letztere der idealen Kunst untreu geworden, hätte er Bilder gemalt, wie sie dem Geschmacke des Tages zusagten, so würde ihm vielleicht das Glück gelächelt haben; aber er blieb der Fahne treu, zu der er einmal geschworen, und musste deshalb lange Jahre der Verkennung, ja Missachtung verbringen. Als dringendste Pflicht für mich, nachdem ich von seiner Lage gehört, erkannte ich es, die materielle Not zu heben, von der er gerade bedrängt war. Ich kaufte zunächst die beiden Gemälde, die er zuletzt vollendet und eben nach Deutschland gesandt hatte. Dies waren der Garten des Ariost und das Porträt einer Römerin. In dem ersten ist die Gruppe des Dante und der Frauen auf dem vorhin genannten Bilde nahezu, aber in kleinerem Massstabe wiederholt; indessen, wenn die figürliche Partie hier nachsteht, zeugt die landschaftliche und architektonische von der vielseitigen Begabung des Künstlers; der Palast ist so vortrefflich, dass er einem Architekturmaler Ehre machen würde, und die reiche und reizende Landschaft, welche an die Umgebung der Villa Albani in Rom erinnert, würde ein Rottmann gern als sein Werk gelten lassen. Das Kolorit zeigt die ganze Farbenpracht eines Paolo Veronese. – Das Porträt stellt die berühmte Nanna vor, ein von den Künstlern in Rom früher sehr begehrtes Modell. Dasselbe Gesicht kehrt auf vielen Bildern Feuerbachs wieder; er scheint sich die Schönheit lange nicht anders als mit diesen Zügen haben denken zu können. So haben schon viele der alten Maler das ihnen vorschwebende Ideal von Frauenreiz häufig auf ihren Bildern wiederholt; es ist bekannt, wie bei Leonardo und Luini fast immer derselbe Schnitt des Gesichtes vorkommt, wie häufig das Antlitz von Tizians Lavinia, von Palmas Violante uns bei den venezianischen Malern begegnet; gleich diesen Typen weiblicher Schönheit wird auch Nanna unsterblich sein. Feuerbachs Porträt ist von edler und keuscher Auffassung und erinnert, nicht zu seinen Ungunsten, an Bildnisse der guten Italiener. Gleich hier will ich es als eine besondere, kaum hoch genug zu preisende Eigenschaft dieses Künstlers rühmen, dass er stets frei von jeder Affektation und Koketterie ist und nie durch niedere Sinnlichkeit zu bestechen sucht. Ganz fremd ist ihm jene Geziertheit, jenes süssliche Lächeln, das so viele moderne Bilder entstellt. Einfachheit und Natürlichkeit gehört eben zur Signatur der wahren Kunst. Aber gerade dass seine Werke diese tragen, ist vermutlich der Grund gewesen, weshalb sie nie populär geworden sind. Allerdings darf man als sicher annehmen, dass das Manierirte und Gekünstelte, nachdem es eine Zeitlang das Publikum bestochen, mit der vergänglichen Mode beiseite geworfen wird und in Verachtung versinkt; auch kann für wahrscheinlich gelten, dass das in früherer Zeit Verkannte dann zur Anerkennung gelangen werde; aber betrübt sieht man, wie der Künstler diese meistens nicht mehr erlebt und oft, wenn er auch nicht an sich selbst verzweifelt, sich doch in banger Sorge fragen muss, ob nicht sein ganzes Streben fruchtlos gewesen sei. – Das nächste Gemälde Feuerbachs, das ich in meinen Besitz brachte, war seine Pietà, Maria mit drei Frauen um den toten Christus klagend. Er selbst hat diese Arbeit immer für seine bedeutendste gehalten, und schwerlich hat unsre Zeit noch ein anderes Bild hervorgebracht, aus dem die Sonne der grossen italienischen Kunst so rein zurückstrahlt. Hierbei wird von Manchen die Bemerkung gemacht werden, mit diesem Ausspruche sei gesagt, dass Feuerbach keine Originalität gehabt habe. Es liegt unglaublich viel Missverstand darin, wenn man künstlerisches Verdienst auf solche Weise zu verkleinern sucht. Ich gehe nicht so weit, der Behauptung beizupflichten, die ich irgendwo gelesen: Originalität sei eine Eigenschaft, die immer nur untergeordneten Talenten zugeschrieben werden könne. Aber gewiss ist, dass die Originalität gerade der grössten Maler, eines Tizian, eines Rafael, nur in der hohen Vortrefflichkeit ihrer Leistungen besteht, und das ist keineswegs der Sinn, den man gewöhnlich mit diesem Ausdruck verbindet. Beide Genannte lehnen sich an ältere Maler an, haben sich aus bestimmten Schulen entwickelt, und ihre früheren Werke erinnern so sehr an die ihrer Meister und Mitschüler, dass man sie kaum von ihnen unterscheiden kann. Ja selbst in ihren spätesten Gemälden verleugnen sie nicht die Schulen, aus welchen sie hervorgegangen, die Muster, die sie vor Augen gehabt, und zwar oft, jedoch keineswegs immer, übertroffen haben. Daher denn auch manche Erzeugnisse ihrer Mitstrebenden ihnen zugeschrieben und bis auf den heutigen Tag unter ihrem Namen aufgeführt werden konnten. Eher möchte man versucht sein, Michel Angelo wegen seiner Originalität zu rühmen; doch weiss man, wieviel auch er von früheren Meistern beeinflusst worden ist, und wie er noch in seinem hohen Alter bei seinem „Jüngsten Gericht“ dasjenige des Luca Signorelli in Orvieto vor Augen gehabt hat. Mit Recht originell heissen dagegen Höllenbreughel, Callot und andere Künstler, welche, von dem Streben nach dem Neuen, Seltsamen und Bizarren ausgehend, jedes Vorbild verschmähen und eine einseitige Richtung, oft in karikaturartiger Weise, verfolgen. Der einzige grosse Maler, dem das Epithet „originell“ gebührt, möchte Rembrandt sein; indessen tritt doch auch dieser neben jenen höchsten Leitgestirnen der Kunst in die zweite Reihe zurück. – Es ist ein trauriges Licht, das auf einige neuere Maler fällt, wenn sie, wie behauptet wird, nie eine Galerie alter Gemälde besucht haben und nie nach Italien gereist sind, um „sich ihre Selbständigkeit nicht zu verderben“. Wahrlich, diese brauchte Feuerbach um ihre Originalität nicht zu beneiden! Aber wenn letzterer nicht in ihren Fussstapfen wandelte, wenn er auch nicht in dem Sinne eines der Vorhergenannten (man könnte hier auch noch den Spanier Goya hinzufügen), originell heissen kann; wenn er sich an dem Studium der Italiener gebildet hat, so darf man ihn doch darum noch mit nichten einen Nachahmer nennen. Da der Strom der grossen Kunst seit dem 17. Jahrhundert versiegt ist, da unsere Maler nicht mehr in die Schulen des Gian Bellin, des Perugino oder auch nur der Carracci zu pilgern vermögen, können diejenigen, welche nach dem Höchsten streben, gewiss nichts besseres thun, als den lebendigen Unterricht dadurch zu ersetzen, dass sie sich wenigstens an den Meisterwerken früherer Zeiten bilden. Nur wenn sie sklavisch ihren Vorbildern folgten, hätte man ein Recht, von Nachahmung zu sprechen; aber dass Feuerbach es mit Selbständigkeit gethan, dass er manche Vorzüge seiner ewigen Muster wirklich in seine Werke übertragen hat, wird, wie ich denke, die gerechte Nachwelt zugeben. Seine Pietà ist nicht aus der tiefreligiösen Andacht hervorgegangen, mit welcher Overbeck, Steinle und Führich diesen Gegenstand behandelt haben würden; aber er hat die unergründliche Tragik des Vorgangs mit ergreifender Tiefe der Empfindung wiedergegeben, und es ist kein geringer Ruhm für ihn, dass sein Gemälde sich noch nach der „Grablegung“ des Fra Bartolommeo und nach jener des Andrea del Sarto betrachten lässt, ohne dass der Abstand von ihnen als ein allzu grosser erschiene.

Zugleich mit der Pietà sandte mir der Künstler, infolge meiner Aufforderung, eine Reihe von Studien und Skizzen zu, und ich bezeichnete einige der schönsten darunter als mir für die Ausführung besonders erwünscht. Im Frühjahr 1864, als ich nach Rom kam, sah ich ihn schon damit beschäftigt, die letzte