Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/31

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Hand an sie zu legen. Ich traf Feuerbach voll glühenden Schaffensdranges. Die neuen Aufträge, die Freude, doch wenigstens Einen gefunden zu haben, der ihn im vollen Masse würdigte, hatte seinen Lebensmut, der unter den ungünstigen Verhältnissen fast zu erliegen gedroht, von neuem gekräftigt. Ich brachte täglich mehrere genussreiche Stunden in seinem Atelier der Via S. Claudio zu, indem ich seine Zeichnungen betrachtete und so viele darunter für künftige malerische Verwertung auswählte, dass eine Reihe von Jahren bis zu ihrer Vollendung vergehen musste. Gegen Abend holte ich dann Feuerbach zum Spaziergange ab, und ich denke gern an die Stunden zurück, welche ich mit ihm in den Trümmern der Bäder des Caracalla, unter der halb vom Blitze zerstörten Tasso-Eiche von S. Onofrio und unter den Pinien der Villa Doria Pamfili verbracht habe. Er erzählte mir, aber mehrenteils unter Einflechtung bitterer Seitenbemerkungen, von den künstlerischen Erfahrungen, die er in Düsseldorf, München und Karlsruhe gemacht; lieber weilte seine Erinnerung in Paris, wo der reich begabte Couture sein Lehrer gewesen und wo er mit anderen talentvollen deutschen Künstlern, wie die allzu früh verstorbenen Henneberg und Viktor Müller, in freundschaftlichem Umgange gelebt hatte. Zuerst war er von der französischen Kunst sehr angezogen worden, und er rühmte noch die Vorteile, die der Aufenthalt in Paris, besonders in Bezug auf die Technik, für ihn gehabt; aber höher begann sein Auge zu leuchten, wenn er berichtete, wie ihm erst in der Akademie und in den Kirchen von Venedig, in den Galerien von Florenz und Rom die eigentliche wahre Kunst aufgegangen sei. Dieser sein Leben zu weihen, unbeirrt von den Geschmacksrichtungen der Gegenwart, wenn letztere auch ungleich reicheren Lohn versprachen, hatte er sich gelobt und ich durfte ihm aus voller Ueberzeugung bestätigen, dass die Arbeiten, die er mir am Tage gezeigt, einen Beweis für den heiligen Ernst lieferten, mit dem er sein Gelübde erfüllt.

Da in allen Reden Feuerbachs sich hohe Begeisterung für Dasjenige kundgab, was er als das Wahre erkannt hatte, konnte ich ihm auch die Schärfe und oft wegwerfende Härte nicht verargen, mit der er verschiedenartige Bestrebungen beurteilte. Es liegt nahe, dass ein Künstler, der ganz von der Richtigkeit des von ihm eingeschlagenen Weges durchdrungen ist, auch im Urteile einseitig sein muss und nur für die Werke Derjenigen Anerkennung haben wird, welche dieselbe Richtung verfolgen wie er. Maler sind daher, ebenso wie Dichter und Musiker, oft sehr inkompetent in der Kritik; es braucht nicht böser Wille zu sein, wenn sie Arbeiten Anderer herabsetzen; dies geschieht vielmehr oft aus der aufrichtigen Ueberzeugung, das Schöne könne nur auf die Art und in der Form hervorgebracht werden, die sie selbst dafür angewandt haben würden. So war schon Michel Angelo höchst ungerecht, indem er dem Perugino und dem Francia vorwarf, sie seien weichlich und weibisch; er scheint sogar den Rafael nicht ganz mit diesem Tadel verschont zu haben, und sicher ist, dass er dem Tizian schuld gab, er könne nicht recht zeichnen. Dass wiederum der letztere, nebst den übrigen Venezianern, den grossen Florentiner als hart in den Umrissen und roh in den Farben gescholten habe, lässt sich für gewiss annehmen. Auch Cornelius hatte wenig Sinn für die Schöpfungen seiner Zeitgenossen, sofern sie nicht ein dem seinen verwandtes Ziel verfolgten, und ich bin selbst Zeuge gewesen, wie er in meiner Galerie achtlos an allen Bildern vorüberging, um nur diejenigen des Genelli zu betrachten; doch muss ich bemerken, dass damals Schwind, den er sehr schätzte, bei mir noch spärlich vertreten war. Aehnlich hatte Feuerbach zu der Zeit, da ich in Rom mit ihm verkehrte, nur Geringschätzung für fast Alles, was in unserem Jahrhundert produzirt war oder um ihn her produzirt wurde. Ich erinnere mich nicht, dass er über irgend ein anderes Kunstwerk unserer Tage sich beifällig geäussert habe als über einige Bilder von Schwind. Sein Verdammungsurteil erstreckte sich auch auf die französische und belgische Malerei, von welcher er früher sehr eingenommen gewesen war. So sagte er unter anderem, die Sammlung des Luxembourg in Paris, welche doch die vom Staate angekauften und nach der Meinung der Vorsteher ausgezeichnetsten Bilder umfasst, sei nicht besser als die der Neuen Pinakothek in München. Seine wegwerfende Kritik über die Leistungen Anderer und die Härte, mit der er sie aussprach, zog ihm natürlich die Feindschaft mancher Künstler zu und versetzte ihn in eine Isolirung, die von Jahr zu Jahr noch zunahm. Es herrscht vielfach die Ansicht, für den Künstler sei das Zusammenleben mit anderen Mitstrebenden nötig; es sei für das Gelingen seiner Werke erforderlich, dass er während des Entstehens derselben fremde Urteile über sie höre, fremden Tadel beherzige und wohlgemeinte Ratschläge befolge. Mir scheint der Nutzen hiervon in aller Weise zweifelhaft. Ich habe junge Männer von Talent gekannt, die dadurch, dass sie ängstlich nach jedem Urteil lauschten, jede Bemerkung, jeden Wink, der ihnen gegeben wurde, sich zu nutze machen wollten, förmlich irre wurden. Wer kann es auch Allen recht machen? Der Eine tadelte, was der Andere lobte, und Beide zu befriedigen war unmöglich. Oft änderten sie ihr Werk, um dem Einen genug zu thun, und sprach ein Anderer eine entgegengesetzte Meinung aus, stellten sie, auf seinen Rat, wieder das frühere her. Schliesslich verzweifelten sie an ihrer eigenen Begabung und ihre Arbeit kam gar nicht zu Stande. So wird es allerdings nur schwachen und unselbständigen Talenten ergehen. Der Genius wandelt entschlossen seine eigene Bahn; aber auch ihm muss es doch lästig und hinderlich werden, wenn er bald dies, bald jenes von gänzlichem Mangel an Verständnis Zeugende über seine Arbeiten hören muss. Daher konnte ich Feuerbach nur preisen, dass er sich gegen unberufene Kritiken abschloss und seinem Sterne folgte.

Zunächst vollendete er in Rom unter meinen Augen die Francesca von Rimini. Sie stellt, nach Dante, die Scene dar, wo die Fürstentochter mit Paolo den Roman von Lanzelot und Ginevra liest und wo beide in dem durch die Erzählung erregten Liebesaffekt bis zu dem Moment gelangt sind, den die Unglückliche später mit den Worten bezeichnet: „An jenem Tage lasen wir nicht weiter“. Die Komposition gehört zu den besten von Feuerbach. Ich habe wohl sagen hören, Francesca sei nicht mit der für die Situation nötigen Leidenschaft geschildert. Ich bewundere dagegen in ihr die verhaltene Glut, die lange zurückgedrängte Liebe, die nun, nach vergeblichem Kampfe, im Begriffe ist, zu unterliegen. Der Vergleich mit Ary Scheffers „Francesca“, einem der besten modernen französischen Gemälde, ist ganz unangemessen; denn diese ist die schon in die Hölle gestürzte, sich in hoffnungslosem Weh verzehrende. Hätte Feuerbach der seinigen mehr Gesten des wilden Affekts geliehen, so wäre er in die Gefahr geraten, theatralisch und opernhaft zu werden, und eben, dass er sich immer hiervon frei gehalten hat, ist ihm als besonderes