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Verdienst anzurechnen. Ich bin der Ansicht, dass er gerade so viel dramatisches Leben in seine Darstellung gebracht hat, als solches mit der Schönheit vereinbar ist. Denjenigen, die glauben, er hätte hierin mehr thun sollen, kann man entgegenhalten, dass die grossen Italiener in ähnlichen Fällen das Dramatische ganz ausser acht gelassen und einzig auf das Malerische Rücksicht genommen haben. Für Tizian macht es keinen Unterschied, ob er seine Tochter Lavinia mit einer Schüssel voll Früchten in den Händen oder als Herodias mit dem Haupte Johannes des Täufers malt; auf beiden Bildern, deren jenes in Berlin, dieses in Madrid hängt, trägt die edle Venezianerin dieselben Gesichtszüge. Das ist denn freilich naiv, und man kann fragen, warum überhaupt eine bestimmte Situation gewählt sei, wenn der Ausdruck der Physiognomien derselben nicht entspricht; nichtsdestoweniger ist das letztgenannte Gemälde von jeher mit Recht gefeiert worden.

Weiter ward mir damals in Rom noch die Freude zu Teil Feuerbach an ein anderes schönes Bild die letzte Hand anlegen zu sehen. Es stellt zwei singende Kinder vor, die von einer Nymphe belauscht werden. Im Hintergrunde sieht man den See von Nemi mit seinen wundervollen Ufern. Hier, wohin Orest und Iphigenia nach alter Sage das Bild der taurischen Artemis flüchteten, wo Egeria aus Trauer um ihren Numa in einen Thränenstrom zerfloss, der noch als Quell vom Felsenhang hinabstürzt, fühlt sich die Seele vom Zauber der frühesten Mythen umfangen, und diese Stimmung ruht auch über dem Bilde. Das Ganze, wie das Einzelne, die Figuren, wie die Landschaft, sind überaus reizvoll, und in der tiefgesättigten Farbe hat der Künstler sein Meisterstück geliefert. Selbst inmitten von Werken Murillos und Giorgiones würde das Gemälde nicht allzusehr verlieren, während eine solche Nachbarschaft doch für die meisten modernen Bilder als lebensgefährlich über alles gefürchtet werden muss.

Einige Monate später erhielt ich die Gruppe badender Kinder. Diese würde dem eben genannten Gemälde gleichgestellt werden können, wofern sie durch das kalte bläuliche Kolorit nicht hinter ihm zurückbliebe. Wenn Genelli, wenn Schwind mit Recht sagen konnten, dass eine prangende glühende Farbe dem Geiste mancher ihrer Kompositionen unangemessen sei, so durfte Feuerbach solches hier und auch bei anderen seiner Bilder nicht behaupten. Es hat mich deswegen oft befremdet, dass er in verschiedenen Fällen freiwillig darauf verzichtet hat, seinen Bildern einen Vorzug zu geben, den ihnen zu leihen ihm doch ein Leichtes gewesen wäre. Abgesehen hiervon gehört die Gruppe zu seinen besten Arbeiten. Der Künstler wusste die Kindernatur mit besonderer Virtuosität aufzufassen. Er hat ihr das sorgfältigste Studium gewidmet und erzählte mir selbst, wie jahrelang sein Atelier fast täglich mit solchen Kleinen bevölkert gewesen sei. Der Gesichtsausdruck und die verschiedenen Stellungen der Kinder, von denen das eine schon behaglich schwimmt, das andere erst zaghaft mit den Füsschen die Kälte des Wassers prüft, das dritte sich noch angstvoll zurückhält, sind vorzüglich wiedergegeben.

Bei einer Madonna, die noch in demselben Jahre fertig wurde, musste ich die Erfahrung machen, wie Künstler sich oft im Urteil über ihre eigenen Werke irren. Ich hatte dieselbe nach einer Kreidezeichnung bestellt, die ich noch besitze und welche von seltener Schönheit ist. Ich dachte, das danach zu malende Oelbild werde den Beweis liefern, wie unsere Zeit noch Madonnen hervorzubringen vermöge, die neben denen del Granduca und della Sedia, oder der göttlichen des Gian Bellin in der Akademie zu Venedig bestehen könnten. Aber als das Bild bei mir eintraf, war ich einigermassen enttäuscht. So schön ich die Engel und das Christkind fand, war doch der herrliche Madonnenkopf der Zeichnung zu seinem Nachteile völlig verändert; und seltsam! obgleich alle meine Freunde meinem Urteile beipflichteten, behauptete Feuerbach, der Kopf des Gemäldes sei viel vorzüglicher als derjenige der Skizze und das Ganze eine seiner besten Leistungen. In dieser Weise haben sich, gleich den Malern, oft auch Dichter über ihre eigenen Werke getäuscht, und es ist bekannt, dass Goethe anfänglich auf seinen Grosskophta fast ebenso grossen Wert legte wie auf den Faust.

Im folgenden Jahre, als ich wieder nach Deutschland zurückgekehrt war, erhielt ich Laura in der Kirche zu Avignon, dasjenige Gemälde Feuerbachs, welches ihn unter den in meinem Besitz befindlichen am meisten Zeit und Mühe gekostet hat. Es ist die Scene, wo Petrarca seine zukünftige Geliebte das erste Mal in der Kirche zur heiligen Clara erblickt, jener Moment, der für die italienische Poesie so wichtig geworden ist, indem jahrhundertelang die Sonettendichter vorgaben, auch ihnen sei der Anblick der Dame ihres Herzens zuerst in einer Kirche zu Teil geworden. Dies Werk ist mit ganz besonderer Liebe und Sorgfalt bis auf das kleinste Detail behandelt; auch der architektonische Teil ist vorzüglich, und doch drängen sich diese Nebensachen nicht hervor, sind vielmehr in echt künstlerischer Weise dem Wesentlichen, den Figuren, untergeordnet.

Ich brachte seit jener Zeit alljährlich den Winter in Rom zu, und Feuerbachs Atelier gehörte für mich zu den grössten Anziehungspunkten der ewigen Stadt. Schon 1866 fand ich ihn mit dem Entwurfe einer Amazonenschlacht beschäftigt, und er drückte mir den Wunsch aus, denselben für mich in Angriff nehmen zu dürfen. Ich konnte nach diesem Entwurf, so viel Schönes er auch im einzelnen enthielt, nicht glauben, derartige grosse bewegte Kompositionen seien das ihm durch sein Talent angewiesene Feld. Es hat Künstler gegeben, die alle Gebiete mit gleicher Souveränität beherrschten, die ebenso gross als Maler von Porträts, von Heiligenbildern, von Darstellungen eines still in sich befriedigten Lebens, wie in Schlachtstücken, in Schilderungen von Engelsstürzen und ähnlichen stürmisch erregten Scenen waren – so Tizian, Rafael, Rubens; aber Andere, die man deshalb kaum minder gross nennen kann, hatten ihre bestimmte Domäne. Selbst der gewaltige Michel Angelo war nicht so universell, dass er alle Fächer beherrscht hätte. Wenn er das Reich des Mächtigen, Riesenhaften, in dem er Alleinherrscher war, verlassend, liebliche Frauenbilder hätte malen wollen, würde er wahrscheinlich hinter Talenten zweiten Ranges zurückgeblieben sein. Im Gegensatze zu ihm war der unvergleichliche Palma, der Zauberer Giorgioni für das Zarte, Anmutige organisirt und hätten diese ein Jüngstes Gericht, wie jener – hätten sie einen Prometheus am Felsen wie Tizian zu malen gewagt, so würden sie vermutlich gescheitert sein. Gewiss haben sie am besten für ihre Unsterblichkeit gesorgt, indem sie nicht über den, ihnen von ihrer eigentümlichen Begabung angewiesenen Kreis hinausgingen. Es war meine Meinung, Feuerbach sei bisher die ihm von seiner Natur vorgeschriebene Bahn gewandelt, und er werde sich verirren, wenn er seine Kraft an einem figurenreichen Schlachtgemälde oder einem Titanensturze (schon damals beschäftigte ihn die Idee eines solchen) versuchte. Ich lehnte daher die Bestellung der Amazonenschlacht ab, und teilte ihm meine Gründe dafür mit, die zwar wenig Eingang bei ihm fanden, aber doch den Erfolg hatten, dass er einstweilen in sein früheres Geleise zurückkehrte. Er übernahm demnach für mich die Ausführung mehrerer Gemälde, zu denen ich die Skizzen in seinen Mappen vorfand. Ich schätze mich glücklich, so gehandelt zu haben; denn die Bilder, die auf diese Art entstanden, gehören zu den vorzüglichsten des Künstlers. Ganz besonders gilt Solches von Hafis am Brunnen. Der persische Dichter war von Jugend auf ein Liebling Feuerbachs; allerdings nicht der Perser selbst, sondern, um die Wahrheit zu sagen, Daumer, dessen unter dem Namen des Hafis veröffentlichte Sammlung von Liedern nur hie und da eine Stelle des Originals völlig frei wiedergibt. Das Wohlgefallen, das Feuerbach an diesen