Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/45

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Cypressen ruhend, den Sonnenuntergang zu geniessen. Wer kann sich je eines solchen Anblicks ersättigen? Meine beiden Begleiter waren so berauscht von der Herrlichkeit Granadas, dass sie in den ersten Tagen ganz ihre Kunst vergassen und nur in dem Genusse schwelgten, welchen die zauberische Natur bot. Dann aber fühlten sie das Bedürfnis, einigen der empfangenen Eindrücke Dauer zu verleihen und die dazu besonders geeigneten Ansichten in Umrissen und Farbe festzuhalten. Lenbach hatte nie zuvor eine Landschaft gemalt und hat es auch später nie wieder gethan; aber er wollte doch versuchen, in wie weit er es vermöge. Zu diesem Behufe begaben wir uns jeden Morgen in der Frühe, bevor die Sonnenstrahlen noch zu lästig wurden, auf den Turm der Infantinnen, eine der arabischen Warten, die an der Umfassungsmauer der Alhambra emporragen; und während die Beiden Pinsel und Palette führten, sass ich neben ihnen, ein Buch in der Hand, oft jedoch das Auge über dasselbe hinweg in die Weite schweifen lassend. Das kleine Gemälde, das Lenbach hier zu Stande brachte, stellt die Aussicht, die sich droben aufthut, in der einen Richtung dar, wo die Vega von der Sierra Elvira begrenzt wird. Dies ist die Gegend, wo Santa Fé liegt, jene Stadt, welche aus dem von Ferdinand und Isabella zum Zwecke der Eroberung Granadas geschlagenen Lager entstanden ist. Von dem nämlichen Dache, von welchem aus das Bild aufgenommen wurde, oder von dem nächsten Turme, mögen oft die maurischen Königinnen auf das Schlachtgetümmel der Vega hinabgeblickt haben, wie sich die christlichen Ritter in ihrer Stahlrüstung mit blinkenden Schwertern und die beturbanten Mauren mit Lanzen und gekrümmten Ataghanen bekämpften. Die Aussicht nach links auf den sogenannten „letzten Seufzer des Mauren“ konnte leider auf dem Bilde nicht Platz finden; nur das geistige Auge sieht dort jenen Hügel, von welchem der unglückliche Boabdil, auf seinem Wege in die Verbannung, zum letzten Male auf sein Granada zurückschaute. – Nachdem uns die Mittagsglut nach Hause getrieben, durchschweiften wir in den späten Nachmittagsstunden den nun sehr verödeten Albaïcin, jenen Teil der Stadt, der in den meisten seiner Gebäude einen noch völlig arabischen Charakter trägt. Dann ward die Terrasse vor San Nicolas aufgesucht, wo man unter sich die Darro-Schlucht und darüber hinweg, auf der Höhe, die Alhambra gewahrt. Als wir zuerst die Terrasse betraten, auf der ich schon früher so manche Abendstunde verbracht, waren die beiden Künstler wie überwältigt von der Pracht der ihnen zu Füssen liegenden Landschaft und äusserten, dass dieselbe nur einen einzigen Fehler – den nämlich der Unwahrscheinlichkeit – habe; gelänge es einem Maler, sie getreu wiederzugeben, so würde man sagen, er habe das Bild der Phantasie, nicht der Natur entnommen. Wenn dann die sinkende Sonne die Gegend mit ihrem glühendsten Rot übergoss, und weiter das Licht, nach und nach erbleichend, durch alle Farben des Regenbogens hinspielte, legte Lenbach, der die Aussicht zu malen begonnen, oft verzweifelnd die Palette beiseite. Sein Bild, auf dem man die lang hingedehnten Mauern, Zinnen und Türme der Alhambra vor sich erblickt, wurde dennoch vollendet. Es zeigt zwar, dass er kein eigentlicher Landschaftsmaler ist, was er selbst auch nicht im Entferntesten behauptet; aber das Werk ist interessanter, als die Arbeiten von hundert geschickten Abschreibern der Natur, weil hier ein bedeutender Künstler, ebenso, wie er in seinen Porträts das innere Wesen des Menschen darzustellen weiss, die Seele der Landschaft wiedergegeben hat, welche sich ihm im begeisterten Moment enthüllt. Der Besitz dieses Bildes macht mich wahrhaft glücklich; denn es versetzt mich so lebhaft, wie kein anderes, in die alte Maurenstadt zurück. – Ein drittes, nur kleines Gemälde, das Lenbach hier noch entwarf, gehört mehr dem Genre an, aber jenem höheren, wovon Schwind so vortreffliche Beispiele gegeben hat. Es stellt den Tocador de la Reina vor, jenen kleinen, reizenden Pavillon, der, unfern des Comaresturmes auf der Alhambra in schwindelsteiler Höhe über dem Darro schwebt. Im Vordergrunde sitzt der junge Liphart, mit Zeichnen beschäftigt, und unter den Arkaden des Tempelchens stehe ich, die Blicke nach dem Generalife hinübersendend, dessen Umrisse an dem gegenüberliegenden Abhange hervordämmern. Die noch grandiosere Aussicht nach rechts hin auf die Schneegipfel der Sierra Nevada ist durch das kleine Gebäude verdeckt.

Als die Sommerhitze lästig zu werden begann und auch der grüne Teppich der Vega nach und nach gelbere Farben annahm, brachen wir wiederum nach Norden auf. Wir besuchten noch Saragossa, den Montserrate, dieses Wunder malerischer Naturschönheit, und kehrten über Barcelona, durch Südfrankreich und die Schweiz, nach Deutschland zurück. An Arbeiten, die Lenbach seitdem für mich beendigte, hat meine Galerie noch einige Studienköpfe und Porträts aufzuweisen. Darunter ist das eines Mönchs von erstaunlicher Tiefe der Charakteristik; so mag Torquemada ausgesehen haben, der aus Herzensbedürfnis und aus inniger Ueberzeugung, ein gottgefälliges Werk zu vollbringen, im Zeitraume weniger Jahre zehntausend Ketzer verbrannte. – Im Malen meines eigenen Bildnisses konnte der Künstler sich nie Genüge thun und hat, nachdem er schon 1862 mich porträtirt, sehr häufig, wenn er seine frühere Arbeit erblickte, eine neue begonnen; diese vertauschte er dann abermals mit einer neuen, bis die beiden, jetzt noch vorhandenen Porträts als letzte Resultate so vielen Fleisses übrig blieben.





VIII.


Die Bekanntschaft des sehr begabten Karl Rahl aus Wien machte ich bei Genelli, dessen glühender Bewunderer er war. Er besass eine umfassende Bildung und grosse Kenntnisse, sowohl in der Kunstgeschichte, wie in der Litteratur. Dabei glänzte er durch eine wirklich blendende Gabe der Rede, welche ihn in der Unterhaltung vielleicht noch bedeutender erscheinen liess, als in seinen Produktionen. Ich will ihn in letzterer Hinsicht jedoch keineswegs verkleinern. Rahl hatte lange Zeit, bis zu vorgerückterem Lebensalter, geringe Teilnahme für seine Arbeiten gefunden; und erst etwa seit dem Jahre 1850 war es ihm gelungen, bedeutendere Bestellungen zu erhalten. Unter allen Entwürfen, die er mir zeigte, erschien mir der einer Cimbernschlacht als der gelungenste. Seine Skizze stellte dar, wie, nach der Schilderung Plutarchs, eine Schar von Cimbern von ihrer Wagenburg herab einen verzweifelten Todeskampf gegen die Römer führt und die cimbrischen Weiber ihre Kinder zerschmettern, damit diese nicht in die Gewalt der Feinde fallen. Die Scene hatte Rahl mit höchster dramatischer Lebendigkeit aufgefasst. Es war ihm ein hohes Ziel des Ehrgeizes, ein eigenes Gemälde neben denen seines angebeteten Genelli aufgehängt zu